Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Judentum auf dem Wiener Kongreß

und der Levante unterhielt und auch an den Anleihen der österreichischen Re¬
gierung teilnahm; der diplomatische Charakter, den der Baron Nathan Adam
von Arnstein als schwedischer Generalkonsul trug, war solchem Glänze natürlich
noch besonders förderlich. Seine Gattin Franziska, von den Freunden des
Hauses kurzweg "die Fanny" genannt, und ihre Schwester, Frau Cäcilie
von Eskeles, waren Töchter des reichen Berliner Hofbankiers von Jtzig. Franziska
von Arnstein, geboren 1753. konnte zur Zeit des Kongresses natürlich nicht
mehr als Schönheit gelten, war aber als junge Frau in hohem Grade lieb¬
reizend gewesen und in ihrer neuen österreichischen Heimat schnell weithin bekannt
geworden durch ein Duell, das ihretwegen -- ob völlig ohne ihre Schuld, steht
dahin -- zwischen einem Baron Weichs und dem Fürsten Karl Liechtenstein
stattgefunden hatte mit dem Resultate, daß dieser tödlich verwundet wurde.
Jedenfalls zählte sie, die man wohl mit Frau von Stael verglichen hat, in der
uns beschäftigenden Periode zu den geistvollsten und interessantesten Frauen
Wiens; Verstand, Bildung, Takt wie Herzensgüte -- sie wird als ausnehmend
mildtätig geschildert -- zeichneten sie in hohem Grade aus, und der Salon der
liebenswürdigen, lebensprühenden Dame wurde denn auch bald ein Sammelplatz
der bedeutendsten Männer.

"Wohltätig, reizend, klug und ohne jene Mängel, die sonst als Gegengift
der Schönheit Abbruch tun" -- so schildert sie uns der Dichter Alxinger, und
in der Tat brachte sie im Verein mit Cäcilie von Eskeles und ihrer Nichte,
der klugen Berliner Jüdin Fräulein Marianne Saaling, viel geistige Anregung
nach Wien. Lebhaft und impulsiv, wie sie war, wird Franziska von Arnstein
in einem Polizeiberichte allerdings als "bavaräe" bezeichnet; sie scheint eben
-i" echtes Berliner Kind und demnach "gut zu Fuß unter der Nase" gewesen
zu sein. Ihre stark ausgeprägte preußische Gesinnung zeigte sie auch durch
glühenden Franzosenhaß und die schrankenlose Gastfreundschaft, die sie ihren
Landsleuten von der Spree erwies, soweit solche zum Kongreß gekommen waren;
mittags wie abends sah sie Berliner gern an ihrer Tafel, und mit Stolz
pflegte sie auch anderen Diplomaten gegenüber sehr energisch darauf hinzuweisen,
saß Preußen seine Fehler durch wahre Wundertäter und unverkennbare Hingabe
sür Deutschlands Rettung getilgt habe. Sie gab sich überhaupt völlig als
deutsch-nationale Frau.

Nicht zu leugnen ist freilich, daß die Geselligkeit bei Arnsteins einen leichten
Anflug von Parvenütum aufwies; war der Salon der Frau Fanny doch der
erste jüdische Wiens, in dem sich auch die beste Gesellschaft bewegte. Varnhagen
von Ense, der in einer früheren Periode seiner Bekanntschaft mit Franziska --
später modifizierte er sein Urteil erheblich -- überhaupt nicht gerade sehr ent¬
zückt von ihr war, schrieb am 7. Januar 1810 aus der Donaustadt an Rahel
Levin, bei Arnsteins werde die Vornehmheit nur durch jeden Abend ächzend
fortgesetzte Anstrengung mühsam erhalten, und alles zittere, wenn eine Gräfin
auf dem Sofa und eine Fürstin auf dem Stuhle sitze. Und gestützt wird


