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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Dänische Stimmungen

Fmenkel sagt dasselbe in Zahlen. Der Unterschied der Arbeitsintensität in
Deutschland und England ist in Zahlen ausgedrückt 1^ zu 1. Und aus
seiner Schilderung der englischen Wtrtschaftsentwickelung zieht er den Schluß,
daß England, nachdem es das Stadium des Agrarstaates durchlaufen hat,
schon im Begriffe steht, auch das des Industriestaates zu überwinden und sich
auf dem Wege zum Rentierstaate befindet, d. h. sich der Schwelle nähert, die
Jugend und Mannesalter vom Greisentum, das Leben vom Tode trennt.

Man darf aber nicht vergessen, daß England nach dein Kriege nicht das
England vor dem Kriege sein wird, und die verschiedenen Verfasser übersehen
dies auch nicht. Sie stimmen darin überein, daß England kolossal gelernt
haben wird, und daß eine Aussöhnung gerade zwischen England und Deutsch¬
land, "eine germanische Sammlung", eine Grundbedingung für Europas
Widerstand gegen Asien ist.

Das zweite, was als ein besonders deutsches Merkmal hervorgehoben
wird, ist die Überlegenheit im geistigen Horizont. Johannes V. Imsen drückt
dieses sehr klar aus: "Infolge seiner Lage, der Mischung seiner Bevölkerung,
und von der Notwendigkeit gezwungen, hat sich der deutsche Geist derartig
entwickelt, daß er und er allein imstande ist, alle anderen Kulturen zu um¬
fassen. Der Franzose ist nur Franzose, und das ist sein Stolz, der Russe ist
Russe, der Engländer kennt keinen anderen Horizont als seinen eigenen, und
der ist auch imponierend, der Deutsche hat aber alle drei Nationaleigentümlich¬
keiten außer seiner eigenen erforscht. Er weiß alles. Es leuchtet ein, daß
wer alle anderen umfaßt, in der Stufenfolge der Entwicklung der vor¬
geschrittenste ist."

Schließlich wird auch auf die Entwicklungsfähigkeit und "das immer
strebende" aufmerksam gemacht. Während der Engländer leicht in der einmal
gefundenen Form erstarrt, ist ja gerade das immer suchende, immer sich ent¬
wickelnde, nie stillstehende, eins der erfreulichsten deutschen Merkmale.

Ich hoffe möglichst objektiv die verschiedenen dänischen Stimmungen und
Gesichtspunkte dargelegt zu haben. Man hat sich in Deutschland oft darüber
beschwert, daß der große Kampf, den Deutschland jetzt zu bestehen hat, in
Dänemark nicht mit mehr Sympathie betrachtet wird. Es war meine Absicht,
in diesem Aufsatz zu versuchen, teils die Ursachen klarzulegen, die für viele
Dänen einen Anschluß an die deutsche Sache schwierig machen, teils zu zeigen,
daß von einer deutschfeindlichen Stimmung als der in Dänemark allein¬
herrschenden nicht im entferntesten die Rede sein kann. Wie es nach dem
Kriege in Europa aussehen wird, weiß noch niemand. Deutschland ist aber
unser nächster Nachbar unter den Großmächten, und viele hoffen, wie ich, auf
ein immer freundlicheres Verhältnis mit ihm und einen fruchtbaren Kultur¬
austausch auch in der Zukunft.




Dänische Stimmungen

Fmenkel sagt dasselbe in Zahlen. Der Unterschied der Arbeitsintensität in
Deutschland und England ist in Zahlen ausgedrückt 1^ zu 1. Und aus
seiner Schilderung der englischen Wtrtschaftsentwickelung zieht er den Schluß,
daß England, nachdem es das Stadium des Agrarstaates durchlaufen hat,
schon im Begriffe steht, auch das des Industriestaates zu überwinden und sich
auf dem Wege zum Rentierstaate befindet, d. h. sich der Schwelle nähert, die
Jugend und Mannesalter vom Greisentum, das Leben vom Tode trennt.

Man darf aber nicht vergessen, daß England nach dein Kriege nicht das
England vor dem Kriege sein wird, und die verschiedenen Verfasser übersehen
dies auch nicht. Sie stimmen darin überein, daß England kolossal gelernt
haben wird, und daß eine Aussöhnung gerade zwischen England und Deutsch¬
land, „eine germanische Sammlung", eine Grundbedingung für Europas
Widerstand gegen Asien ist.

Das zweite, was als ein besonders deutsches Merkmal hervorgehoben
wird, ist die Überlegenheit im geistigen Horizont. Johannes V. Imsen drückt
dieses sehr klar aus: „Infolge seiner Lage, der Mischung seiner Bevölkerung,
und von der Notwendigkeit gezwungen, hat sich der deutsche Geist derartig
entwickelt, daß er und er allein imstande ist, alle anderen Kulturen zu um¬
fassen. Der Franzose ist nur Franzose, und das ist sein Stolz, der Russe ist
Russe, der Engländer kennt keinen anderen Horizont als seinen eigenen, und
der ist auch imponierend, der Deutsche hat aber alle drei Nationaleigentümlich¬
keiten außer seiner eigenen erforscht. Er weiß alles. Es leuchtet ein, daß
wer alle anderen umfaßt, in der Stufenfolge der Entwicklung der vor¬
geschrittenste ist."

