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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Der englische Handelskrieg

Vorteil gereiche. Jetzt erläßt das Handelsministerium selbständig die Verfügung,
durch welche einem Unternehmen auf englischem Boden der Geschäftsbetrieb nur
unter Bedingungen gestattet, ganz untersagt oder dasselbe aufgelöst werden
kann. Voraussetzung ist, daß die Inhaber oder Teilhaber der Firma feind¬
liche Staatsangehörige sind oder in Verbindung mit Feinden stehen oder daß
der Betrieb hauptsächlich zu Gunsten oder unter Kontrolle feindlicher Staats¬
angehöriger geführt wird. Die Verfügung soll offenbar die Regel bilden und
nur unterlassen werden, wenn es "aus besonderem Grunde unangebracht er¬
scheint". Zur Durchführung der Verfügung ernennt das Handelsministerium
einen Kontrolleur, der etwa die Stellung unseres Zwangsverwalters hat, dem
aber unter Umständen auch nur eine einfache Überwachung obliegt. Erstreckt
sich seine Vollmacht bis zur Liquidation des Unternehmens, oder werden sonst
bei der Verwaltung Gelder frei, dann sind diese zu verteilen. Hierbei werden
zunächst die Kosten der Verwaltung gedeckt, dann die bevorrechtigten Forde¬
rungen, es folgen die Ansprüche nicht feindlicher Gläubiger, in letzter Reihe
diejenigen feindlicher Gläubiger. Liegt Geschäftsmasse des Unternehmens in
Feindesland, dann soll dieses abgeschätzt und bei der Liquidation in der Weise
berücksichtigt werden, daß die Forderungen der im feindlichen Auslande wohn¬
haften Gläubiger dadurch als befriedigt gelten. Mit der Verfügung des
Handelsministeriums ist das Vermögen der betroffenen Firma der Beschlagnahme
privater Gläubiger entzogen.

Der zweite Abschnitt bringt eine für englische Verhältnisse ganz ungewöhn¬
liche Erweiterung der Zuständigkeit des Handelsministeriums. Es kann nämlich
private Verträge, die vor oder während des Krieges mit feindlichen Ausländern
oder Staatsangehörigen oder einer nach Abschnitt I kontrollierten Firma ge¬
schlossen sind, aufheben oder auf die ihm angebracht erscheinenden Bedingungen
beschränken. Die einzige Voraussetzung ist, daß der Vertrag is mjurious to
tke public mtereLt, dem öffentlichen Interesse zuwiderläuft. Auch damit ist
die richterliche Zuständigkeit des ttiAli Lourt, der nach einem Gesetz vom
16. März 1915 immerhin noch in einem geordneten Verfahren und nach all¬
gemeinen Rechtsgrundsätzen über die Wirksamkeit vor dem Kriege abgeschlossener
Verträge zu urteilen berufen ist, stark eingeschränkt worden.

Aus den folgenden Bestimmungen ist hervorzuheben, daß jetzt auch das
private Eigentum der in England wohnhaften feindlichen Staatsangehörigen
angegriffen wird. Bisher richtete sich die staatliche Beschlagnahme in der
Hauptsache nur gegen das Vermögen der im feindlichen Auslande wohnhaften
Personen. Jetzt ist jeder feindliche Staatsangehörige in England verpflichtet,
sein Vermögen über 50 Pfund anzumelden. Das Handelsministerium kann
das Vermögen derselben oder überhaupt feindlicher Ausländer je nach Ermessen
dem Verwahrer feindlichen Eigentums überweisen. An diese schon durch frühere
Gesetze geschaffene Behörde waren bisher nur gewisse für feindliche Ausländer
bestimmte Vermögenswerte abzuführen. Jetzt erhält sie grundsätzlich die Ver-


Der englische Handelskrieg

Vorteil gereiche. Jetzt erläßt das Handelsministerium selbständig die Verfügung,
durch welche einem Unternehmen auf englischem Boden der Geschäftsbetrieb nur
unter Bedingungen gestattet, ganz untersagt oder dasselbe aufgelöst werden
kann. Voraussetzung ist, daß die Inhaber oder Teilhaber der Firma feind¬
liche Staatsangehörige sind oder in Verbindung mit Feinden stehen oder daß
der Betrieb hauptsächlich zu Gunsten oder unter Kontrolle feindlicher Staats¬
angehöriger geführt wird. Die Verfügung soll offenbar die Regel bilden und
nur unterlassen werden, wenn es „aus besonderem Grunde unangebracht er¬
scheint". Zur Durchführung der Verfügung ernennt das Handelsministerium
einen Kontrolleur, der etwa die Stellung unseres Zwangsverwalters hat, dem
aber unter Umständen auch nur eine einfache Überwachung obliegt. Erstreckt
sich seine Vollmacht bis zur Liquidation des Unternehmens, oder werden sonst
bei der Verwaltung Gelder frei, dann sind diese zu verteilen. Hierbei werden
zunächst die Kosten der Verwaltung gedeckt, dann die bevorrechtigten Forde¬
rungen, es folgen die Ansprüche nicht feindlicher Gläubiger, in letzter Reihe
diejenigen feindlicher Gläubiger. Liegt Geschäftsmasse des Unternehmens in
Feindesland, dann soll dieses abgeschätzt und bei der Liquidation in der Weise
berücksichtigt werden, daß die Forderungen der im feindlichen Auslande wohn¬
haften Gläubiger dadurch als befriedigt gelten. Mit der Verfügung des
Handelsministeriums ist das Vermögen der betroffenen Firma der Beschlagnahme
privater Gläubiger entzogen.

