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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Zur Geschichte des Warschauer deutschen Zeitungswesens

Die entscheidendsten Anregungen erhielt das polnische Zeitungswesen durch
die in deutscher Sprache und von Deutschen herausgegebenen Zeitungen, die
vom Jahre 1757 an in Warschau herausgebracht wurden. Denn die "Deutsche
Warschauer Zeitung", die seit dem 10. August 1915 in der von uns besetztem
Hauptstadt Polens erscheint, ist nicht das einzige und nicht das erste deutsche
Organ Warschaus. Die Zeitung verfügt vielmehr über eine nach Qualität und
Quantität bemerkenswerte Zahl von Ahnen, die näher zu betrachten schon
darum eine lohnende Aufgabe ist, weil durch eine solche Würdigung naturgemäß
ganz von selbst ein Licht fällt auf die historischen, literarischen und allgemein
kulturellen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen.

Das erste deutschsprachige Organ waren die "Warschauer Zeitungen" vom
Jahre 1757. Die erste Nummer erschien am 3. September, die letzte, die
sechsunddreißigste, am 31. Dezember. Format und Umfang entsprachen noch
im großen und ganzen denen der Relationen und Flugblätter, mit denen
Deutschland seit der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts überschwemmt wurde
und die namentlich zur Zeit der Türken- und Franzosenkriege unheimlich
anschwollen. Jede Nummer umfaßte vier Seiten, hatte eine "Beylage zum
(von Ur. 6 an "zu den") Warschauer Zeitungen" von dem gleichen Umfang
und kam zweimal in der Woche, alle drei oder vier Tage, heraus. Der enge
Zusammenhang, der auch noch um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts
zwischen dem Nachrichtendienst und der Post bestand, trat auch bei den "War¬
schauer Zeitungen" zutage durch die Gestalt eines blasenden "Postreuters", der
sich am Kopfe jeder Nummer befand.

Herausgegeben wurde die Zeitung durch die Mitglieder des Piaristen-
ordens, die, nachdem sie 1642 aus Böhmen und Mähren vertrieben worden
waren, einen Zufluchtsort in Warschau bei König Wladislaus dem Vierten
gefunden hatten, und die für die Hebung der Bildung in Polen Hervorragendes
leisteten. Die Ankündigung ihres neuen Unternehmens in deutscher Sprache
lautet: "Neben dem (I) bekannten Französischen Zeitungen werden künftig alle
Wochen 2. mahl Deutsche Zeitungen, bey dem P. P. Scholar. Piarum, gedruckt,
welche in der ihnen zugehörigen Buchdruckerey, Mittwochs und Sonnabends
des Abends um 5 Uhr abgehohlet werden können; die Bezahlung ist jedes mahl
1. Schostack.*) Diejenigen aber, welche auf das ganzen Jahr pränumerieren
wollen, zahlen 2. Ducaten." Daraus ist aber ersichtlich, daß die Piaristen
eine eigene Druckerei besaßen, in der die "Warschauer Zeitungen" gedruckt
wurden. Nun berichtet aber u. a/Chelmicki (Bibliothek der christlichen Werke.
Band 31--32. 41--42), daß die Piaristen von dem erwähnten, ihnen wohl¬
gesinnten polnischen König einen Platz an der Ecke der heutigen Miodowa-
und Dlugastraße zum Geschenk erhielten, der zunächst mit einer hölzernen Kirche
und verschiedenen hölzernen Häusern bebaut wurde. Um 1690, so berichtet



*) 6 Groschen oder 3 Kopeken,
Zur Geschichte des Warschauer deutschen Zeitungswesens

Die entscheidendsten Anregungen erhielt das polnische Zeitungswesen durch
die in deutscher Sprache und von Deutschen herausgegebenen Zeitungen, die
vom Jahre 1757 an in Warschau herausgebracht wurden. Denn die „Deutsche
Warschauer Zeitung", die seit dem 10. August 1915 in der von uns besetztem
Hauptstadt Polens erscheint, ist nicht das einzige und nicht das erste deutsche
Organ Warschaus. Die Zeitung verfügt vielmehr über eine nach Qualität und
Quantität bemerkenswerte Zahl von Ahnen, die näher zu betrachten schon
darum eine lohnende Aufgabe ist, weil durch eine solche Würdigung naturgemäß
ganz von selbst ein Licht fällt auf die historischen, literarischen und allgemein
kulturellen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen.

Das erste deutschsprachige Organ waren die „Warschauer Zeitungen" vom
Jahre 1757. Die erste Nummer erschien am 3. September, die letzte, die
sechsunddreißigste, am 31. Dezember. Format und Umfang entsprachen noch
im großen und ganzen denen der Relationen und Flugblätter, mit denen
Deutschland seit der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts überschwemmt wurde
und die namentlich zur Zeit der Türken- und Franzosenkriege unheimlich
anschwollen. Jede Nummer umfaßte vier Seiten, hatte eine „Beylage zum
(von Ur. 6 an „zu den") Warschauer Zeitungen" von dem gleichen Umfang
und kam zweimal in der Woche, alle drei oder vier Tage, heraus. Der enge
Zusammenhang, der auch noch um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts
zwischen dem Nachrichtendienst und der Post bestand, trat auch bei den „War¬
schauer Zeitungen" zutage durch die Gestalt eines blasenden „Postreuters", der
sich am Kopfe jeder Nummer befand.