Schließlich wird auch auf die Entwicklungsfähigkeit und „das immer
strebende" aufmerksam gemacht. Während der Engländer leicht in der einmal
gefundenen Form erstarrt, ist ja gerade das immer suchende, immer sich ent¬
wickelnde, nie stillstehende, eins der erfreulichsten deutschen Merkmale.

Ich hoffe möglichst objektiv die verschiedenen dänischen Stimmungen und
Gesichtspunkte dargelegt zu haben. Man hat sich in Deutschland oft darüber
beschwert, daß der große Kampf, den Deutschland jetzt zu bestehen hat, in
Dänemark nicht mit mehr Sympathie betrachtet wird. Es war meine Absicht,
in diesem Aufsatz zu versuchen, teils die Ursachen klarzulegen, die für viele
Dänen einen Anschluß an die deutsche Sache schwierig machen, teils zu zeigen,
daß von einer deutschfeindlichen Stimmung als der in Dänemark allein¬
herrschenden nicht im entferntesten die Rede sein kann. Wie es nach dem
Kriege in Europa aussehen wird, weiß noch niemand. Deutschland ist aber
unser nächster Nachbar unter den Großmächten, und viele hoffen, wie ich, auf
ein immer freundlicheres Verhältnis mit ihm und einen fruchtbaren Kultur¬
austausch auch in der Zukunft.




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[0195] Dänische Stimmungen Fmenkel sagt dasselbe in Zahlen. Der Unterschied der Arbeitsintensität in Deutschland und England ist in Zahlen ausgedrückt 1^ zu 1. Und aus seiner Schilderung der englischen Wtrtschaftsentwickelung zieht er den Schluß, daß England, nachdem es das Stadium des Agrarstaates durchlaufen hat, schon im Begriffe steht, auch das des Industriestaates zu überwinden und sich auf dem Wege zum Rentierstaate befindet, d. h. sich der Schwelle nähert, die Jugend und Mannesalter vom Greisentum, das Leben vom Tode trennt. Man darf aber nicht vergessen, daß England nach dein Kriege nicht das England vor dem Kriege sein wird, und die verschiedenen Verfasser übersehen dies auch nicht. Sie stimmen darin überein, daß England kolossal gelernt haben wird, und daß eine Aussöhnung gerade zwischen England und Deutsch¬ land, „eine germanische Sammlung", eine Grundbedingung für Europas Widerstand gegen Asien ist. Das zweite, was als ein besonders deutsches Merkmal hervorgehoben wird, ist die Überlegenheit im geistigen Horizont. Johannes V. Imsen drückt dieses sehr klar aus: „Infolge seiner Lage, der Mischung seiner Bevölkerung, und von der Notwendigkeit gezwungen, hat sich der deutsche Geist derartig entwickelt, daß er und er allein imstande ist, alle anderen Kulturen zu um¬ fassen. Der Franzose ist nur Franzose, und das ist sein Stolz, der Russe ist Russe, der Engländer kennt keinen anderen Horizont als seinen eigenen, und der ist auch imponierend, der Deutsche hat aber alle drei Nationaleigentümlich¬ keiten außer seiner eigenen erforscht. Er weiß alles. Es leuchtet ein, daß wer alle anderen umfaßt, in der Stufenfolge der Entwicklung der vor¬ geschrittenste ist." Schließlich wird auch auf die Entwicklungsfähigkeit und „das immer strebende" aufmerksam gemacht. Während der Engländer leicht in der einmal gefundenen Form erstarrt, ist ja gerade das immer suchende, immer sich ent¬ wickelnde, nie stillstehende, eins der erfreulichsten deutschen Merkmale. Ich hoffe möglichst objektiv die verschiedenen dänischen Stimmungen und Gesichtspunkte dargelegt zu haben. Man hat sich in Deutschland oft darüber beschwert, daß der große Kampf, den Deutschland jetzt zu bestehen hat, in Dänemark nicht mit mehr Sympathie betrachtet wird. Es war meine Absicht, in diesem Aufsatz zu versuchen, teils die Ursachen klarzulegen, die für viele Dänen einen Anschluß an die deutsche Sache schwierig machen, teils zu zeigen, daß von einer deutschfeindlichen Stimmung als der in Dänemark allein¬ herrschenden nicht im entferntesten die Rede sein kann. Wie es nach dem Kriege in Europa aussehen wird, weiß noch niemand. Deutschland ist aber unser nächster Nachbar unter den Großmächten, und viele hoffen, wie ich, auf ein immer freundlicheres Verhältnis mit ihm und einen fruchtbaren Kultur¬ austausch auch in der Zukunft.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/195>, abgerufen am 23.07.2024.