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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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"Skandmaoismns"

heutigen Schwedens Schone", Bleckinge und Halland init seinem Reiche ver¬
einigte. Immer weiter führte die auswärtige Politik Dänemark und Schweden
in den nächsten Jahrhunderten auseinander, so weit, daß .Karl Johann, der
schwedische Thronfolger. 1814 mit Waffengewalt die Einwilligung der Dünen
zur Union mit Norwegen erzwang..

Da trat in den ersten Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts ein Um¬
schwung ein: nach der politischen Ohnmacht Dänemarks (der Belagerung Kopen-
hagens durch England und der Wegnahme der dänischen Flotte) wurde das Gefühl
der Stammverwandtschaft zwischen den skandinavischen Völkern in Dänemark neu
geboren. Der geniale Volkserzieher und Wiedererwecker des alten dänischen Helden¬
sinnes, Nil. Fred. Grundtvig, wirkte in flammender Begeisterung mit Wort und
Schrift für die Annäherung der drei Reiche. Gerade Grundtvigs Einfluß ist bis heute
in Norwegen und Schweden noch nicht verschwunden: die norwegischen und
schwedischen Volkshochschulen durchzieht noch wie die dänischen -- deren Vater
Grundtvig ist -- der alte Grundtvigsche Geist. Wie Grundtvig förderten
Oehlenschläger und Tegnör die skandinavistische Bewegung unter der akademischen
Jugend. Aus studentischen Festen kamen Männer aller drei nordischen Staaten
zusammen. Durch ihre Lieder und Reden in den fünfziger Jahren schimmerte
die Hoffnung auf die Einheit des Nordens.

Nun kamen die dänischen Kriege. Die Idee sollte Erscheinung werden,
die Reden ihre reale Bedeutung erkennen lassen: Schweden sollte sich nach den
Wünschen der Skandinavisten für die Freiheit der Dänen in Schleswig-Holstein
einsetzen und an der Seite des Nachbarlandes gegen Deutschland und Österreich-
Ungarn kämpfen. Als 1848 der Krieg ausbrach, wandte sich der dänische
König Friedrich der Siebente um Hilfe an den Schwedenkönig. Eine große
Anzahl junger Norweger und Schweden trat freiwillig in das dänische Heer
ein. Und die Sympathien Schwedens waren in den dänischen Kriegen -
und später im französischen -- mit wenig Ausnahmen bei Deutschlands
Feinden. Aber eine kluge Politik forderte strenge Aufrechterhaltung der Neu-
tralität. Und so gelang es der vorsichtigen Diplomatie König Oskars, den
Kriegsausbruch zwischen Schweden und den deutschen Bundesstaaten zu ver¬
hindern. Die geschichtliche Entwicklung der fünfziger und sechziger Jahre wurde
zur schweren Enttäuschung für die Anhänger der skandinavischen Bewegung,
besonders in Dänemark. Und so war es nicht zu verwundern, daß der
Skandinavismus nach der Niederlage Dänemarks die Tendenz zur Abnahme zeigte.

Aber aus den Trümmern einer halb versunkenen Bewegung entstand die
Idee aufs neue: Männer traten auf, deren Ziel es war. die skandinavistischen
Bestrebungen volkstümlich zu machen. Und so erfüllte in den siebziger Jahren
in Schweden neben der Scharfschützenbewcgung, die alle Männer des Volkes
freiwillig zur Verteidigung des Vaterlandes heranbilden wollte, kein Gedanke
so stark alle Kreise des Volkes als der Skandinavismus. Für seine Aufrecht¬
erhaltung und Förderung wirkte in Dänemark die 1864 gegründete "Nordische


Grenzboten II 1916 6
„Skandmaoismns"

heutigen Schwedens Schone», Bleckinge und Halland init seinem Reiche ver¬
einigte. Immer weiter führte die auswärtige Politik Dänemark und Schweden
in den nächsten Jahrhunderten auseinander, so weit, daß .Karl Johann, der
schwedische Thronfolger. 1814 mit Waffengewalt die Einwilligung der Dünen
zur Union mit Norwegen erzwang..

Da trat in den ersten Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts ein Um¬
schwung ein: nach der politischen Ohnmacht Dänemarks (der Belagerung Kopen-
hagens durch England und der Wegnahme der dänischen Flotte) wurde das Gefühl
der Stammverwandtschaft zwischen den skandinavischen Völkern in Dänemark neu
geboren. Der geniale Volkserzieher und Wiedererwecker des alten dänischen Helden¬
sinnes, Nil. Fred. Grundtvig, wirkte in flammender Begeisterung mit Wort und
Schrift für die Annäherung der drei Reiche. Gerade Grundtvigs Einfluß ist bis heute
in Norwegen und Schweden noch nicht verschwunden: die norwegischen und
schwedischen Volkshochschulen durchzieht noch wie die dänischen — deren Vater
Grundtvig ist — der alte Grundtvigsche Geist. Wie Grundtvig förderten
Oehlenschläger und Tegnör die skandinavistische Bewegung unter der akademischen
Jugend. Aus studentischen Festen kamen Männer aller drei nordischen Staaten
zusammen. Durch ihre Lieder und Reden in den fünfziger Jahren schimmerte
die Hoffnung auf die Einheit des Nordens.

