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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Eduard von Hartmanns Vorschläge zur lvahlreform

übergroße Einfluß einer Gerousia den politischen Betätigungsdrang einer jüngeren
im Frieden erwachsenen Generation lahmlegen würde. Es müßte also hinzu¬
gesetzt werden, daß die durch Teilnahme an einem Krieg erworbene Zusatz¬
stimme nach fünfundzwanzig Jahren erlischt.)

Von noch höherer Wichtigkeit ist für Hartmann als staatsstützendes Element
die Bildung. Zur Wahlberechtigung gehört ja nach den bisherigen Bestimmungen
schon ein gewisses Mindestmaß an intellektueller Leistung. Der zum Einjäh¬
rigen-Militärdienst berechtigte soll eine Zusatzstimme haben gegenüber dem¬
jenigen, der nur die Volksschulbildung besitzt. Eine weitere Zusatzstimme soll
der Abiturient bekommen, im Ganzen drei Zusatzstimmen jeder, der eine
akademische oder Staats-Prüfung bestanden hat, die nach mindestens drei¬
jährigem Hochschulstudium erfolgte. Hartmann führt näher aus, wie in der
höheren Bildung ein Leistungsunterschied von größter Tragweite eingeschlossen
ist, die dem Staate und dem Volksganzen zugute kommt, wenn auch dieses
Studium zunächst aus privatem Interesse getrieben worden ist. (Die Frage
der Ermöglichung höherer Bildung für den Güterlosen aber Befähigten durch
staatliches Entgegenkommen wird bei diesem Wahlmodus dringende Not¬
wendigkeit sein. Und natürlich ist eine der reinen Bildung gleichwertige
künstlerische wissenschaftliche oder organisatorische Leistung mit den entsprechenden
Zusatzstimmen auszugleichen.)

Als letzte Hauptstütze des Staates nennt Eduard von Hartmann die
Steuerkraft, mit deren Hilfe die Staatsmaschine erst bewegt werden kann.
Je größer die Steuerleistung, umso begründeter ist auch das Interesse an der
Staatserhaltung. Nur muß bei der Wahl die Zufälligkeit der jeweiligen Be¬
völkerungszusammensetzung ausgeschaltet bleiben und lediglich drei Klassen.
Unbemittelte mit keiner auf Grund ihrer Steuerleistung beruhenden Stimme,
Mittelstand mit einer, Wohlhabende mit zwei Stimmen festgesetzt werden. (Die
Sätze, die Eduard von Hartmann annimmt, nämlich Unbemittelte mit weniger
als 1500 Mark, Wohlhabende mit mehr als 6000 Mark Einnahmen, müssen
natürlich nach Maßgabe der Entwicklung in den letzten Jahrezehnten geändert
werden, ohne sie zugunsten des Großkapitalismus allzusehr zu verschieben.)
In weitergehenden Ausführungen wird Gewerbebetrieb und Grundbesitz be¬
rücksichtigt, aber nur so, daß lediglich auf Grund von Reichtum mit Gewerbe¬
betrieb und Grundbesitz auf den Kopf nicht mehr als vier bis fünf Stimmen
kommen können, und dadurch wird jeder plutokratische Charakter eines solchen
Wahlgesetzes glücklich vermieden.

Der Stimmenzuwachs durch Reichtum beträgt also höchstens vier, der
durch militärische Leistungen (nach Maßgabe der drei Kriege 1864, 1866,
1870/71) ebenfalls vier, der durch Bildung drei, der durch Alter zwei, der durch
Familie erworbene ist nur begrenzt nach der Kopfzahl der Familienmitglieder.
Auch der Unbemittelte bleibt also nur dann auf seine Urstimme beschränkt,
wenn er ein ungebildeter Junggeselle (kein Analphabet) unter fünfundreißig


Eduard von Hartmanns Vorschläge zur lvahlreform

übergroße Einfluß einer Gerousia den politischen Betätigungsdrang einer jüngeren
im Frieden erwachsenen Generation lahmlegen würde. Es müßte also hinzu¬
gesetzt werden, daß die durch Teilnahme an einem Krieg erworbene Zusatz¬
stimme nach fünfundzwanzig Jahren erlischt.)

Von noch höherer Wichtigkeit ist für Hartmann als staatsstützendes Element
die Bildung. Zur Wahlberechtigung gehört ja nach den bisherigen Bestimmungen
schon ein gewisses Mindestmaß an intellektueller Leistung. Der zum Einjäh¬
rigen-Militärdienst berechtigte soll eine Zusatzstimme haben gegenüber dem¬
jenigen, der nur die Volksschulbildung besitzt. Eine weitere Zusatzstimme soll
der Abiturient bekommen, im Ganzen drei Zusatzstimmen jeder, der eine
akademische oder Staats-Prüfung bestanden hat, die nach mindestens drei¬
jährigem Hochschulstudium erfolgte. Hartmann führt näher aus, wie in der
höheren Bildung ein Leistungsunterschied von größter Tragweite eingeschlossen
ist, die dem Staate und dem Volksganzen zugute kommt, wenn auch dieses
Studium zunächst aus privatem Interesse getrieben worden ist. (Die Frage
der Ermöglichung höherer Bildung für den Güterlosen aber Befähigten durch
staatliches Entgegenkommen wird bei diesem Wahlmodus dringende Not¬
wendigkeit sein. Und natürlich ist eine der reinen Bildung gleichwertige
künstlerische wissenschaftliche oder organisatorische Leistung mit den entsprechenden
Zusatzstimmen auszugleichen.)

