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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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"Skandinavismns"

Könige zusammentrafen. Dort erklärte man sich noch einmal einstimmig für die
Aufrechterhaltung der Neutralität der nordischen Staaten. Schon damals
wurden innerpolitische Verhältnisse in bezug auf den allgemeinen Kriegszustand der
drei beteiligten Reiche besprochen. Man beriet über die Möglichkeit, die durch den
Krieg hervorgerufenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten in den einzelnen nordischen
Ländern zu heben. Die Maßnahmen der kriegführenden Staaten, besonders
Englands, führte zu wiederholten Zusammenkünften, auf denen man sich für
den Erlaß gemeinsamer Protestnoten entschied, so gegen die englische Nordsee-
Verordnung vom 2. November 1914, in der die Nordsee als militärisches Gebiet
erklärt wurde, und die deutsche U-Bootswarnung vom 18. Februar 1916. Zu
derselben Maßregel sah man sich genötigt durch die die nordische Schiffahrt
bedrohende Aufforderung Englands an seine Handelsfahrzeuge, die neutrale
Flagge zu gebrauchen. Bei der nächsten Konferenz am 20. Februar in Kopen¬
hagen handelte es sich um Besprechungen über Maßnahmen zur Aufrecht¬
erhaltung der Schiffahrtsverbindungen in der Nordsee. Aber auch sie konnte
nicht ein praktisch-politisches Ergebnis zeitigen, denn die Frage des Convois
konnte nicht zum Abschluß gebracht werden, da die englische Regierung sich
weigerte, das Convoi innerhalb der englischen Territorialgewässer anzuerkennen.
Inzwischen hatte die Nachfrage nach Tonnage, die vermehrten Gefahren und
Kosten der Schiffahrt eine starke Frachtsteigerung auch in den neutralen Ländern
hervorgerufen. Die Verhandlungen der drei nordischen Regierungen über die
Möglichkeit der Herabsetzung der Frachtkosten war nur beratender Natur. Zu
praktischen Maßnahmen führte eine andere Konferenz im selben Monat über die
Verringerung der Minengefahr im Skagerrak und Kattegat: ein dauerndes
Nachrichtenwesen sollte von den drei nordischen Ländern eingerichtet werden, um
die Küstenbevölkerung im gegebenen Falle zu warnen. Vorkehrungen zur Auf¬
findung und Zerstörung von Treibminen wurden getroffen. Auf dieser Sitzung
wurde übrigens unter anderen mitgeteilt, daß die bis dahin aufgefundenen und
untersuchten Minen den Anforderungen der Haager Konvention entsprächen.

War also ein großer Teil der skandinavischen Konferenzen nur beratender
Natur und konnte ein realpolitisches Ziel nicht erreicht werden, so ist es doch
von prinzipieller Wichtigkeit, daß jetzt einmal wieder die skandinavistischen Be¬
strebungen politische Bedeutung erlangten, und zweitens, daß die Initiative
während des Weltkriegs nicht nur von einzelnen Volkskreisen, sondern von den
Staatsregierungen ergriffen wurde.

Unter den einzelnen Parteien waren in den letzten Monaten besonders der
Liberalismus und die Sozialdemokratie die Träger der skandinavistischen Be¬
wegung. Außerdem begeisterte sich wie in alten Zeiten die akademische Jugend
auf der nordischen Studentenversammlung für die Einheit Skandinaviens.
Liberale und Sozialdemokraten betonten immer wieder in Wort und Schrift die
Notwendigkeit des Zusammengehens aller drei nordischen Staaten in der aus¬
wärtigen Politik. Es ist schwer, den Inhalt ihrer Reden und das Ziel ihrer


g"
„Skandinavismns"

Könige zusammentrafen. Dort erklärte man sich noch einmal einstimmig für die
Aufrechterhaltung der Neutralität der nordischen Staaten. Schon damals
wurden innerpolitische Verhältnisse in bezug auf den allgemeinen Kriegszustand der
drei beteiligten Reiche besprochen. Man beriet über die Möglichkeit, die durch den
Krieg hervorgerufenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten in den einzelnen nordischen
Ländern zu heben. Die Maßnahmen der kriegführenden Staaten, besonders
Englands, führte zu wiederholten Zusammenkünften, auf denen man sich für
den Erlaß gemeinsamer Protestnoten entschied, so gegen die englische Nordsee-
Verordnung vom 2. November 1914, in der die Nordsee als militärisches Gebiet
erklärt wurde, und die deutsche U-Bootswarnung vom 18. Februar 1916. Zu
derselben Maßregel sah man sich genötigt durch die die nordische Schiffahrt
bedrohende Aufforderung Englands an seine Handelsfahrzeuge, die neutrale
Flagge zu gebrauchen. Bei der nächsten Konferenz am 20. Februar in Kopen¬
hagen handelte es sich um Besprechungen über Maßnahmen zur Aufrecht¬
erhaltung der Schiffahrtsverbindungen in der Nordsee. Aber auch sie konnte
nicht ein praktisch-politisches Ergebnis zeitigen, denn die Frage des Convois
konnte nicht zum Abschluß gebracht werden, da die englische Regierung sich
weigerte, das Convoi innerhalb der englischen Territorialgewässer anzuerkennen.
Inzwischen hatte die Nachfrage nach Tonnage, die vermehrten Gefahren und
Kosten der Schiffahrt eine starke Frachtsteigerung auch in den neutralen Ländern
hervorgerufen. Die Verhandlungen der drei nordischen Regierungen über die
Möglichkeit der Herabsetzung der Frachtkosten war nur beratender Natur. Zu
praktischen Maßnahmen führte eine andere Konferenz im selben Monat über die
Verringerung der Minengefahr im Skagerrak und Kattegat: ein dauerndes
Nachrichtenwesen sollte von den drei nordischen Ländern eingerichtet werden, um
die Küstenbevölkerung im gegebenen Falle zu warnen. Vorkehrungen zur Auf¬
findung und Zerstörung von Treibminen wurden getroffen. Auf dieser Sitzung
wurde übrigens unter anderen mitgeteilt, daß die bis dahin aufgefundenen und
untersuchten Minen den Anforderungen der Haager Konvention entsprächen.

