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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Der Hexenkessel

setzen wir in Verlegenheit. Denn alles, was Patriotismus ist, machen sie ja
aus Prinzip mit. Ich werde sie aä absurclum führen, werde ihnen sagen,
daß ich Dumaabgeordneter bin, daß niemand mehr die parlamentarischen Ein¬
richtungen verehrt als ich. Es ist zum Lachen, aber es wird einige geben, die
es mir glauben werden. Und wenn ich den Appetit der Leute stillen kann, ist
alles gewonnen. So wird der Boden vorbereitet. Ich werde hin- und her¬
fahren, unter das Volk gehen, neue "liberale Methoden" einschlagen, mir diese
Preßleute mal hinkommen lassen und mein Herz vor ihnen ausschütten, das
mich zum Volke treibt. Das wird die Leute verblüffen und die Juden werden
mich sogar in den Himmel erheben.

Dann inzwischen, falls die Sache geht, "Kampf gegen die Teuerung",
drakonische Maßregeln im alten russischen Stil, der ist noch immer volkstümlich
gewesen, und im Stillen die Mobilmachung der monarchistischen Kongresse,
wenn die Gesellschaft anfängt, verwirrt zu werden, das alte Rezept. Befehlen
Sie, es damit zu versuchen?

Die Person: Aber die Arbeiter? So tüchtig Burtzew ist, dessen Ge¬
winnung ich für einen der geschicktesten Schachzüge der Ochrana halte, er hat
doch eigentlich keine Fühlung mit den Kreisen, die wir da brauchen. Und
Kostroma mit totgeschossenen Arbeiterführern hat nicht gut gewirkt. Die Sache
war zu roh gemacht.

A. N.: Burtzew ist gut, aber nicht hierfür. Er wird auf revolutionäre
Ideologen wirken und sie für die Devise "alles für den Sieg" gewinnen. Es
gibt ein anderes Rezept, das von Gapon, des zu früh gerichteten, der hätte
uns hier geholfen. Aber da ist Madame Desobry, die soll zu Putilow gehen,
mitten in die Bolschewiki hinein, soll ihnen helfen, ihre Kooperativen zu
gründen und sie damit beschäftigen.

Inzwischen werden unsere . . . "Leute" dafür sorgen, daß die Ex¬
plosion zu einer Zeit losbricht, wo wir sie brauchen können. Wir werden
eine Rechtfertigung dafür haben, streng zuzugreifen. Und wir brauchen uns
dann nicht zu genieren. Das aber wird ausgezeichnet wirken.

Und ich werde den Arbeitern dasselbe erzählen wie den jüdischen Zeitungen.
Ich werde ihnen sagen, daß ich ihre Versorgung in die Hand nehmen will, die
Familien der Zurückgebliebenen ausstatten. Der "deutsche Köder" wird locken.
Ein Versuch sollte sich wirklich lohnen. --

U Die Person: nd die Hauptfrage: die Wiedereinberufung der Duma,
die uns so unbequem werden kann?

A. N.: Wird überhaupt nicht akut werden. Ich treibe diese Kerle in die
Enge, mache sie mürbe, lasse sie am patriotischen Narrenseil tanzen und in
dem Momente... wo es nötig ist, daß wir Ruhe haben, werden uns diese Leute
nicht mehr unbequem sein. Sie werden einfach Angst haben, und sollten sie uns
doch noch Schwierigkeiten machen, so haben wir die Macht, ihnen die Führer im
richtigen Moment zu nehmen. Alles kommt auf diesen Moment an. ... --


Grenzboten II 1916 4
Der Hexenkessel

setzen wir in Verlegenheit. Denn alles, was Patriotismus ist, machen sie ja
aus Prinzip mit. Ich werde sie aä absurclum führen, werde ihnen sagen,
daß ich Dumaabgeordneter bin, daß niemand mehr die parlamentarischen Ein¬
richtungen verehrt als ich. Es ist zum Lachen, aber es wird einige geben, die
es mir glauben werden. Und wenn ich den Appetit der Leute stillen kann, ist
alles gewonnen. So wird der Boden vorbereitet. Ich werde hin- und her¬
fahren, unter das Volk gehen, neue „liberale Methoden" einschlagen, mir diese
Preßleute mal hinkommen lassen und mein Herz vor ihnen ausschütten, das
mich zum Volke treibt. Das wird die Leute verblüffen und die Juden werden
mich sogar in den Himmel erheben.

Dann inzwischen, falls die Sache geht, „Kampf gegen die Teuerung",
drakonische Maßregeln im alten russischen Stil, der ist noch immer volkstümlich
gewesen, und im Stillen die Mobilmachung der monarchistischen Kongresse,
wenn die Gesellschaft anfängt, verwirrt zu werden, das alte Rezept. Befehlen
Sie, es damit zu versuchen?

Die Person: Aber die Arbeiter? So tüchtig Burtzew ist, dessen Ge¬
winnung ich für einen der geschicktesten Schachzüge der Ochrana halte, er hat
doch eigentlich keine Fühlung mit den Kreisen, die wir da brauchen. Und
Kostroma mit totgeschossenen Arbeiterführern hat nicht gut gewirkt. Die Sache
war zu roh gemacht.