Das Judentum auf dem Wiener Kongreß

und der Levante unterhielt und auch an den Anleihen der österreichischen Re¬
gierung teilnahm; der diplomatische Charakter, den der Baron Nathan Adam
von Arnstein als schwedischer Generalkonsul trug, war solchem Glänze natürlich
noch besonders förderlich. Seine Gattin Franziska, von den Freunden des
Hauses kurzweg „die Fanny" genannt, und ihre Schwester, Frau Cäcilie
von Eskeles, waren Töchter des reichen Berliner Hofbankiers von Jtzig. Franziska
von Arnstein, geboren 1753. konnte zur Zeit des Kongresses natürlich nicht
mehr als Schönheit gelten, war aber als junge Frau in hohem Grade lieb¬
reizend gewesen und in ihrer neuen österreichischen Heimat schnell weithin bekannt
geworden durch ein Duell, das ihretwegen — ob völlig ohne ihre Schuld, steht
dahin — zwischen einem Baron Weichs und dem Fürsten Karl Liechtenstein
stattgefunden hatte mit dem Resultate, daß dieser tödlich verwundet wurde.
Jedenfalls zählte sie, die man wohl mit Frau von Stael verglichen hat, in der
uns beschäftigenden Periode zu den geistvollsten und interessantesten Frauen
Wiens; Verstand, Bildung, Takt wie Herzensgüte — sie wird als ausnehmend
mildtätig geschildert — zeichneten sie in hohem Grade aus, und der Salon der
liebenswürdigen, lebensprühenden Dame wurde denn auch bald ein Sammelplatz
der bedeutendsten Männer.

„Wohltätig, reizend, klug und ohne jene Mängel, die sonst als Gegengift
der Schönheit Abbruch tun" — so schildert sie uns der Dichter Alxinger, und
in der Tat brachte sie im Verein mit Cäcilie von Eskeles und ihrer Nichte,
der klugen Berliner Jüdin Fräulein Marianne Saaling, viel geistige Anregung
nach Wien. Lebhaft und impulsiv, wie sie war, wird Franziska von Arnstein
in einem Polizeiberichte allerdings als „bavaräe" bezeichnet; sie scheint eben
-i« echtes Berliner Kind und demnach „gut zu Fuß unter der Nase" gewesen
zu sein. Ihre stark ausgeprägte preußische Gesinnung zeigte sie auch durch
glühenden Franzosenhaß und die schrankenlose Gastfreundschaft, die sie ihren
Landsleuten von der Spree erwies, soweit solche zum Kongreß gekommen waren;
mittags wie abends sah sie Berliner gern an ihrer Tafel, und mit Stolz
pflegte sie auch anderen Diplomaten gegenüber sehr energisch darauf hinzuweisen,
saß Preußen seine Fehler durch wahre Wundertäter und unverkennbare Hingabe
sür Deutschlands Rettung getilgt habe. Sie gab sich überhaupt völlig als
deutsch-nationale Frau.

Nicht zu leugnen ist freilich, daß die Geselligkeit bei Arnsteins einen leichten
Anflug von Parvenütum aufwies; war der Salon der Frau Fanny doch der
erste jüdische Wiens, in dem sich auch die beste Gesellschaft bewegte. Varnhagen
von Ense, der in einer früheren Periode seiner Bekanntschaft mit Franziska —
später modifizierte er sein Urteil erheblich — überhaupt nicht gerade sehr ent¬
zückt von ihr war, schrieb am 7. Januar 1810 aus der Donaustadt an Rahel
Levin, bei Arnsteins werde die Vornehmheit nur durch jeden Abend ächzend
fortgesetzte Anstrengung mühsam erhalten, und alles zittere, wenn eine Gräfin
auf dem Sofa und eine Fürstin auf dem Stuhle sitze. Und gestützt wird