Herausgegeben wurde die Zeitung durch die Mitglieder des Piaristen-
ordens, die, nachdem sie 1642 aus Böhmen und Mähren vertrieben worden
waren, einen Zufluchtsort in Warschau bei König Wladislaus dem Vierten
gefunden hatten, und die für die Hebung der Bildung in Polen Hervorragendes
leisteten. Die Ankündigung ihres neuen Unternehmens in deutscher Sprache
lautet: „Neben dem (I) bekannten Französischen Zeitungen werden künftig alle
Wochen 2. mahl Deutsche Zeitungen, bey dem P. P. Scholar. Piarum, gedruckt,
welche in der ihnen zugehörigen Buchdruckerey, Mittwochs und Sonnabends
des Abends um 5 Uhr abgehohlet werden können; die Bezahlung ist jedes mahl
1. Schostack.*) Diejenigen aber, welche auf das ganzen Jahr pränumerieren
wollen, zahlen 2. Ducaten." Daraus ist aber ersichtlich, daß die Piaristen
eine eigene Druckerei besaßen, in der die „Warschauer Zeitungen" gedruckt
wurden. Nun berichtet aber u. a/Chelmicki (Bibliothek der christlichen Werke.
Band 31—32. 41—42), daß die Piaristen von dem erwähnten, ihnen wohl¬
gesinnten polnischen König einen Platz an der Ecke der heutigen Miodowa-
und Dlugastraße zum Geschenk erhielten, der zunächst mit einer hölzernen Kirche
und verschiedenen hölzernen Häusern bebaut wurde. Um 1690, so berichtet



*) 6 Groschen oder 3 Kopeken,
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[0276] Zur Geschichte des Warschauer deutschen Zeitungswesens Die entscheidendsten Anregungen erhielt das polnische Zeitungswesen durch die in deutscher Sprache und von Deutschen herausgegebenen Zeitungen, die vom Jahre 1757 an in Warschau herausgebracht wurden. Denn die „Deutsche Warschauer Zeitung", die seit dem 10. August 1915 in der von uns besetztem Hauptstadt Polens erscheint, ist nicht das einzige und nicht das erste deutsche Organ Warschaus. Die Zeitung verfügt vielmehr über eine nach Qualität und Quantität bemerkenswerte Zahl von Ahnen, die näher zu betrachten schon darum eine lohnende Aufgabe ist, weil durch eine solche Würdigung naturgemäß ganz von selbst ein Licht fällt auf die historischen, literarischen und allgemein kulturellen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen. Das erste deutschsprachige Organ waren die „Warschauer Zeitungen" vom Jahre 1757. Die erste Nummer erschien am 3. September, die letzte, die sechsunddreißigste, am 31. Dezember. Format und Umfang entsprachen noch im großen und ganzen denen der Relationen und Flugblätter, mit denen Deutschland seit der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts überschwemmt wurde und die namentlich zur Zeit der Türken- und Franzosenkriege unheimlich anschwollen. Jede Nummer umfaßte vier Seiten, hatte eine „Beylage zum (von Ur. 6 an „zu den") Warschauer Zeitungen" von dem gleichen Umfang und kam zweimal in der Woche, alle drei oder vier Tage, heraus. Der enge Zusammenhang, der auch noch um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts zwischen dem Nachrichtendienst und der Post bestand, trat auch bei den „War¬ schauer Zeitungen" zutage durch die Gestalt eines blasenden „Postreuters", der sich am Kopfe jeder Nummer befand. Herausgegeben wurde die Zeitung durch die Mitglieder des Piaristen- ordens, die, nachdem sie 1642 aus Böhmen und Mähren vertrieben worden waren, einen Zufluchtsort in Warschau bei König Wladislaus dem Vierten gefunden hatten, und die für die Hebung der Bildung in Polen Hervorragendes leisteten. Die Ankündigung ihres neuen Unternehmens in deutscher Sprache lautet: „Neben dem (I) bekannten Französischen Zeitungen werden künftig alle Wochen 2. mahl Deutsche Zeitungen, bey dem P. P. Scholar. Piarum, gedruckt, welche in der ihnen zugehörigen Buchdruckerey, Mittwochs und Sonnabends des Abends um 5 Uhr abgehohlet werden können; die Bezahlung ist jedes mahl 1. Schostack.*) Diejenigen aber, welche auf das ganzen Jahr pränumerieren wollen, zahlen 2. Ducaten." Daraus ist aber ersichtlich, daß die Piaristen eine eigene Druckerei besaßen, in der die „Warschauer Zeitungen" gedruckt wurden. Nun berichtet aber u. a/Chelmicki (Bibliothek der christlichen Werke. Band 31—32. 41—42), daß die Piaristen von dem erwähnten, ihnen wohl¬ gesinnten polnischen König einen Platz an der Ecke der heutigen Miodowa- und Dlugastraße zum Geschenk erhielten, der zunächst mit einer hölzernen Kirche und verschiedenen hölzernen Häusern bebaut wurde. Um 1690, so berichtet *) 6 Groschen oder 3 Kopeken,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/276>, abgerufen am 23.07.2024.