War also ein großer Teil der skandinavischen Konferenzen nur beratender
Natur und konnte ein realpolitisches Ziel nicht erreicht werden, so ist es doch
von prinzipieller Wichtigkeit, daß jetzt einmal wieder die skandinavistischen Be¬
strebungen politische Bedeutung erlangten, und zweitens, daß die Initiative
während des Weltkriegs nicht nur von einzelnen Volkskreisen, sondern von den
Staatsregierungen ergriffen wurde.

Unter den einzelnen Parteien waren in den letzten Monaten besonders der
Liberalismus und die Sozialdemokratie die Träger der skandinavistischen Be¬
wegung. Außerdem begeisterte sich wie in alten Zeiten die akademische Jugend
auf der nordischen Studentenversammlung für die Einheit Skandinaviens.
Liberale und Sozialdemokraten betonten immer wieder in Wort und Schrift die
Notwendigkeit des Zusammengehens aller drei nordischen Staaten in der aus¬
wärtigen Politik. Es ist schwer, den Inhalt ihrer Reden und das Ziel ihrer


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[0095] „Skandinavismns" Könige zusammentrafen. Dort erklärte man sich noch einmal einstimmig für die Aufrechterhaltung der Neutralität der nordischen Staaten. Schon damals wurden innerpolitische Verhältnisse in bezug auf den allgemeinen Kriegszustand der drei beteiligten Reiche besprochen. Man beriet über die Möglichkeit, die durch den Krieg hervorgerufenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten in den einzelnen nordischen Ländern zu heben. Die Maßnahmen der kriegführenden Staaten, besonders Englands, führte zu wiederholten Zusammenkünften, auf denen man sich für den Erlaß gemeinsamer Protestnoten entschied, so gegen die englische Nordsee- Verordnung vom 2. November 1914, in der die Nordsee als militärisches Gebiet erklärt wurde, und die deutsche U-Bootswarnung vom 18. Februar 1916. Zu derselben Maßregel sah man sich genötigt durch die die nordische Schiffahrt bedrohende Aufforderung Englands an seine Handelsfahrzeuge, die neutrale Flagge zu gebrauchen. Bei der nächsten Konferenz am 20. Februar in Kopen¬ hagen handelte es sich um Besprechungen über Maßnahmen zur Aufrecht¬ erhaltung der Schiffahrtsverbindungen in der Nordsee. Aber auch sie konnte nicht ein praktisch-politisches Ergebnis zeitigen, denn die Frage des Convois konnte nicht zum Abschluß gebracht werden, da die englische Regierung sich weigerte, das Convoi innerhalb der englischen Territorialgewässer anzuerkennen. Inzwischen hatte die Nachfrage nach Tonnage, die vermehrten Gefahren und Kosten der Schiffahrt eine starke Frachtsteigerung auch in den neutralen Ländern hervorgerufen. Die Verhandlungen der drei nordischen Regierungen über die Möglichkeit der Herabsetzung der Frachtkosten war nur beratender Natur. Zu praktischen Maßnahmen führte eine andere Konferenz im selben Monat über die Verringerung der Minengefahr im Skagerrak und Kattegat: ein dauerndes Nachrichtenwesen sollte von den drei nordischen Ländern eingerichtet werden, um die Küstenbevölkerung im gegebenen Falle zu warnen. Vorkehrungen zur Auf¬ findung und Zerstörung von Treibminen wurden getroffen. Auf dieser Sitzung wurde übrigens unter anderen mitgeteilt, daß die bis dahin aufgefundenen und untersuchten Minen den Anforderungen der Haager Konvention entsprächen. War also ein großer Teil der skandinavischen Konferenzen nur beratender Natur und konnte ein realpolitisches Ziel nicht erreicht werden, so ist es doch von prinzipieller Wichtigkeit, daß jetzt einmal wieder die skandinavistischen Be¬ strebungen politische Bedeutung erlangten, und zweitens, daß die Initiative während des Weltkriegs nicht nur von einzelnen Volkskreisen, sondern von den Staatsregierungen ergriffen wurde. Unter den einzelnen Parteien waren in den letzten Monaten besonders der Liberalismus und die Sozialdemokratie die Träger der skandinavistischen Be¬ wegung. Außerdem begeisterte sich wie in alten Zeiten die akademische Jugend auf der nordischen Studentenversammlung für die Einheit Skandinaviens. Liberale und Sozialdemokraten betonten immer wieder in Wort und Schrift die Notwendigkeit des Zusammengehens aller drei nordischen Staaten in der aus¬ wärtigen Politik. Es ist schwer, den Inhalt ihrer Reden und das Ziel ihrer g»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/95>, abgerufen am 01.09.2024.