Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Leopold der Zweite als erster Vorkämpfer Mitteleuropas

deutsche Politik auf und schwenkte durch die Reise des Kaiserpaares in den
Orient in leopoldinische Bahnen ein, um sie nicht mehr zu verlassen und um
ihrerseits die Führung im Kampfe gegen englische Blockierungspläne zu über¬
nehmen, die um ganz Mitteleuropa einen eisernen Ring legen wollten.

Ehe England im Jahre 1832 Ägypten besetzte, verriegelte es ohnehin schon
durch seine Stellungen bei Dover und Gibraltar Mittel- und Südosteuropa den
Zugang zum freien Meere. Und 1875 gelang es Disraeli, vom ägyptischen
Khediven Ismael Pascha für 100 Millionen Franken Suezkanal-Aktien für
den englischen Staat anzukaufen und ihm damit einen starken Einfluß auf diese
Wasserstraße zu sichern. Im Jahre 1882 folgte dann die Besetzung von
Ägypten, dessen Machtbereich sich damals über das ganze Nilgebiet erstreckte,
bis zum Äquator nach Süden und nach Westen bis an die Grenzen von
Wadai und der Sultanate des Schari-Uvangi. Da kam aber 1883 die
Mhadistenbewegung als schwerer Hagelschlag in die englischen Weizenfelder,
und nun war es vor allem Leopold der Zweite, der mit schneller Hand nach
dem 1884 von den Ungko-Ägyptern aufgegebenen Sudan griff. Schon Ende
1883 hatte der König an Gordon Pascha geschrieben (der englische General
Charles George Gordon hatte sich in China großen Ruhm erworben, war
1873 in die Dienste der ägyptischen Regierung getreten, wurde schon Ende der
siebziger Jahre Generalgouvemeur des Sudan und fiel am 26. Januar 1885
den Mhadisten in Khartum zum Opfer) und bei ihm angefragt, ob er geneigt
wäre, das Bahr el Ghazal dem kongostaatlichen Einfluß zu eröffnen. Gordon
schrieb am 6. Januar 1884 darüber an Stanley, der damals in Vivi am
Kongo war, und dieser war angeblich ganz entsetzt darüber, daß zu den Kongo¬
sorgen auch noch Nilpläne kommen sollten. Aber Stanley selber hat im Mai
1888, als er mit Emin Pascha am Albertsee zusammentraf, diesem den Vor¬
schlag gemacht, in die Dienste des Königs der Belgier zu treten. Nach seinem
eigenen Bericht (Im dunkelsten Afrika, Teil I) sagte er ihm:


"Nun, mein zweiter Vorschlag an Sie kommt von Leopold, dem
König der Belgier. Er hat mich ersucht, Ihnen mitzuteilen, daß, um
das Zurücksinken der Äquatorialprovinzen in die Barbarei zu verhindern
und vorausgesetzt, daß dieselben verhältnismäßige Einkünfte zu liefern
vermögen, der Kongostaat die Regierung derselben vielleicht übernehmen
könnte, wenn dies mit einem Aufwande von 10 000 bis 12 000 Pfund
Sterling im Jahre möglich wäre; und ferner, daß Se. Majestät König
Leopold in der Meinung, daß eine derartige Beschäftigung Ihrer eigenen
Neigung entsprechen dürfte, gewillt ist, Ihnen ein genügendes Gehalt --
1500 Pfund Sterling -- als Gouverneur mit dem Range eines Generals
zu zahlen. Ihre Pflicht würde darin bestehen, die Verbindungen zwischen
dem Nil und dem Kongo offenzuhalten und sür Gesetz und Ordnung in
den Äquatorialprovinzen zu sorgen."

Leopold der Zweite als erster Vorkämpfer Mitteleuropas

deutsche Politik auf und schwenkte durch die Reise des Kaiserpaares in den
Orient in leopoldinische Bahnen ein, um sie nicht mehr zu verlassen und um
ihrerseits die Führung im Kampfe gegen englische Blockierungspläne zu über¬
nehmen, die um ganz Mitteleuropa einen eisernen Ring legen wollten.

