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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Der Hexenkessel

Die Person: Aber was sollen wir mit der Partei dieser Männer um
Gutschkow und Lwoff herum, die schon der selige Peter Arkadjewitsch als Futur-
Minister bezeichnete? Bei ihnen ist doch nur Unehrlichkeit hinter der politischen
Maske verborgen und ich möchte Rußland nicht helfen zu einem Lande zu
machen, das wie . . . Frankreich von Advokaten regiert wird.

Der Metropolit: Nimm Stürmer, hoher Freund und Protektor. Er
ist kein abgestempelter Parteimann. Er wird die Intelligenten nicht reizen, und
für sie nicht ein rotes Tuch sein wie Chwostow. Die Leute sind ja mit so
wenigem zufrieden. Sie hoffen wieder. Rodsjanko wird durch die Möglichkeit
einer Berichterstattung bei Väterchen tief beglückt sein. Man wird viel reden,
man wiris heftig reden, alle Kadetten aber werden trotz alles Judentums ihrem
rechtgläubigen Herrscher zujubeln -- aus Ingrimm zujubeln, weil sie aus ge¬
benedeiten Patriotismus jubeln müssen.

Stürmer ist ein frommer Mann -- nicht umsonst sagt man, daß seine
Vorfahren lutherische Pastoren waren, er wird dem Volke von unserer Kirche
sprechen, er wird überhaupt sehr staatsmännisch, sehr ruhig sein und -- nichts
sagen. Das wird gut wirken. Wenn wir einen Schreier brauchen, der für
die Kulisse spricht, so nehmen wir Ssasonow, er soll auch reden, wenn die
Engländer Erklärungen verlangen. Will ihn dann Stürmer im gegebenen
Moment los sein, so wird er zugleich einen wunderschönen Grund dafür haben.

Ich aber werde dafür sorgen, daß das Volk anfängt, an anderes zu denken,
als an diese fortwährenden Kämpfe gegen eine Regierung, die doch nur ihr bestes
will. Das Volk hat aufgehört zu beten, wie es dies zu Beginn des Krieges tat.
In Petrograd und in Moskau kämpft man nur um die Macht und ums Geld. Dunkle
Existenzen, die gestern noch auf den Gassen Hausterten, trinken heute bei Cubae
Sekt und kaufen in Paris Brillanten, die sie "unter ihren schmutzigen Westen"
für die Zeiten verschwinden lassen, wo der Staat patriotische Opfer von den¬
jenigen verlangen wird, die durch das Blut ihrer Mitbürger reich geworden sind.

Ich werde die Begeisterung für die Kirche, die allein unser Mütterchen
Rußland wieder groß machen kann, im Volke wachrufen. Boris Wladimirowitsch
ist dazu der rechte Mann, um mir bei dieser Aufgabe zu helfen. Daß er
Plehwes Gehilfe war, hat man fast vergessen. Aber daß er dort gearbeitet
hat, ist nützlich. Er kennt die Frage des Raskol, er kennt die Altgläubigen. Die
"Kaiserlich Rechtgläubige Gesellschaft" nennt ihn unter ihren tätigsten Mit¬
gliedern, er ist stellvertretender Vorsitzender der "Baltischen Rechtgläubigen
Brüderschaft". Väterchen erinnert sich seiner als eines vielgewandten Mannes.
Er wurde damals . . . nach Moskau berufen, um die Zeremonien zu leiten.
Boris Wladimirowitsch war aber auch Semstwomann, er wird den Leuten
sagen, daß er warmer Anhänger der Konstitution ist, er wird ihnen sagen,
daß er diesen Krieg bis zum stegreichen Ende führen wird, und schließlich wird
er versprechen, die Duma einzuberufen, und zugleich wird er an den Patriotismus
dieser Männer appellieren . . . Und ich werde im Stillen arbeiten.


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Der Hexenkessel

Die Person: Aber was sollen wir mit der Partei dieser Männer um
Gutschkow und Lwoff herum, die schon der selige Peter Arkadjewitsch als Futur-
Minister bezeichnete? Bei ihnen ist doch nur Unehrlichkeit hinter der politischen
Maske verborgen und ich möchte Rußland nicht helfen zu einem Lande zu
machen, das wie . . . Frankreich von Advokaten regiert wird.

Der Metropolit: Nimm Stürmer, hoher Freund und Protektor. Er
ist kein abgestempelter Parteimann. Er wird die Intelligenten nicht reizen, und
für sie nicht ein rotes Tuch sein wie Chwostow. Die Leute sind ja mit so
wenigem zufrieden. Sie hoffen wieder. Rodsjanko wird durch die Möglichkeit
einer Berichterstattung bei Väterchen tief beglückt sein. Man wird viel reden,
man wiris heftig reden, alle Kadetten aber werden trotz alles Judentums ihrem
rechtgläubigen Herrscher zujubeln — aus Ingrimm zujubeln, weil sie aus ge¬
benedeiten Patriotismus jubeln müssen.

Stürmer ist ein frommer Mann — nicht umsonst sagt man, daß seine
Vorfahren lutherische Pastoren waren, er wird dem Volke von unserer Kirche
sprechen, er wird überhaupt sehr staatsmännisch, sehr ruhig sein und — nichts
sagen. Das wird gut wirken. Wenn wir einen Schreier brauchen, der für
die Kulisse spricht, so nehmen wir Ssasonow, er soll auch reden, wenn die
Engländer Erklärungen verlangen. Will ihn dann Stürmer im gegebenen
Moment los sein, so wird er zugleich einen wunderschönen Grund dafür haben.

Ich aber werde dafür sorgen, daß das Volk anfängt, an anderes zu denken,
als an diese fortwährenden Kämpfe gegen eine Regierung, die doch nur ihr bestes
will. Das Volk hat aufgehört zu beten, wie es dies zu Beginn des Krieges tat.
In Petrograd und in Moskau kämpft man nur um die Macht und ums Geld. Dunkle
Existenzen, die gestern noch auf den Gassen Hausterten, trinken heute bei Cubae
Sekt und kaufen in Paris Brillanten, die sie „unter ihren schmutzigen Westen"
für die Zeiten verschwinden lassen, wo der Staat patriotische Opfer von den¬
jenigen verlangen wird, die durch das Blut ihrer Mitbürger reich geworden sind.

Ich werde die Begeisterung für die Kirche, die allein unser Mütterchen
Rußland wieder groß machen kann, im Volke wachrufen. Boris Wladimirowitsch
ist dazu der rechte Mann, um mir bei dieser Aufgabe zu helfen. Daß er
Plehwes Gehilfe war, hat man fast vergessen. Aber daß er dort gearbeitet
hat, ist nützlich. Er kennt die Frage des Raskol, er kennt die Altgläubigen. Die
„Kaiserlich Rechtgläubige Gesellschaft" nennt ihn unter ihren tätigsten Mit¬
gliedern, er ist stellvertretender Vorsitzender der „Baltischen Rechtgläubigen
Brüderschaft". Väterchen erinnert sich seiner als eines vielgewandten Mannes.
Er wurde damals . . . nach Moskau berufen, um die Zeremonien zu leiten.
Boris Wladimirowitsch war aber auch Semstwomann, er wird den Leuten
sagen, daß er warmer Anhänger der Konstitution ist, er wird ihnen sagen,
daß er diesen Krieg bis zum stegreichen Ende führen wird, und schließlich wird
er versprechen, die Duma einzuberufen, und zugleich wird er an den Patriotismus
dieser Männer appellieren . . . Und ich werde im Stillen arbeiten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/63>, abgerufen am 27.07.2024.