Als letzte Hauptstütze des Staates nennt Eduard von Hartmann die
Steuerkraft, mit deren Hilfe die Staatsmaschine erst bewegt werden kann.
Je größer die Steuerleistung, umso begründeter ist auch das Interesse an der
Staatserhaltung. Nur muß bei der Wahl die Zufälligkeit der jeweiligen Be¬
völkerungszusammensetzung ausgeschaltet bleiben und lediglich drei Klassen.
Unbemittelte mit keiner auf Grund ihrer Steuerleistung beruhenden Stimme,
Mittelstand mit einer, Wohlhabende mit zwei Stimmen festgesetzt werden. (Die
Sätze, die Eduard von Hartmann annimmt, nämlich Unbemittelte mit weniger
als 1500 Mark, Wohlhabende mit mehr als 6000 Mark Einnahmen, müssen
natürlich nach Maßgabe der Entwicklung in den letzten Jahrezehnten geändert
werden, ohne sie zugunsten des Großkapitalismus allzusehr zu verschieben.)
In weitergehenden Ausführungen wird Gewerbebetrieb und Grundbesitz be¬
rücksichtigt, aber nur so, daß lediglich auf Grund von Reichtum mit Gewerbe¬
betrieb und Grundbesitz auf den Kopf nicht mehr als vier bis fünf Stimmen
kommen können, und dadurch wird jeder plutokratische Charakter eines solchen
Wahlgesetzes glücklich vermieden.

Der Stimmenzuwachs durch Reichtum beträgt also höchstens vier, der
durch militärische Leistungen (nach Maßgabe der drei Kriege 1864, 1866,
1870/71) ebenfalls vier, der durch Bildung drei, der durch Alter zwei, der durch
Familie erworbene ist nur begrenzt nach der Kopfzahl der Familienmitglieder.
Auch der Unbemittelte bleibt also nur dann auf seine Urstimme beschränkt,
wenn er ein ungebildeter Junggeselle (kein Analphabet) unter fünfundreißig


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[0345] Eduard von Hartmanns Vorschläge zur lvahlreform übergroße Einfluß einer Gerousia den politischen Betätigungsdrang einer jüngeren im Frieden erwachsenen Generation lahmlegen würde. Es müßte also hinzu¬ gesetzt werden, daß die durch Teilnahme an einem Krieg erworbene Zusatz¬ stimme nach fünfundzwanzig Jahren erlischt.) Von noch höherer Wichtigkeit ist für Hartmann als staatsstützendes Element die Bildung. Zur Wahlberechtigung gehört ja nach den bisherigen Bestimmungen schon ein gewisses Mindestmaß an intellektueller Leistung. Der zum Einjäh¬ rigen-Militärdienst berechtigte soll eine Zusatzstimme haben gegenüber dem¬ jenigen, der nur die Volksschulbildung besitzt. Eine weitere Zusatzstimme soll der Abiturient bekommen, im Ganzen drei Zusatzstimmen jeder, der eine akademische oder Staats-Prüfung bestanden hat, die nach mindestens drei¬ jährigem Hochschulstudium erfolgte. Hartmann führt näher aus, wie in der höheren Bildung ein Leistungsunterschied von größter Tragweite eingeschlossen ist, die dem Staate und dem Volksganzen zugute kommt, wenn auch dieses Studium zunächst aus privatem Interesse getrieben worden ist. (Die Frage der Ermöglichung höherer Bildung für den Güterlosen aber Befähigten durch staatliches Entgegenkommen wird bei diesem Wahlmodus dringende Not¬ wendigkeit sein. Und natürlich ist eine der reinen Bildung gleichwertige künstlerische wissenschaftliche oder organisatorische Leistung mit den entsprechenden Zusatzstimmen auszugleichen.) Als letzte Hauptstütze des Staates nennt Eduard von Hartmann die Steuerkraft, mit deren Hilfe die Staatsmaschine erst bewegt werden kann. Je größer die Steuerleistung, umso begründeter ist auch das Interesse an der Staatserhaltung. Nur muß bei der Wahl die Zufälligkeit der jeweiligen Be¬ völkerungszusammensetzung ausgeschaltet bleiben und lediglich drei Klassen. Unbemittelte mit keiner auf Grund ihrer Steuerleistung beruhenden Stimme, Mittelstand mit einer, Wohlhabende mit zwei Stimmen festgesetzt werden. (Die Sätze, die Eduard von Hartmann annimmt, nämlich Unbemittelte mit weniger als 1500 Mark, Wohlhabende mit mehr als 6000 Mark Einnahmen, müssen natürlich nach Maßgabe der Entwicklung in den letzten Jahrezehnten geändert werden, ohne sie zugunsten des Großkapitalismus allzusehr zu verschieben.) In weitergehenden Ausführungen wird Gewerbebetrieb und Grundbesitz be¬ rücksichtigt, aber nur so, daß lediglich auf Grund von Reichtum mit Gewerbe¬ betrieb und Grundbesitz auf den Kopf nicht mehr als vier bis fünf Stimmen kommen können, und dadurch wird jeder plutokratische Charakter eines solchen Wahlgesetzes glücklich vermieden. Der Stimmenzuwachs durch Reichtum beträgt also höchstens vier, der durch militärische Leistungen (nach Maßgabe der drei Kriege 1864, 1866, 1870/71) ebenfalls vier, der durch Bildung drei, der durch Alter zwei, der durch Familie erworbene ist nur begrenzt nach der Kopfzahl der Familienmitglieder. Auch der Unbemittelte bleibt also nur dann auf seine Urstimme beschränkt, wenn er ein ungebildeter Junggeselle (kein Analphabet) unter fünfundreißig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/345>, abgerufen am 01.09.2024.