Ehe England im Jahre 1832 Ägypten besetzte, verriegelte es ohnehin schon
durch seine Stellungen bei Dover und Gibraltar Mittel- und Südosteuropa den
Zugang zum freien Meere. Und 1875 gelang es Disraeli, vom ägyptischen
Khediven Ismael Pascha für 100 Millionen Franken Suezkanal-Aktien für
den englischen Staat anzukaufen und ihm damit einen starken Einfluß auf diese
Wasserstraße zu sichern. Im Jahre 1882 folgte dann die Besetzung von
Ägypten, dessen Machtbereich sich damals über das ganze Nilgebiet erstreckte,
bis zum Äquator nach Süden und nach Westen bis an die Grenzen von
Wadai und der Sultanate des Schari-Uvangi. Da kam aber 1883 die
Mhadistenbewegung als schwerer Hagelschlag in die englischen Weizenfelder,
und nun war es vor allem Leopold der Zweite, der mit schneller Hand nach
dem 1884 von den Ungko-Ägyptern aufgegebenen Sudan griff. Schon Ende
1883 hatte der König an Gordon Pascha geschrieben (der englische General
Charles George Gordon hatte sich in China großen Ruhm erworben, war
1873 in die Dienste der ägyptischen Regierung getreten, wurde schon Ende der
siebziger Jahre Generalgouvemeur des Sudan und fiel am 26. Januar 1885
den Mhadisten in Khartum zum Opfer) und bei ihm angefragt, ob er geneigt
wäre, das Bahr el Ghazal dem kongostaatlichen Einfluß zu eröffnen. Gordon
schrieb am 6. Januar 1884 darüber an Stanley, der damals in Vivi am
Kongo war, und dieser war angeblich ganz entsetzt darüber, daß zu den Kongo¬
sorgen auch noch Nilpläne kommen sollten. Aber Stanley selber hat im Mai
1888, als er mit Emin Pascha am Albertsee zusammentraf, diesem den Vor¬
schlag gemacht, in die Dienste des Königs der Belgier zu treten. Nach seinem
eigenen Bericht (Im dunkelsten Afrika, Teil I) sagte er ihm:


„Nun, mein zweiter Vorschlag an Sie kommt von Leopold, dem
König der Belgier. Er hat mich ersucht, Ihnen mitzuteilen, daß, um
das Zurücksinken der Äquatorialprovinzen in die Barbarei zu verhindern
und vorausgesetzt, daß dieselben verhältnismäßige Einkünfte zu liefern
vermögen, der Kongostaat die Regierung derselben vielleicht übernehmen
könnte, wenn dies mit einem Aufwande von 10 000 bis 12 000 Pfund
Sterling im Jahre möglich wäre; und ferner, daß Se. Majestät König
Leopold in der Meinung, daß eine derartige Beschäftigung Ihrer eigenen
Neigung entsprechen dürfte, gewillt ist, Ihnen ein genügendes Gehalt —
1500 Pfund Sterling — als Gouverneur mit dem Range eines Generals
zu zahlen. Ihre Pflicht würde darin bestehen, die Verbindungen zwischen
dem Nil und dem Kongo offenzuhalten und sür Gesetz und Ordnung in
den Äquatorialprovinzen zu sorgen."