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0163" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/330263"/>
          <fw type="header" place="top"> Das Judentum auf dem Wiener Kongreß</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_556" prev="#ID_555"> und der Levante unterhielt und auch an den Anleihen der österreichischen Re¬<lb/>
gierung teilnahm; der diplomatische Charakter, den der Baron Nathan Adam<lb/>
von Arnstein als schwedischer Generalkonsul trug, war solchem Glänze natürlich<lb/>
noch besonders förderlich. Seine Gattin Franziska, von den Freunden des<lb/>
Hauses kurzweg &#x201E;die Fanny" genannt, und ihre Schwester, Frau Cäcilie<lb/>
von Eskeles, waren Töchter des reichen Berliner Hofbankiers von Jtzig. Franziska<lb/>
von Arnstein, geboren 1753. konnte zur Zeit des Kongresses natürlich nicht<lb/>
mehr als Schönheit gelten, war aber als junge Frau in hohem Grade lieb¬<lb/>
reizend gewesen und in ihrer neuen österreichischen Heimat schnell weithin bekannt<lb/>
geworden durch ein Duell, das ihretwegen &#x2014; ob völlig ohne ihre Schuld, steht<lb/>
dahin &#x2014; zwischen einem Baron Weichs und dem Fürsten Karl Liechtenstein<lb/>
stattgefunden hatte mit dem Resultate, daß dieser tödlich verwundet wurde.<lb/>
Jedenfalls zählte sie, die man wohl mit Frau von Stael verglichen hat, in der<lb/>
uns beschäftigenden Periode zu den geistvollsten und interessantesten Frauen<lb/>
Wiens; Verstand, Bildung, Takt wie Herzensgüte &#x2014; sie wird als ausnehmend<lb/>
mildtätig geschildert &#x2014; zeichneten sie in hohem Grade aus, und der Salon der<lb/>
liebenswürdigen, lebensprühenden Dame wurde denn auch bald ein Sammelplatz<lb/>
der bedeutendsten Männer.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_557"> &#x201E;Wohltätig, reizend, klug und ohne jene Mängel, die sonst als Gegengift<lb/>
der Schönheit Abbruch tun" &#x2014; so schildert sie uns der Dichter Alxinger, und<lb/>
in der Tat brachte sie im Verein mit Cäcilie von Eskeles und ihrer Nichte,<lb/>
der klugen Berliner Jüdin Fräulein Marianne Saaling, viel geistige Anregung<lb/>
nach Wien. Lebhaft und impulsiv, wie sie war, wird Franziska von Arnstein<lb/>
in einem Polizeiberichte allerdings als &#x201E;bavaräe" bezeichnet; sie scheint eben<lb/>
-i« echtes Berliner Kind und demnach &#x201E;gut zu Fuß unter der Nase" gewesen<lb/>
zu sein. Ihre stark ausgeprägte preußische Gesinnung zeigte sie auch durch<lb/>
glühenden Franzosenhaß und die schrankenlose Gastfreundschaft, die sie ihren<lb/>
Landsleuten von der Spree erwies, soweit solche zum Kongreß gekommen waren;<lb/>
mittags wie abends sah sie Berliner gern an ihrer Tafel, und mit Stolz<lb/>
pflegte sie auch anderen Diplomaten gegenüber sehr energisch darauf hinzuweisen,<lb/>
saß Preußen seine Fehler durch wahre Wundertäter und unverkennbare Hingabe<lb/>
sür Deutschlands Rettung getilgt habe. Sie gab sich überhaupt völlig als<lb/>
deutsch-nationale Frau.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_558" next="#ID_559"> Nicht zu leugnen ist freilich, daß die Geselligkeit bei Arnsteins einen leichten<lb/>
Anflug von Parvenütum aufwies; war der Salon der Frau Fanny doch der<lb/>
erste jüdische Wiens, in dem sich auch die beste Gesellschaft bewegte. Varnhagen<lb/>
von Ense, der in einer früheren Periode seiner Bekanntschaft mit Franziska &#x2014;<lb/>
später modifizierte er sein Urteil erheblich &#x2014; überhaupt nicht gerade sehr ent¬<lb/>
zückt von ihr war, schrieb am 7. Januar 1810 aus der Donaustadt an Rahel<lb/>
