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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Das Buch des Fürsten von Bülow

schwächen. Denn bisher herrschen im außerpreußischen Deutschland aus Grund
anderer politischer Traditionen vielfach Auffassungen von staatlicher Herrschaft
und politischer Freiheit, die grundverschieden sind von denen, die im Boden
preußischer Traditionen wurzeln. Bülow kennzeichnet diesen Unterschied: "Man
sucht im deutschen Süden mehr eine Lösung der politischen Kräfte nach unten
hin, in Preußen mehr eine Bindung der politischen Kräfte von oben her.
Dort eine mehr geistige, hier eine mehr staatliche Auffassung des politischen
Lebens. Eine jede der beiden ist Ergebnis des geschichtlichen Werdens und
hat ihre wohlberechtigte Eigenart."

Die häufig bis zu leidenschaftlicher Gegensätzlichkeit sich steigernden Span¬
nungen zwischen konservativem Altpreußentum und liberaler Weitherzigkeit
scheinen uns in diesen Sätzen richtig erfaßt zu sein. Dem Fürsten Bülow
wird man auch freudig darin zustimmen können, daß durch gegenseitige An¬
näherung ein Abschleifen der Reibungsflächen erstrebt werden muß, was noch
keineswegs eine Uniformierung der verschiedenen Geistesrichtungen bedeuten
würde. Unumstößlicher Glaubenssatz für den Fürsten Bülow bleibt aber
immerdar, daß Preußen der führende Staat unter allen Umständen bleiben
müsse. Und mit der gleichen Entschiedenheit werden im Bülowbuche die
demokratischen Tendenzen, die monarchischen Rechte zugunsten der parlamen¬
tarischen Befugnisse zu schmälern, abgewiesen. Die Rechtsgrenze zwischen
Krone und Parlament müsse unverrückbar feststehen, was mit der regen Anteil¬
nahme des Volkes an den politischen Angelegenheiten nicht im mindesten im
Widerspruch stehe. . . .

Das Buch des Fürsten Bülow wird als politischer Leitfaden und wertvoller
Beitrag zur Kennzeichnung unserer nationalen Entwicklung einen Ehrenplatz in
der deutschen politischen Literatur einnehmen. Wer über Kriegs- und Friedens¬
ziele reden und schreiben will, wird mit dem Inhalt der "Deutschen Politik"
zuvor eingehend sich vertraut machen müssen. Das Buch ist das Glaubens¬
bekenntnis eines welterfahrenen Staatsmannes und glühenden Patrioten.




Das Buch des Fürsten von Bülow

schwächen. Denn bisher herrschen im außerpreußischen Deutschland aus Grund
anderer politischer Traditionen vielfach Auffassungen von staatlicher Herrschaft
und politischer Freiheit, die grundverschieden sind von denen, die im Boden
preußischer Traditionen wurzeln. Bülow kennzeichnet diesen Unterschied: „Man
sucht im deutschen Süden mehr eine Lösung der politischen Kräfte nach unten
hin, in Preußen mehr eine Bindung der politischen Kräfte von oben her.
Dort eine mehr geistige, hier eine mehr staatliche Auffassung des politischen
Lebens. Eine jede der beiden ist Ergebnis des geschichtlichen Werdens und
hat ihre wohlberechtigte Eigenart."

Die häufig bis zu leidenschaftlicher Gegensätzlichkeit sich steigernden Span¬
nungen zwischen konservativem Altpreußentum und liberaler Weitherzigkeit
scheinen uns in diesen Sätzen richtig erfaßt zu sein. Dem Fürsten Bülow
wird man auch freudig darin zustimmen können, daß durch gegenseitige An¬
näherung ein Abschleifen der Reibungsflächen erstrebt werden muß, was noch
keineswegs eine Uniformierung der verschiedenen Geistesrichtungen bedeuten
würde. Unumstößlicher Glaubenssatz für den Fürsten Bülow bleibt aber
immerdar, daß Preußen der führende Staat unter allen Umständen bleiben
müsse. Und mit der gleichen Entschiedenheit werden im Bülowbuche die
demokratischen Tendenzen, die monarchischen Rechte zugunsten der parlamen¬
tarischen Befugnisse zu schmälern, abgewiesen. Die Rechtsgrenze zwischen
Krone und Parlament müsse unverrückbar feststehen, was mit der regen Anteil¬
nahme des Volkes an den politischen Angelegenheiten nicht im mindesten im
Widerspruch stehe. . . .

Das Buch des Fürsten Bülow wird als politischer Leitfaden und wertvoller
Beitrag zur Kennzeichnung unserer nationalen Entwicklung einen Ehrenplatz in
der deutschen politischen Literatur einnehmen. Wer über Kriegs- und Friedens¬
ziele reden und schreiben will, wird mit dem Inhalt der „Deutschen Politik"
zuvor eingehend sich vertraut machen müssen. Das Buch ist das Glaubens¬
bekenntnis eines welterfahrenen Staatsmannes und glühenden Patrioten.




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[0183] Das Buch des Fürsten von Bülow schwächen. Denn bisher herrschen im außerpreußischen Deutschland aus Grund anderer politischer Traditionen vielfach Auffassungen von staatlicher Herrschaft und politischer Freiheit, die grundverschieden sind von denen, die im Boden preußischer Traditionen wurzeln. Bülow kennzeichnet diesen Unterschied: „Man sucht im deutschen Süden mehr eine Lösung der politischen Kräfte nach unten hin, in Preußen mehr eine Bindung der politischen Kräfte von oben her. Dort eine mehr geistige, hier eine mehr staatliche Auffassung des politischen Lebens. Eine jede der beiden ist Ergebnis des geschichtlichen Werdens und hat ihre wohlberechtigte Eigenart." Die häufig bis zu leidenschaftlicher Gegensätzlichkeit sich steigernden Span¬ nungen zwischen konservativem Altpreußentum und liberaler Weitherzigkeit scheinen uns in diesen Sätzen richtig erfaßt zu sein. Dem Fürsten Bülow wird man auch freudig darin zustimmen können, daß durch gegenseitige An¬ näherung ein Abschleifen der Reibungsflächen erstrebt werden muß, was noch keineswegs eine Uniformierung der verschiedenen Geistesrichtungen bedeuten würde. Unumstößlicher Glaubenssatz für den Fürsten Bülow bleibt aber immerdar, daß Preußen der führende Staat unter allen Umständen bleiben müsse. Und mit der gleichen Entschiedenheit werden im Bülowbuche die demokratischen Tendenzen, die monarchischen Rechte zugunsten der parlamen¬ tarischen Befugnisse zu schmälern, abgewiesen. Die Rechtsgrenze zwischen Krone und Parlament müsse unverrückbar feststehen, was mit der regen Anteil¬ nahme des Volkes an den politischen Angelegenheiten nicht im mindesten im Widerspruch stehe. . . . Das Buch des Fürsten Bülow wird als politischer Leitfaden und wertvoller Beitrag zur Kennzeichnung unserer nationalen Entwicklung einen Ehrenplatz in der deutschen politischen Literatur einnehmen. Wer über Kriegs- und Friedens¬ ziele reden und schreiben will, wird mit dem Inhalt der „Deutschen Politik" zuvor eingehend sich vertraut machen müssen. Das Buch ist das Glaubens¬ bekenntnis eines welterfahrenen Staatsmannes und glühenden Patrioten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/183>, abgerufen am 23.07.2024.