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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Ansprüchen zu genügen. Es fragt sich freilich, ob die anglikanische Kirche in
ihrer Gesamtheit einverstanden wäre. Schon seit 1893 besteht eine besondere
Vereinigung, die IZa8dörn LlmreK /^Lociation, die unter ihren etwa eintausend¬
fünfhundert Mitgliedern zweiunddreißig anglikanische und acht griechisch-katholische
Bischöfe zählt, mit dem Zweck, die englische und die östliche Kirche miteinander
bekannt zu machen und eine Union zwischen ihnen anzubahnen. Präsident ist
der Bischof von London. Ein Antrag dieser Vereinigung, die gegenwärtige
Lage zur Förderung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Kirchen
auszunutzen, hat im Februar d. I. bei dem Episkopat der Provinz Canterbury
wohlwollende Aufnahme gefunden. Man verhehlte sich aber auch die Schwierig¬
keiten nicht, die gerade jetzt einem Verkehr mit anderen orthodoxen Kirchen,
z. B. der Griechenlands, entgegenstehen, wo man für England weniger freund¬
liche Gefühle hat als in Rußland, und glaubte deshalb, offizielle Verhandlungen
noch vertagen zu müssen.

Im allgemeinen aber haben doch die anglokatholischen Hoffnungen durch
den Krieg neue Nahrung erhalten. Man irägt sich mit der kühnen Zuversicht:
"Wie dieser Krieg auch endet, er wird dem teutonischen Protestantismus als
einer religiösen Macht den Todesstoß versetzen". Denn ist Deutschland besiegt,
so wird Rußlands Stern steigen und die befreiten Südslawen werden mächtig
werden. Das bedeutete eine Stärkung des Katholizismus. "Sollte aber das
protestantisch-preußische System triumphieren, so wird sich doch das Gewissen der
ganzen Welt dagegen empören. Auch in England und Amerika stand bisher
die deutsche Wissenschaft in höchstem Ansehen. Nun aber hat sich diese Wissen-
schaft in diesem Kriege an eine Macht verkauft, die sich so ungeheuerlich be¬
nimmt, daß selbst die eifrigsten Bewunderer dieser Wissenschaft darüber entsetzt
sind. Diese Erfahrung wird ihnen die deutsche Wissenschaft dauernd verleiden.
Ohne die Wissenschaft aber ist der Protestantismus tot, folglich wird auch dieser
feinen Kredit in der Welt verlieren".

Man sieht, wie die Anglokatholiken hoffen, daß ihnen alles zum Besten
dienen werde. Die Kühnheit dieser Hoffnungen zeigt sich wohl am stärksten
darin, daß sie sich zutrauen, eine Versöhnung zwischen Rom und den östlichen
Kirchen herbeiführen zu können. "Unser nächstes Ziel", sagt einer von ihnen,
"muß nicht unsere Union mit den Lateinern oder Morgenländern sein, sondern
die Union der Lateiner und der Morgenländer". Man bedauert das große
Mißtrauen, das im kirchlichen Osten gegen Rom herrscht, man beklagt den ge¬
hässigen Ton griechischer Patriarchen gegen den Papst; aber man erhofft auch
hierin von dem Weltkrieg eine Änderung. Und die anglikanische Kirche soll den
Vermittler spielen. Das würde sie am besten können, wenn das Bündnis
zwischen England und Nußland dauernd würde und durch eine kirchliche Einigung
eine religiöse Weihe erhielte, zu einer heiligen Allianz ausgestaltet würde.

So stellt sich den Anglokatholiken der Weltkrieg als ein großer Kampf
zwischen Protestantismus und Katholizismus dar. An seinem Feuer möchten


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Ansprüchen zu genügen. Es fragt sich freilich, ob die anglikanische Kirche in
ihrer Gesamtheit einverstanden wäre. Schon seit 1893 besteht eine besondere
Vereinigung, die IZa8dörn LlmreK /^Lociation, die unter ihren etwa eintausend¬
fünfhundert Mitgliedern zweiunddreißig anglikanische und acht griechisch-katholische
Bischöfe zählt, mit dem Zweck, die englische und die östliche Kirche miteinander
bekannt zu machen und eine Union zwischen ihnen anzubahnen. Präsident ist
der Bischof von London. Ein Antrag dieser Vereinigung, die gegenwärtige
Lage zur Förderung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Kirchen
auszunutzen, hat im Februar d. I. bei dem Episkopat der Provinz Canterbury
wohlwollende Aufnahme gefunden. Man verhehlte sich aber auch die Schwierig¬
keiten nicht, die gerade jetzt einem Verkehr mit anderen orthodoxen Kirchen,
z. B. der Griechenlands, entgegenstehen, wo man für England weniger freund¬
liche Gefühle hat als in Rußland, und glaubte deshalb, offizielle Verhandlungen
noch vertagen zu müssen.

Im allgemeinen aber haben doch die anglokatholischen Hoffnungen durch
den Krieg neue Nahrung erhalten. Man irägt sich mit der kühnen Zuversicht:
„Wie dieser Krieg auch endet, er wird dem teutonischen Protestantismus als
einer religiösen Macht den Todesstoß versetzen". Denn ist Deutschland besiegt,
so wird Rußlands Stern steigen und die befreiten Südslawen werden mächtig
werden. Das bedeutete eine Stärkung des Katholizismus. „Sollte aber das
protestantisch-preußische System triumphieren, so wird sich doch das Gewissen der
ganzen Welt dagegen empören. Auch in England und Amerika stand bisher
die deutsche Wissenschaft in höchstem Ansehen. Nun aber hat sich diese Wissen-
schaft in diesem Kriege an eine Macht verkauft, die sich so ungeheuerlich be¬
nimmt, daß selbst die eifrigsten Bewunderer dieser Wissenschaft darüber entsetzt
sind. Diese Erfahrung wird ihnen die deutsche Wissenschaft dauernd verleiden.
Ohne die Wissenschaft aber ist der Protestantismus tot, folglich wird auch dieser
feinen Kredit in der Welt verlieren".