Levin, bei Arnsteins werde die Vornehmheit nur durch jeden Abend ächzend<lb/>
fortgesetzte Anstrengung mühsam erhalten, und alles zittere, wenn eine Gräfin<lb/>
auf dem Sofa und eine Fürstin auf dem Stuhle sitze. Und gestützt wird</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0163] Das Judentum auf dem Wiener Kongreß und der Levante unterhielt und auch an den Anleihen der österreichischen Re¬ gierung teilnahm; der diplomatische Charakter, den der Baron Nathan Adam von Arnstein als schwedischer Generalkonsul trug, war solchem Glänze natürlich noch besonders förderlich. Seine Gattin Franziska, von den Freunden des Hauses kurzweg „die Fanny" genannt, und ihre Schwester, Frau Cäcilie von Eskeles, waren Töchter des reichen Berliner Hofbankiers von Jtzig. Franziska von Arnstein, geboren 1753. konnte zur Zeit des Kongresses natürlich nicht mehr als Schönheit gelten, war aber als junge Frau in hohem Grade lieb¬ reizend gewesen und in ihrer neuen österreichischen Heimat schnell weithin bekannt geworden durch ein Duell, das ihretwegen — ob völlig ohne ihre Schuld, steht dahin — zwischen einem Baron Weichs und dem Fürsten Karl Liechtenstein stattgefunden hatte mit dem Resultate, daß dieser tödlich verwundet wurde. Jedenfalls zählte sie, die man wohl mit Frau von Stael verglichen hat, in der uns beschäftigenden Periode zu den geistvollsten und interessantesten Frauen Wiens; Verstand, Bildung, Takt wie Herzensgüte — sie wird als ausnehmend mildtätig geschildert — zeichneten sie in hohem Grade aus, und der Salon der liebenswürdigen, lebensprühenden Dame wurde denn auch bald ein Sammelplatz der bedeutendsten Männer. „Wohltätig, reizend, klug und ohne jene Mängel, die sonst als Gegengift der Schönheit Abbruch tun" — so schildert sie uns der Dichter Alxinger, und in der Tat brachte sie im Verein mit Cäcilie von Eskeles und ihrer Nichte, der klugen Berliner Jüdin Fräulein Marianne Saaling, viel geistige Anregung nach Wien. Lebhaft und impulsiv, wie sie war, wird Franziska von Arnstein in einem Polizeiberichte allerdings als „bavaräe" bezeichnet; sie scheint eben -i« echtes Berliner Kind und demnach „gut zu Fuß unter der Nase" gewesen zu sein. Ihre stark ausgeprägte preußische Gesinnung zeigte sie auch durch glühenden Franzosenhaß und die schrankenlose Gastfreundschaft, die sie ihren Landsleuten von der Spree erwies, soweit solche zum Kongreß gekommen waren; mittags wie abends sah sie Berliner gern an ihrer Tafel, und mit Stolz pflegte sie auch anderen Diplomaten gegenüber sehr energisch darauf hinzuweisen, saß Preußen seine Fehler durch wahre Wundertäter und unverkennbare Hingabe sür Deutschlands Rettung getilgt habe. Sie gab sich überhaupt völlig als deutsch-nationale Frau. Nicht zu leugnen ist freilich, daß die Geselligkeit bei Arnsteins einen leichten Anflug von Parvenütum aufwies; war der Salon der Frau Fanny doch der erste jüdische Wiens, in dem sich auch die beste Gesellschaft bewegte. Varnhagen von Ense, der in einer früheren Periode seiner Bekanntschaft mit Franziska — später modifizierte er sein Urteil erheblich — überhaupt nicht gerade sehr ent¬ zückt von ihr war, schrieb am 7. Januar 1810 aus der Donaustadt an Rahel Levin, bei Arnsteins werde die Vornehmheit nur durch jeden Abend ächzend fortgesetzte Anstrengung mühsam erhalten, und alles zittere, wenn eine Gräfin auf dem Sofa und eine Fürstin auf dem Stuhle sitze. Und gestützt wird

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/163
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/163>, abgerufen am 22.12.2024.