A. N.: Burtzew ist gut, aber nicht hierfür. Er wird auf revolutionäre
Ideologen wirken und sie für die Devise „alles für den Sieg" gewinnen. Es
gibt ein anderes Rezept, das von Gapon, des zu früh gerichteten, der hätte
uns hier geholfen. Aber da ist Madame Desobry, die soll zu Putilow gehen,
mitten in die Bolschewiki hinein, soll ihnen helfen, ihre Kooperativen zu
gründen und sie damit beschäftigen.

Inzwischen werden unsere . . . „Leute" dafür sorgen, daß die Ex¬
plosion zu einer Zeit losbricht, wo wir sie brauchen können. Wir werden
eine Rechtfertigung dafür haben, streng zuzugreifen. Und wir brauchen uns
dann nicht zu genieren. Das aber wird ausgezeichnet wirken.

Und ich werde den Arbeitern dasselbe erzählen wie den jüdischen Zeitungen.
Ich werde ihnen sagen, daß ich ihre Versorgung in die Hand nehmen will, die
Familien der Zurückgebliebenen ausstatten. Der „deutsche Köder" wird locken.
Ein Versuch sollte sich wirklich lohnen. —

U Die Person: nd die Hauptfrage: die Wiedereinberufung der Duma,
die uns so unbequem werden kann?

A. N.: Wird überhaupt nicht akut werden. Ich treibe diese Kerle in die
Enge, mache sie mürbe, lasse sie am patriotischen Narrenseil tanzen und in
dem Momente... wo es nötig ist, daß wir Ruhe haben, werden uns diese Leute
nicht mehr unbequem sein. Sie werden einfach Angst haben, und sollten sie uns
doch noch Schwierigkeiten machen, so haben wir die Macht, ihnen die Führer im
richtigen Moment zu nehmen. Alles kommt auf diesen Moment an. ... —


Grenzboten II 1916 4
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[0061] Der Hexenkessel setzen wir in Verlegenheit. Denn alles, was Patriotismus ist, machen sie ja aus Prinzip mit. Ich werde sie aä absurclum führen, werde ihnen sagen, daß ich Dumaabgeordneter bin, daß niemand mehr die parlamentarischen Ein¬ richtungen verehrt als ich. Es ist zum Lachen, aber es wird einige geben, die es mir glauben werden. Und wenn ich den Appetit der Leute stillen kann, ist alles gewonnen. So wird der Boden vorbereitet. Ich werde hin- und her¬ fahren, unter das Volk gehen, neue „liberale Methoden" einschlagen, mir diese Preßleute mal hinkommen lassen und mein Herz vor ihnen ausschütten, das mich zum Volke treibt. Das wird die Leute verblüffen und die Juden werden mich sogar in den Himmel erheben. Dann inzwischen, falls die Sache geht, „Kampf gegen die Teuerung", drakonische Maßregeln im alten russischen Stil, der ist noch immer volkstümlich gewesen, und im Stillen die Mobilmachung der monarchistischen Kongresse, wenn die Gesellschaft anfängt, verwirrt zu werden, das alte Rezept. Befehlen Sie, es damit zu versuchen? Die Person: Aber die Arbeiter? So tüchtig Burtzew ist, dessen Ge¬ winnung ich für einen der geschicktesten Schachzüge der Ochrana halte, er hat doch eigentlich keine Fühlung mit den Kreisen, die wir da brauchen. Und Kostroma mit totgeschossenen Arbeiterführern hat nicht gut gewirkt. Die Sache war zu roh gemacht. A. N.: Burtzew ist gut, aber nicht hierfür. Er wird auf revolutionäre Ideologen wirken und sie für die Devise „alles für den Sieg" gewinnen. Es gibt ein anderes Rezept, das von Gapon, des zu früh gerichteten, der hätte uns hier geholfen. Aber da ist Madame Desobry, die soll zu Putilow gehen, mitten in die Bolschewiki hinein, soll ihnen helfen, ihre Kooperativen zu gründen und sie damit beschäftigen. Inzwischen werden unsere . . . „Leute" dafür sorgen, daß die Ex¬ plosion zu einer Zeit losbricht, wo wir sie brauchen können. Wir werden eine Rechtfertigung dafür haben, streng zuzugreifen. Und wir brauchen uns dann nicht zu genieren. Das aber wird ausgezeichnet wirken. Und ich werde den Arbeitern dasselbe erzählen wie den jüdischen Zeitungen. Ich werde ihnen sagen, daß ich ihre Versorgung in die Hand nehmen will, die Familien der Zurückgebliebenen ausstatten. Der „deutsche Köder" wird locken. Ein Versuch sollte sich wirklich lohnen. — U Die Person: nd die Hauptfrage: die Wiedereinberufung der Duma, die uns so unbequem werden kann? A. N.: Wird überhaupt nicht akut werden. Ich treibe diese Kerle in die Enge, mache sie mürbe, lasse sie am patriotischen Narrenseil tanzen und in dem Momente... wo es nötig ist, daß wir Ruhe haben, werden uns diese Leute nicht mehr unbequem sein. Sie werden einfach Angst haben, und sollten sie uns doch noch Schwierigkeiten machen, so haben wir die Macht, ihnen die Führer im richtigen Moment zu nehmen. Alles kommt auf diesen Moment an. ... — Grenzboten II 1916 4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/61>, abgerufen am 01.09.2024.