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0405" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/330505"/>
          <fw type="header" place="top"> Leopold der Zweite als erster Vorkämpfer Mitteleuropas</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1686" prev="#ID_1685"> deutsche Politik auf und schwenkte durch die Reise des Kaiserpaares in den<lb/>
Orient in leopoldinische Bahnen ein, um sie nicht mehr zu verlassen und um<lb/>
ihrerseits die Führung im Kampfe gegen englische Blockierungspläne zu über¬<lb/>
nehmen, die um ganz Mitteleuropa einen eisernen Ring legen wollten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1687"> Ehe England im Jahre 1832 Ägypten besetzte, verriegelte es ohnehin schon<lb/>
durch seine Stellungen bei Dover und Gibraltar Mittel- und Südosteuropa den<lb/>
Zugang zum freien Meere. Und 1875 gelang es Disraeli, vom ägyptischen<lb/>
Khediven Ismael Pascha für 100 Millionen Franken Suezkanal-Aktien für<lb/>
den englischen Staat anzukaufen und ihm damit einen starken Einfluß auf diese<lb/>
Wasserstraße zu sichern. Im Jahre 1882 folgte dann die Besetzung von<lb/>
Ägypten, dessen Machtbereich sich damals über das ganze Nilgebiet erstreckte,<lb/>
bis zum Äquator nach Süden und nach Westen bis an die Grenzen von<lb/>
Wadai und der Sultanate des Schari-Uvangi. Da kam aber 1883 die<lb/>
Mhadistenbewegung als schwerer Hagelschlag in die englischen Weizenfelder,<lb/>
und nun war es vor allem Leopold der Zweite, der mit schneller Hand nach<lb/>
dem 1884 von den Ungko-Ägyptern aufgegebenen Sudan griff. Schon Ende<lb/>
1883 hatte der König an Gordon Pascha geschrieben (der englische General<lb/>
Charles George Gordon hatte sich in China großen Ruhm erworben, war<lb/>
1873 in die Dienste der ägyptischen Regierung getreten, wurde schon Ende der<lb/>
siebziger Jahre Generalgouvemeur des Sudan und fiel am 26. Januar 1885<lb/>
den Mhadisten in Khartum zum Opfer) und bei ihm angefragt, ob er geneigt<lb/>
wäre, das Bahr el Ghazal dem kongostaatlichen Einfluß zu eröffnen. Gordon<lb/>
schrieb am 6. Januar 1884 darüber an Stanley, der damals in Vivi am<lb/>
Kongo war, und dieser war angeblich ganz entsetzt darüber, daß zu den Kongo¬<lb/>
sorgen auch noch Nilpläne kommen sollten. Aber Stanley selber hat im Mai<lb/>
1888, als er mit Emin Pascha am Albertsee zusammentraf, diesem den Vor¬<lb/>
schlag gemacht, in die Dienste des Königs der Belgier zu treten. Nach seinem<lb/>
eigenen Bericht (Im dunkelsten Afrika, Teil I) sagte er ihm:</p><lb/>
          <quote> &#x201E;Nun, mein zweiter Vorschlag an Sie kommt von Leopold, dem<lb/>
König der Belgier. Er hat mich ersucht, Ihnen mitzuteilen, daß, um<lb/>
das Zurücksinken der Äquatorialprovinzen in die Barbarei zu verhindern<lb/>
und vorausgesetzt, daß dieselben verhältnismäßige Einkünfte zu liefern<lb/>
vermögen, der Kongostaat die Regierung derselben vielleicht übernehmen<lb/>
könnte, wenn dies mit einem Aufwande von 10 000 bis 12 000 Pfund<lb/>
Sterling im Jahre möglich wäre; und ferner, daß Se. Majestät König<lb/>
Leopold in der Meinung, daß eine derartige Beschäftigung Ihrer eigenen<lb/>
Neigung entsprechen dürfte, gewillt ist, Ihnen ein genügendes Gehalt &#x2014;<lb/>
1500 Pfund Sterling &#x2014; als Gouverneur mit dem Range eines Generals<lb/>
zu zahlen. Ihre Pflicht würde darin bestehen, die Verbindungen zwischen<lb/>
dem Nil und dem Kongo offenzuhalten und sür Gesetz und Ordnung in<lb/>
den Äquatorialprovinzen zu sorgen."</quote><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0405] Leopold der Zweite als erster Vorkämpfer Mitteleuropas deutsche Politik auf und schwenkte durch die Reise des Kaiserpaares in den Orient in leopoldinische Bahnen ein, um sie nicht mehr zu verlassen und um ihrerseits die Führung im Kampfe gegen englische Blockierungspläne zu über¬ nehmen, die um ganz Mitteleuropa einen eisernen Ring legen wollten. Ehe England im Jahre 1832 Ägypten besetzte, verriegelte es ohnehin schon durch seine Stellungen bei Dover und Gibraltar Mittel- und Südosteuropa den Zugang zum freien Meere. Und 1875 gelang es Disraeli, vom ägyptischen Khediven Ismael Pascha für 100 Millionen Franken Suezkanal-Aktien für den englischen Staat anzukaufen und ihm damit einen starken Einfluß auf diese Wasserstraße zu sichern. Im Jahre 1882 folgte dann die Besetzung von Ägypten, dessen Machtbereich sich damals über das ganze Nilgebiet erstreckte, bis zum Äquator nach Süden und nach Westen bis an die Grenzen von Wadai und der Sultanate des Schari-Uvangi. Da kam aber 1883 die Mhadistenbewegung als schwerer Hagelschlag in die englischen Weizenfelder, und nun war es vor allem Leopold der Zweite, der mit schneller Hand nach dem 1884 von den Ungko-Ägyptern aufgegebenen Sudan griff. Schon Ende 1883 hatte der König an Gordon Pascha geschrieben (der englische General Charles George Gordon hatte sich in China großen Ruhm erworben, war 1873 in die Dienste der ägyptischen Regierung getreten, wurde schon Ende der siebziger Jahre Generalgouvemeur des Sudan und fiel am 26. Januar 1885 den Mhadisten in Khartum zum Opfer) und bei ihm angefragt, ob er geneigt wäre, das Bahr el Ghazal dem kongostaatlichen Einfluß zu eröffnen. Gordon schrieb am 6. Januar 1884 darüber an Stanley, der damals in Vivi am Kongo war, und dieser war angeblich ganz entsetzt darüber, daß zu den Kongo¬ sorgen auch noch Nilpläne kommen sollten. Aber Stanley selber hat im Mai 1888, als er mit Emin Pascha am Albertsee zusammentraf, diesem den Vor¬ schlag gemacht, in die Dienste des Königs der Belgier zu treten. Nach seinem eigenen Bericht (Im dunkelsten Afrika, Teil I) sagte er ihm: „Nun, mein zweiter Vorschlag an Sie kommt von Leopold, dem König der Belgier. Er hat mich ersucht, Ihnen mitzuteilen, daß, um das Zurücksinken der Äquatorialprovinzen in die Barbarei zu verhindern und vorausgesetzt, daß dieselben verhältnismäßige Einkünfte zu liefern vermögen, der Kongostaat die Regierung derselben vielleicht übernehmen könnte, wenn dies mit einem Aufwande von 10 000 bis 12 000 Pfund Sterling im Jahre möglich wäre; und ferner, daß Se. Majestät König Leopold in der Meinung, daß eine derartige Beschäftigung Ihrer eigenen Neigung entsprechen dürfte, gewillt ist, Ihnen ein genügendes Gehalt — 1500 Pfund Sterling — als Gouverneur mit dem Range eines Generals zu zahlen. Ihre Pflicht würde darin bestehen, die Verbindungen zwischen dem Nil und dem Kongo offenzuhalten und sür Gesetz und Ordnung in den Äquatorialprovinzen zu sorgen."

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/405
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/405>, abgerufen am 27.07.2024.