Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.Die Stellung der neutralen Schweiz zu Deutschland im Weltkriege von Professor Dr. Johannes Wendland in Jahr vor dem Ausbruch des Weltkrieges sprach Karl Lamprecht Es ist uns eine Enttäuschung gewesen, daß sich nicht einmal in der Die Stellung der neutralen Schweiz zu Deutschland im Weltkriege von Professor Dr. Johannes Wendland in Jahr vor dem Ausbruch des Weltkrieges sprach Karl Lamprecht Es ist uns eine Enttäuschung gewesen, daß sich nicht einmal in der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0049" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329715"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341903_329665/figures/grenzboten_341903_329665_329715_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die Stellung der neutralen Schweiz zu Deutschland<lb/> im Weltkriege<lb/><note type="byline"> von Professor Dr. Johannes Wendland</note></head><lb/> <p xml:id="ID_102"> in Jahr vor dem Ausbruch des Weltkrieges sprach Karl Lamprecht<lb/> in seiner „Deutschen Geschichte der jüngsten Vergangenheit und<lb/> Gegenwart" Bd. II S. 405 die Hoffnung aus, „daß die Schweiz<lb/> in den politischen Stürmen der Zukunft auf deutscher Seite zu<lb/> finden sein wird". Lamprecht hat damit nicht gemeint, daß die<lb/> Schweiz in Konflikten dem Deutschen Reiche Waffenhilfe leisten solle, wie denn<lb/> auch niemand in dem Weltkriege dies von der Schweiz verlangt hat. Aber<lb/> allerdings auf eine freundliche Anteilnahme des Gemüts hatten wir gehofft.<lb/> Es hätte uns wohlgetan, wenn wir auf Grund der Kulturgemeinschaft mit dem<lb/> durch Sprachverwandtschaft, wirtschaftliche und freundschaftliche Bande verknüpften<lb/> Volk eine unzweideutige Parteinahme für Deutschland erlebt hätten. Unser<lb/> Kampf für die deutsche Kultur sollte alle, die der deutschen Geistesart, ihrer<lb/> gründlichen Forschung, ihrer Gemütstiefe, ihren: sachlichen Ernst, unserer Literatur<lb/> und Dichtung etwas verdanken, zu entschiedener Parteinahme veranlassen. Wir<lb/> hätten uns über eine öffentliche Meinung gefreut, die Deutschland als den<lb/> Angegriffenen erkannte, die die Einkreisungspolitik Englands seit 1902 in ihrer<lb/> den Frieden gefährdenden Bedeutung durchschaute, den französischen Revanche¬<lb/> gedanken als Störer des Friedens ansah und die russische Ausdehnungspolitik<lb/> auf dem Balkan als das letzte zum Krieg führende Moment hinstellte. Ebenso<lb/> hätte uns eine unzweideutige Erklärung wohlgetan, daß die Verwendung farbiger<lb/> Truppen im europäischen Kriege zur Übertretung der humanen Formen der<lb/> Kriegführung führen müsst. Die Hineintragung des europäischen Krieges in<lb/> das Gebiet wilder Völkerschaften in Afrika hätte ebenso scharfe Proteste erfordert<lb/> wie die Beteiligung der belgischen Zivilbevölkerung am Kriege, der von Eng¬<lb/> land unternommene Versuch, ein ganzes Volk auszuhungern, die willkürliche<lb/> Auslegung des Begriffs der bedingten Konterbande durch England, die Lahm¬<lb/> legung des neutralen Handels mit den Zentralmächten, die barbarische Art der<lb/> Kriegführung Rußlands, die Verwüstung Ostpreußens, Galiziens, Polens.</p><lb/> <p xml:id="ID_103" next="#ID_104"> Es ist uns eine Enttäuschung gewesen, daß sich nicht einmal in der<lb/> deutschen Schweiz eine einheitliche öffentliche Meinung über diese Dinge gebildet</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0049]
[Abbildung]
Die Stellung der neutralen Schweiz zu Deutschland
im Weltkriege
von Professor Dr. Johannes Wendland
in Jahr vor dem Ausbruch des Weltkrieges sprach Karl Lamprecht
in seiner „Deutschen Geschichte der jüngsten Vergangenheit und
Gegenwart" Bd. II S. 405 die Hoffnung aus, „daß die Schweiz
in den politischen Stürmen der Zukunft auf deutscher Seite zu
finden sein wird". Lamprecht hat damit nicht gemeint, daß die
Schweiz in Konflikten dem Deutschen Reiche Waffenhilfe leisten solle, wie denn
auch niemand in dem Weltkriege dies von der Schweiz verlangt hat. Aber
allerdings auf eine freundliche Anteilnahme des Gemüts hatten wir gehofft.
Es hätte uns wohlgetan, wenn wir auf Grund der Kulturgemeinschaft mit dem
durch Sprachverwandtschaft, wirtschaftliche und freundschaftliche Bande verknüpften
Volk eine unzweideutige Parteinahme für Deutschland erlebt hätten. Unser
Kampf für die deutsche Kultur sollte alle, die der deutschen Geistesart, ihrer
gründlichen Forschung, ihrer Gemütstiefe, ihren: sachlichen Ernst, unserer Literatur
und Dichtung etwas verdanken, zu entschiedener Parteinahme veranlassen. Wir
hätten uns über eine öffentliche Meinung gefreut, die Deutschland als den
Angegriffenen erkannte, die die Einkreisungspolitik Englands seit 1902 in ihrer
den Frieden gefährdenden Bedeutung durchschaute, den französischen Revanche¬
gedanken als Störer des Friedens ansah und die russische Ausdehnungspolitik
auf dem Balkan als das letzte zum Krieg führende Moment hinstellte. Ebenso
hätte uns eine unzweideutige Erklärung wohlgetan, daß die Verwendung farbiger
Truppen im europäischen Kriege zur Übertretung der humanen Formen der
Kriegführung führen müsst. Die Hineintragung des europäischen Krieges in
das Gebiet wilder Völkerschaften in Afrika hätte ebenso scharfe Proteste erfordert
wie die Beteiligung der belgischen Zivilbevölkerung am Kriege, der von Eng¬
land unternommene Versuch, ein ganzes Volk auszuhungern, die willkürliche
Auslegung des Begriffs der bedingten Konterbande durch England, die Lahm¬
legung des neutralen Handels mit den Zentralmächten, die barbarische Art der
Kriegführung Rußlands, die Verwüstung Ostpreußens, Galiziens, Polens.
Es ist uns eine Enttäuschung gewesen, daß sich nicht einmal in der
deutschen Schweiz eine einheitliche öffentliche Meinung über diese Dinge gebildet
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