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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Fürst ZZismarck und der Kurfürstendamm

Dementsprechend richtet unter dem 31. Juli 1874 aus Kissingen der
Fürst folgendes Schreiben an den Finanzminister Camphausen und den Handels¬
minister Ueberhand:

"Ew. Excellenzen beehre ich mich in vorläufiger Erwiderung auf die
Zuschrift vom 29. April d. I., betreffend die Herstellung einer im Zuge des
Kurfürstendammes anzulegenden, die Residenz mit dem Grünewald ver¬
bindenden breiten Straße, zu ersuchen, die Regelung dieser Angelegenheit
einer mündlichen Besprechung nach meiner Rückkehr nach Berlin vorbehalten
zu wollen.

Ich bemerke einstweilen, daß die Verschiedenheit unserer Auffassungen
namentlich darauf beruht, daß Ew. Excellenzen in ihrer Darlegung davon
zu abstrahiren scheinen, daß der Fiskus bezüglich des Kurfürstendammes
ganz dieselben Privatrechte besitzt, wie die Adjacenten' hinsichtlich ihrer
Grundstücke, und daß derselbe nicht verpflichtet ist, fein -- des Fiskus --
Grundstück in die Pläne der Adjacenten mit einzuwerfen.

Der Kurfürstendamm würde nach der von mir vertretenen Ansicht wie
bisher im fiskalischen Eigentum verbleiben, und es würde an jeder Seite
desselben eine durch Terrainabtretungen der Adjacenten herzustellende Straße
entstehen, für deren Breite das Postulat von je 7 Ruthen meines Dafür¬
haltens gesetzlich zulässig und auf die eine oder die andere Weise durch¬
zusetzen sein würde, ohne die Inanspruchnahme der Staatskasse für Be¬
friedigung möglicher Regreßansprüche befürchten zu müssen.

In die von den Interessenten beantragte provisorische Chaussirung des
Kurfürstendammes zu willigen, scheint mir, wiewohl dieselbe auf Kosten der
Antragsteller erfolgen soll, nicht empfehlenswert, da ich einen jeden Akt, aus
welchem möglichen Falls die Anerkennung der vermeintlichen Ansprüche
der Adjacenten an den Kurfürstendamm gefolgert werden könnte, für be¬
denklich halte."

Es sind, wie man weiß, nicht alle Wünsche, die Fürst Bismarck für die
Gestaltung des Kurfürstendamms hegte, erfüllt worden, aber in der Hauptsache
sind seine Gedanken doch zur Durchführung gelangt, und die Bewohner des
Grünewald haben nur eine Pflicht der Dankbarkeit erfüllt, als sie dem großen
Staatsmann, der so emsig dafür eintrat, den Wald mit Berlin durch eine
stattliche Straße mit Reitwegen zu verbinden, ein Denkmal in ihrer Ge¬
markung setzten.




Fürst ZZismarck und der Kurfürstendamm

Dementsprechend richtet unter dem 31. Juli 1874 aus Kissingen der
Fürst folgendes Schreiben an den Finanzminister Camphausen und den Handels¬
minister Ueberhand:

„Ew. Excellenzen beehre ich mich in vorläufiger Erwiderung auf die
Zuschrift vom 29. April d. I., betreffend die Herstellung einer im Zuge des
Kurfürstendammes anzulegenden, die Residenz mit dem Grünewald ver¬
bindenden breiten Straße, zu ersuchen, die Regelung dieser Angelegenheit
einer mündlichen Besprechung nach meiner Rückkehr nach Berlin vorbehalten
zu wollen.

Ich bemerke einstweilen, daß die Verschiedenheit unserer Auffassungen
namentlich darauf beruht, daß Ew. Excellenzen in ihrer Darlegung davon
zu abstrahiren scheinen, daß der Fiskus bezüglich des Kurfürstendammes
ganz dieselben Privatrechte besitzt, wie die Adjacenten' hinsichtlich ihrer
Grundstücke, und daß derselbe nicht verpflichtet ist, fein — des Fiskus —
Grundstück in die Pläne der Adjacenten mit einzuwerfen.