Der zweite Abschnitt bringt eine für englische Verhältnisse ganz ungewöhn¬
liche Erweiterung der Zuständigkeit des Handelsministeriums. Es kann nämlich
private Verträge, die vor oder während des Krieges mit feindlichen Ausländern
oder Staatsangehörigen oder einer nach Abschnitt I kontrollierten Firma ge¬
schlossen sind, aufheben oder auf die ihm angebracht erscheinenden Bedingungen
beschränken. Die einzige Voraussetzung ist, daß der Vertrag is mjurious to
tke public mtereLt, dem öffentlichen Interesse zuwiderläuft. Auch damit ist
die richterliche Zuständigkeit des ttiAli Lourt, der nach einem Gesetz vom
16. März 1915 immerhin noch in einem geordneten Verfahren und nach all¬
gemeinen Rechtsgrundsätzen über die Wirksamkeit vor dem Kriege abgeschlossener
Verträge zu urteilen berufen ist, stark eingeschränkt worden.

Aus den folgenden Bestimmungen ist hervorzuheben, daß jetzt auch das
private Eigentum der in England wohnhaften feindlichen Staatsangehörigen
angegriffen wird. Bisher richtete sich die staatliche Beschlagnahme in der
Hauptsache nur gegen das Vermögen der im feindlichen Auslande wohnhaften
Personen. Jetzt ist jeder feindliche Staatsangehörige in England verpflichtet,
sein Vermögen über 50 Pfund anzumelden. Das Handelsministerium kann
das Vermögen derselben oder überhaupt feindlicher Ausländer je nach Ermessen
dem Verwahrer feindlichen Eigentums überweisen. An diese schon durch frühere
Gesetze geschaffene Behörde waren bisher nur gewisse für feindliche Ausländer
bestimmte Vermögenswerte abzuführen. Jetzt erhält sie grundsätzlich die Ver-


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[0272] Der englische Handelskrieg Vorteil gereiche. Jetzt erläßt das Handelsministerium selbständig die Verfügung, durch welche einem Unternehmen auf englischem Boden der Geschäftsbetrieb nur unter Bedingungen gestattet, ganz untersagt oder dasselbe aufgelöst werden kann. Voraussetzung ist, daß die Inhaber oder Teilhaber der Firma feind¬ liche Staatsangehörige sind oder in Verbindung mit Feinden stehen oder daß der Betrieb hauptsächlich zu Gunsten oder unter Kontrolle feindlicher Staats¬ angehöriger geführt wird. Die Verfügung soll offenbar die Regel bilden und nur unterlassen werden, wenn es „aus besonderem Grunde unangebracht er¬ scheint". Zur Durchführung der Verfügung ernennt das Handelsministerium einen Kontrolleur, der etwa die Stellung unseres Zwangsverwalters hat, dem aber unter Umständen auch nur eine einfache Überwachung obliegt. Erstreckt sich seine Vollmacht bis zur Liquidation des Unternehmens, oder werden sonst bei der Verwaltung Gelder frei, dann sind diese zu verteilen. Hierbei werden zunächst die Kosten der Verwaltung gedeckt, dann die bevorrechtigten Forde¬ rungen, es folgen die Ansprüche nicht feindlicher Gläubiger, in letzter Reihe diejenigen feindlicher Gläubiger. Liegt Geschäftsmasse des Unternehmens in Feindesland, dann soll dieses abgeschätzt und bei der Liquidation in der Weise berücksichtigt werden, daß die Forderungen der im feindlichen Auslande wohn¬ haften Gläubiger dadurch als befriedigt gelten. Mit der Verfügung des Handelsministeriums ist das Vermögen der betroffenen Firma der Beschlagnahme privater Gläubiger entzogen. Der zweite Abschnitt bringt eine für englische Verhältnisse ganz ungewöhn¬ liche Erweiterung der Zuständigkeit des Handelsministeriums. Es kann nämlich private Verträge, die vor oder während des Krieges mit feindlichen Ausländern oder Staatsangehörigen oder einer nach Abschnitt I kontrollierten Firma ge¬ schlossen sind, aufheben oder auf die ihm angebracht erscheinenden Bedingungen beschränken. Die einzige Voraussetzung ist, daß der Vertrag is mjurious to tke public mtereLt, dem öffentlichen Interesse zuwiderläuft. Auch damit ist die richterliche Zuständigkeit des ttiAli Lourt, der nach einem Gesetz vom 16. März 1915 immerhin noch in einem geordneten Verfahren und nach all¬ gemeinen Rechtsgrundsätzen über die Wirksamkeit vor dem Kriege abgeschlossener Verträge zu urteilen berufen ist, stark eingeschränkt worden. Aus den folgenden Bestimmungen ist hervorzuheben, daß jetzt auch das private Eigentum der in England wohnhaften feindlichen Staatsangehörigen angegriffen wird. Bisher richtete sich die staatliche Beschlagnahme in der Hauptsache nur gegen das Vermögen der im feindlichen Auslande wohnhaften Personen. Jetzt ist jeder feindliche Staatsangehörige in England verpflichtet, sein Vermögen über 50 Pfund anzumelden. Das Handelsministerium kann das Vermögen derselben oder überhaupt feindlicher Ausländer je nach Ermessen dem Verwahrer feindlichen Eigentums überweisen. An diese schon durch frühere Gesetze geschaffene Behörde waren bisher nur gewisse für feindliche Ausländer bestimmte Vermögenswerte abzuführen. Jetzt erhält sie grundsätzlich die Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/272>, abgerufen am 27.07.2024.