Man sieht, wie die Anglokatholiken hoffen, daß ihnen alles zum Besten
dienen werde. Die Kühnheit dieser Hoffnungen zeigt sich wohl am stärksten
darin, daß sie sich zutrauen, eine Versöhnung zwischen Rom und den östlichen
Kirchen herbeiführen zu können. „Unser nächstes Ziel", sagt einer von ihnen,
„muß nicht unsere Union mit den Lateinern oder Morgenländern sein, sondern
die Union der Lateiner und der Morgenländer". Man bedauert das große
Mißtrauen, das im kirchlichen Osten gegen Rom herrscht, man beklagt den ge¬
hässigen Ton griechischer Patriarchen gegen den Papst; aber man erhofft auch
hierin von dem Weltkrieg eine Änderung. Und die anglikanische Kirche soll den
Vermittler spielen. Das würde sie am besten können, wenn das Bündnis
zwischen England und Nußland dauernd würde und durch eine kirchliche Einigung
eine religiöse Weihe erhielte, zu einer heiligen Allianz ausgestaltet würde.

So stellt sich den Anglokatholiken der Weltkrieg als ein großer Kampf
zwischen Protestantismus und Katholizismus dar. An seinem Feuer möchten


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[0050] Line neue heilige Allianz Ansprüchen zu genügen. Es fragt sich freilich, ob die anglikanische Kirche in ihrer Gesamtheit einverstanden wäre. Schon seit 1893 besteht eine besondere Vereinigung, die IZa8dörn LlmreK /^Lociation, die unter ihren etwa eintausend¬ fünfhundert Mitgliedern zweiunddreißig anglikanische und acht griechisch-katholische Bischöfe zählt, mit dem Zweck, die englische und die östliche Kirche miteinander bekannt zu machen und eine Union zwischen ihnen anzubahnen. Präsident ist der Bischof von London. Ein Antrag dieser Vereinigung, die gegenwärtige Lage zur Förderung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Kirchen auszunutzen, hat im Februar d. I. bei dem Episkopat der Provinz Canterbury wohlwollende Aufnahme gefunden. Man verhehlte sich aber auch die Schwierig¬ keiten nicht, die gerade jetzt einem Verkehr mit anderen orthodoxen Kirchen, z. B. der Griechenlands, entgegenstehen, wo man für England weniger freund¬ liche Gefühle hat als in Rußland, und glaubte deshalb, offizielle Verhandlungen noch vertagen zu müssen. Im allgemeinen aber haben doch die anglokatholischen Hoffnungen durch den Krieg neue Nahrung erhalten. Man irägt sich mit der kühnen Zuversicht: „Wie dieser Krieg auch endet, er wird dem teutonischen Protestantismus als einer religiösen Macht den Todesstoß versetzen". Denn ist Deutschland besiegt, so wird Rußlands Stern steigen und die befreiten Südslawen werden mächtig werden. Das bedeutete eine Stärkung des Katholizismus. „Sollte aber das protestantisch-preußische System triumphieren, so wird sich doch das Gewissen der ganzen Welt dagegen empören. Auch in England und Amerika stand bisher die deutsche Wissenschaft in höchstem Ansehen. Nun aber hat sich diese Wissen- schaft in diesem Kriege an eine Macht verkauft, die sich so ungeheuerlich be¬ nimmt, daß selbst die eifrigsten Bewunderer dieser Wissenschaft darüber entsetzt sind. Diese Erfahrung wird ihnen die deutsche Wissenschaft dauernd verleiden. Ohne die Wissenschaft aber ist der Protestantismus tot, folglich wird auch dieser feinen Kredit in der Welt verlieren". Man sieht, wie die Anglokatholiken hoffen, daß ihnen alles zum Besten dienen werde. Die Kühnheit dieser Hoffnungen zeigt sich wohl am stärksten darin, daß sie sich zutrauen, eine Versöhnung zwischen Rom und den östlichen Kirchen herbeiführen zu können. „Unser nächstes Ziel", sagt einer von ihnen, „muß nicht unsere Union mit den Lateinern oder Morgenländern sein, sondern die Union der Lateiner und der Morgenländer". Man bedauert das große Mißtrauen, das im kirchlichen Osten gegen Rom herrscht, man beklagt den ge¬ hässigen Ton griechischer Patriarchen gegen den Papst; aber man erhofft auch hierin von dem Weltkrieg eine Änderung. Und die anglikanische Kirche soll den Vermittler spielen. Das würde sie am besten können, wenn das Bündnis zwischen England und Nußland dauernd würde und durch eine kirchliche Einigung eine religiöse Weihe erhielte, zu einer heiligen Allianz ausgestaltet würde. So stellt sich den Anglokatholiken der Weltkrieg als ein großer Kampf zwischen Protestantismus und Katholizismus dar. An seinem Feuer möchten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/50>, abgerufen am 27.07.2024.