Der Kurfürstendamm würde nach der von mir vertretenen Ansicht wie
bisher im fiskalischen Eigentum verbleiben, und es würde an jeder Seite
desselben eine durch Terrainabtretungen der Adjacenten herzustellende Straße
entstehen, für deren Breite das Postulat von je 7 Ruthen meines Dafür¬
haltens gesetzlich zulässig und auf die eine oder die andere Weise durch¬
zusetzen sein würde, ohne die Inanspruchnahme der Staatskasse für Be¬
friedigung möglicher Regreßansprüche befürchten zu müssen.

In die von den Interessenten beantragte provisorische Chaussirung des
Kurfürstendammes zu willigen, scheint mir, wiewohl dieselbe auf Kosten der
Antragsteller erfolgen soll, nicht empfehlenswert, da ich einen jeden Akt, aus
welchem möglichen Falls die Anerkennung der vermeintlichen Ansprüche
der Adjacenten an den Kurfürstendamm gefolgert werden könnte, für be¬
denklich halte."

Es sind, wie man weiß, nicht alle Wünsche, die Fürst Bismarck für die
Gestaltung des Kurfürstendamms hegte, erfüllt worden, aber in der Hauptsache
sind seine Gedanken doch zur Durchführung gelangt, und die Bewohner des
Grünewald haben nur eine Pflicht der Dankbarkeit erfüllt, als sie dem großen
Staatsmann, der so emsig dafür eintrat, den Wald mit Berlin durch eine
stattliche Straße mit Reitwegen zu verbinden, ein Denkmal in ihrer Ge¬
markung setzten.




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[0199] Fürst ZZismarck und der Kurfürstendamm Dementsprechend richtet unter dem 31. Juli 1874 aus Kissingen der Fürst folgendes Schreiben an den Finanzminister Camphausen und den Handels¬ minister Ueberhand: „Ew. Excellenzen beehre ich mich in vorläufiger Erwiderung auf die Zuschrift vom 29. April d. I., betreffend die Herstellung einer im Zuge des Kurfürstendammes anzulegenden, die Residenz mit dem Grünewald ver¬ bindenden breiten Straße, zu ersuchen, die Regelung dieser Angelegenheit einer mündlichen Besprechung nach meiner Rückkehr nach Berlin vorbehalten zu wollen. Ich bemerke einstweilen, daß die Verschiedenheit unserer Auffassungen namentlich darauf beruht, daß Ew. Excellenzen in ihrer Darlegung davon zu abstrahiren scheinen, daß der Fiskus bezüglich des Kurfürstendammes ganz dieselben Privatrechte besitzt, wie die Adjacenten' hinsichtlich ihrer Grundstücke, und daß derselbe nicht verpflichtet ist, fein — des Fiskus — Grundstück in die Pläne der Adjacenten mit einzuwerfen. Der Kurfürstendamm würde nach der von mir vertretenen Ansicht wie bisher im fiskalischen Eigentum verbleiben, und es würde an jeder Seite desselben eine durch Terrainabtretungen der Adjacenten herzustellende Straße entstehen, für deren Breite das Postulat von je 7 Ruthen meines Dafür¬ haltens gesetzlich zulässig und auf die eine oder die andere Weise durch¬ zusetzen sein würde, ohne die Inanspruchnahme der Staatskasse für Be¬ friedigung möglicher Regreßansprüche befürchten zu müssen. In die von den Interessenten beantragte provisorische Chaussirung des Kurfürstendammes zu willigen, scheint mir, wiewohl dieselbe auf Kosten der Antragsteller erfolgen soll, nicht empfehlenswert, da ich einen jeden Akt, aus welchem möglichen Falls die Anerkennung der vermeintlichen Ansprüche der Adjacenten an den Kurfürstendamm gefolgert werden könnte, für be¬ denklich halte." Es sind, wie man weiß, nicht alle Wünsche, die Fürst Bismarck für die Gestaltung des Kurfürstendamms hegte, erfüllt worden, aber in der Hauptsache sind seine Gedanken doch zur Durchführung gelangt, und die Bewohner des Grünewald haben nur eine Pflicht der Dankbarkeit erfüllt, als sie dem großen Staatsmann, der so emsig dafür eintrat, den Wald mit Berlin durch eine stattliche Straße mit Reitwegen zu verbinden, ein Denkmal in ihrer Ge¬ markung setzten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/199>, abgerufen am 01.07.2024.