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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Ein Sonderausschuß für die Linanzreform

40 Milliarden Kriegskosten bereits bewilligt sind, und nach amtlicher Mitteilung
jeder Monat 2 Milliarden Kosten verursacht, da die zur Versorgung der In¬
validen, der Witwen und Waisen erforderliche Summe auf annähernd 30 Mil¬
liarden zu veranschlagen ist, so wird man bei Berücksichtigung der weiteren
Ausgaben für die Marine, für Ostpreußen und das Elsaß mit einem Gesamt¬
betrage von 80 Milliarden rechnen müssen. Diese Schuld erfordert, wenn man
von ihrer Tilgung vorläufig absieht, ungefähr 4 Milliarden jährlich an Zinsen.
Die Deckung der Zinsen ist die Aufgabe, die vor uns liegt, vor deren Not¬
wendigkeit und Dringlichkeit man die Augen nicht verschließen darf. Angesichts
der Schwierigkeit der Aufgabe, ein Gesetzgebungswerk von so unerhörtem Um¬
fange ohne Verzug auszuführen, erscheint es doppelt wünschenswert, die Arbeit
nach Möglichkeit zu vereinfachen und jede Verschwendung von Kraft und Zeit zu
vermeiden. Vielleicht empfiehlt es sich, wenn zu dem Zweck Regierung und
Reichstag nicht erst dann miteinander in Verbindung treten, nachdem ein
ganzes Bündel Gesetzentwürfe fertiggestellt sind, sondern bevor sie fertiggestellt
werden. Die Verbindung ließe sich durch die Einsetzung eines ständigen
Ausschusses bewerkstelligen, wie er gegenwärtig für Finanzfragen besteht, sei
es in der bisherigen oder in einer erhöhten Zahl von Mitgliedern. Die
Vorberatungen in dem Ausschuß würden Gelegenheit geben, mit der Finanz¬
verwaltung des Reiches im voraus eine Verständigung über eine Anzahl
grundsätzlicher Fragen anzubahnen, so daß die nachfolgende Ausarbeitung
im einzelnen von vornherein gegründete Aussicht auf Annahme Hütte. Pläne
andererseits, über die durchaus keine Einigung zu erzielen ist, könnten vor¬
läufig auf sich beruhen. Der so in die Wege geleitete Gedankenaustausch
über alle in Betracht kommenden Fragen würde voraussichtlich auch nach der
Richtung fruchtbar werden, daß die Notwendigkeit der Geldbeschaffung neue
Vorschläge auch von seiten des Ausschusses hervorrufen würde. Nach den Er¬
fahrungen des Lebens läßt sich von gemeinsamer Arbeit für gemeinsame Zwecke
in engerem Kreise ein Ausgleich der Ansichten und eine Annäherung zwischen
Regierung und Volksvertretung erwarten, die den vaterländischen Zwecken nur
förderlich sein kann. Mißtrauen und Feindseligkeit pflegt am ehesten bei gemein¬
samer Arbeit zu schwinden und der Achtung gegnerischer Ansichten Platz zu
machen, wie auch Parteigegensätze zurücktreten, wenn die Notwendigkeit vorliegt,
praktische Arbeit zu leisten. Man sollte meinen, die zu bewältigende gesetz¬
geberische Arbeit müsse abgekürzt, vereinfacht und gefördert -werden, wenn auf
diese oder ähnliche Weise die beiden Mächte in beständiger Fühlung miteinander
bleiben, denen es obliegt, gemeinschaftlich ein so großes Werk von so ein¬
schneidenden Folgen zustande zu bringen.




Ein Sonderausschuß für die Linanzreform

40 Milliarden Kriegskosten bereits bewilligt sind, und nach amtlicher Mitteilung
jeder Monat 2 Milliarden Kosten verursacht, da die zur Versorgung der In¬
validen, der Witwen und Waisen erforderliche Summe auf annähernd 30 Mil¬
liarden zu veranschlagen ist, so wird man bei Berücksichtigung der weiteren
Ausgaben für die Marine, für Ostpreußen und das Elsaß mit einem Gesamt¬
betrage von 80 Milliarden rechnen müssen. Diese Schuld erfordert, wenn man
von ihrer Tilgung vorläufig absieht, ungefähr 4 Milliarden jährlich an Zinsen.
Die Deckung der Zinsen ist die Aufgabe, die vor uns liegt, vor deren Not¬
wendigkeit und Dringlichkeit man die Augen nicht verschließen darf. Angesichts
der Schwierigkeit der Aufgabe, ein Gesetzgebungswerk von so unerhörtem Um¬
fange ohne Verzug auszuführen, erscheint es doppelt wünschenswert, die Arbeit
nach Möglichkeit zu vereinfachen und jede Verschwendung von Kraft und Zeit zu
vermeiden. Vielleicht empfiehlt es sich, wenn zu dem Zweck Regierung und
Reichstag nicht erst dann miteinander in Verbindung treten, nachdem ein
ganzes Bündel Gesetzentwürfe fertiggestellt sind, sondern bevor sie fertiggestellt
werden. Die Verbindung ließe sich durch die Einsetzung eines ständigen
Ausschusses bewerkstelligen, wie er gegenwärtig für Finanzfragen besteht, sei
es in der bisherigen oder in einer erhöhten Zahl von Mitgliedern. Die
Vorberatungen in dem Ausschuß würden Gelegenheit geben, mit der Finanz¬
verwaltung des Reiches im voraus eine Verständigung über eine Anzahl
grundsätzlicher Fragen anzubahnen, so daß die nachfolgende Ausarbeitung
im einzelnen von vornherein gegründete Aussicht auf Annahme Hütte. Pläne
andererseits, über die durchaus keine Einigung zu erzielen ist, könnten vor¬
läufig auf sich beruhen. Der so in die Wege geleitete Gedankenaustausch
über alle in Betracht kommenden Fragen würde voraussichtlich auch nach der
Richtung fruchtbar werden, daß die Notwendigkeit der Geldbeschaffung neue
Vorschläge auch von seiten des Ausschusses hervorrufen würde. Nach den Er¬
fahrungen des Lebens läßt sich von gemeinsamer Arbeit für gemeinsame Zwecke
in engerem Kreise ein Ausgleich der Ansichten und eine Annäherung zwischen
Regierung und Volksvertretung erwarten, die den vaterländischen Zwecken nur
förderlich sein kann. Mißtrauen und Feindseligkeit pflegt am ehesten bei gemein¬
samer Arbeit zu schwinden und der Achtung gegnerischer Ansichten Platz zu
machen, wie auch Parteigegensätze zurücktreten, wenn die Notwendigkeit vorliegt,
praktische Arbeit zu leisten. Man sollte meinen, die zu bewältigende gesetz¬
geberische Arbeit müsse abgekürzt, vereinfacht und gefördert -werden, wenn auf
diese oder ähnliche Weise die beiden Mächte in beständiger Fühlung miteinander
bleiben, denen es obliegt, gemeinschaftlich ein so großes Werk von so ein¬
schneidenden Folgen zustande zu bringen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/270>, abgerufen am 27.07.2024.