Nun kamen die dänischen Kriege. Die Idee sollte Erscheinung werden,
die Reden ihre reale Bedeutung erkennen lassen: Schweden sollte sich nach den
Wünschen der Skandinavisten für die Freiheit der Dänen in Schleswig-Holstein
einsetzen und an der Seite des Nachbarlandes gegen Deutschland und Österreich-
Ungarn kämpfen. Als 1848 der Krieg ausbrach, wandte sich der dänische
König Friedrich der Siebente um Hilfe an den Schwedenkönig. Eine große
Anzahl junger Norweger und Schweden trat freiwillig in das dänische Heer
ein. Und die Sympathien Schwedens waren in den dänischen Kriegen -
und später im französischen — mit wenig Ausnahmen bei Deutschlands
Feinden. Aber eine kluge Politik forderte strenge Aufrechterhaltung der Neu-
tralität. Und so gelang es der vorsichtigen Diplomatie König Oskars, den
Kriegsausbruch zwischen Schweden und den deutschen Bundesstaaten zu ver¬
hindern. Die geschichtliche Entwicklung der fünfziger und sechziger Jahre wurde
zur schweren Enttäuschung für die Anhänger der skandinavischen Bewegung,
besonders in Dänemark. Und so war es nicht zu verwundern, daß der
Skandinavismus nach der Niederlage Dänemarks die Tendenz zur Abnahme zeigte.

Aber aus den Trümmern einer halb versunkenen Bewegung entstand die
Idee aufs neue: Männer traten auf, deren Ziel es war. die skandinavistischen
Bestrebungen volkstümlich zu machen. Und so erfüllte in den siebziger Jahren
in Schweden neben der Scharfschützenbewcgung, die alle Männer des Volkes
freiwillig zur Verteidigung des Vaterlandes heranbilden wollte, kein Gedanke
so stark alle Kreise des Volkes als der Skandinavismus. Für seine Aufrecht¬
erhaltung und Förderung wirkte in Dänemark die 1864 gegründete „Nordische


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[0093] „Skandmaoismns" heutigen Schwedens Schone», Bleckinge und Halland init seinem Reiche ver¬ einigte. Immer weiter führte die auswärtige Politik Dänemark und Schweden in den nächsten Jahrhunderten auseinander, so weit, daß .Karl Johann, der schwedische Thronfolger. 1814 mit Waffengewalt die Einwilligung der Dünen zur Union mit Norwegen erzwang.. Da trat in den ersten Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts ein Um¬ schwung ein: nach der politischen Ohnmacht Dänemarks (der Belagerung Kopen- hagens durch England und der Wegnahme der dänischen Flotte) wurde das Gefühl der Stammverwandtschaft zwischen den skandinavischen Völkern in Dänemark neu geboren. Der geniale Volkserzieher und Wiedererwecker des alten dänischen Helden¬ sinnes, Nil. Fred. Grundtvig, wirkte in flammender Begeisterung mit Wort und Schrift für die Annäherung der drei Reiche. Gerade Grundtvigs Einfluß ist bis heute in Norwegen und Schweden noch nicht verschwunden: die norwegischen und schwedischen Volkshochschulen durchzieht noch wie die dänischen — deren Vater Grundtvig ist — der alte Grundtvigsche Geist. Wie Grundtvig förderten Oehlenschläger und Tegnör die skandinavistische Bewegung unter der akademischen Jugend. Aus studentischen Festen kamen Männer aller drei nordischen Staaten zusammen. Durch ihre Lieder und Reden in den fünfziger Jahren schimmerte die Hoffnung auf die Einheit des Nordens. Nun kamen die dänischen Kriege. Die Idee sollte Erscheinung werden, die Reden ihre reale Bedeutung erkennen lassen: Schweden sollte sich nach den Wünschen der Skandinavisten für die Freiheit der Dänen in Schleswig-Holstein einsetzen und an der Seite des Nachbarlandes gegen Deutschland und Österreich- Ungarn kämpfen. Als 1848 der Krieg ausbrach, wandte sich der dänische König Friedrich der Siebente um Hilfe an den Schwedenkönig. Eine große Anzahl junger Norweger und Schweden trat freiwillig in das dänische Heer ein. Und die Sympathien Schwedens waren in den dänischen Kriegen - und später im französischen — mit wenig Ausnahmen bei Deutschlands Feinden. Aber eine kluge Politik forderte strenge Aufrechterhaltung der Neu- tralität. Und so gelang es der vorsichtigen Diplomatie König Oskars, den Kriegsausbruch zwischen Schweden und den deutschen Bundesstaaten zu ver¬ hindern. Die geschichtliche Entwicklung der fünfziger und sechziger Jahre wurde zur schweren Enttäuschung für die Anhänger der skandinavischen Bewegung, besonders in Dänemark. Und so war es nicht zu verwundern, daß der Skandinavismus nach der Niederlage Dänemarks die Tendenz zur Abnahme zeigte. Aber aus den Trümmern einer halb versunkenen Bewegung entstand die Idee aufs neue: Männer traten auf, deren Ziel es war. die skandinavistischen Bestrebungen volkstümlich zu machen. Und so erfüllte in den siebziger Jahren in Schweden neben der Scharfschützenbewcgung, die alle Männer des Volkes freiwillig zur Verteidigung des Vaterlandes heranbilden wollte, kein Gedanke so stark alle Kreise des Volkes als der Skandinavismus. Für seine Aufrecht¬ erhaltung und Förderung wirkte in Dänemark die 1864 gegründete „Nordische Grenzboten II 1916 6

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/93>, abgerufen am 27.07.2024.