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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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vom Rnlturwert des Architcktnrstndiums

für architektonische Dinge lebendig wäre, wenn Stadtvertreter und Kirchenräte
gelernt hätten, sich aus Grund- und Aufriß ein klares Bild des Baues zu machen,
über dessen Aufführung sie zu entscheiden haben. Bis dahin aber mögen sie
sich an den Rat vorurteilsloser, persönlich nicht interessierter, aber sachlich warm
begeisterter Fachleute wie Alfred Wanckel halten, dessen grundgescheites, klar
aufgebautes, von vortrefflichen Grundsätzen ausgehendes Buch über den "Evan¬
gelischen Kirchenbau zu Beginn des 20. Jahrhunderts" (A. Ziemsen Verlag,
Wittenberg 1914) jeder gründlich kennen sollte, der über Errichtung neuer Kirchen
mitzuentscheiden hat. Unter glücklichster Vermeidung alles schematischen erläutert
der Verfasser die Gesichtspunkte zur Aufstellung eines vernünftigen Bauprogramms,
weist an der Hand vorzüglich und gut gewählter Pläne auf Möglichkeiten
künstlerischer Lösungen hin, geht mit Berücksichtigung sowohl kleiner, mittlerer
wie großer Verhältnisse auf alle praktischen Fragen bedächtig, aber ohne jede
Pedanterie ein, gibt nicht genug zu beherzigende Winke zur praktischen und
künstlerischen Ausstattung, zur baulichen Unterhaltung, zur Erneuerung alter
Kirchen, Anlage von Friedhöfen usw. und erleichtert dem Unerfahrenen im
Anhang sogar die geschäftliche Behandlung kirchenbaulicher Aufgaben. Gleich¬
zeitig hat das Werk einen beträchtlichen historischen Wert, indem es an der
Hand zahlreicher guter Abbildungen die viel zu wenig gewürdigten modernen
kirchenbaulichen Bestrebungen klar erkennen läßt, sodaß dem Werk aus vielen
Gründen die weiteste Verbreitung zu wünschen ist. Manchem wird es die
Augen öffnen, manchem längst, aber nur unbestimmt Empfundenes klären, viele
nicht wieder gut zu machende Fehler vermeiden lehren. Wir werden nach
dem Kriege aller Voraussicht nach mit öffentlichen Mitteln haushälterisch um¬
zugehen haben, um so mehr ist es die Pflicht jedes einzelnen, in seinem Kreise
dahin zu wirken, daß sie nur für wirklich Würdiges angewandt werden, damit
wir in Zukunft auch auf künstlerischem Gebiete dieselbe Organisationsfähigkeit
beweisen, die wir jetzt auf militärischem und technischem Gebiet zeigen.




vom Rnlturwert des Architcktnrstndiums

für architektonische Dinge lebendig wäre, wenn Stadtvertreter und Kirchenräte
gelernt hätten, sich aus Grund- und Aufriß ein klares Bild des Baues zu machen,
über dessen Aufführung sie zu entscheiden haben. Bis dahin aber mögen sie
sich an den Rat vorurteilsloser, persönlich nicht interessierter, aber sachlich warm
begeisterter Fachleute wie Alfred Wanckel halten, dessen grundgescheites, klar
aufgebautes, von vortrefflichen Grundsätzen ausgehendes Buch über den „Evan¬
gelischen Kirchenbau zu Beginn des 20. Jahrhunderts" (A. Ziemsen Verlag,
Wittenberg 1914) jeder gründlich kennen sollte, der über Errichtung neuer Kirchen
mitzuentscheiden hat. Unter glücklichster Vermeidung alles schematischen erläutert
der Verfasser die Gesichtspunkte zur Aufstellung eines vernünftigen Bauprogramms,
weist an der Hand vorzüglich und gut gewählter Pläne auf Möglichkeiten
künstlerischer Lösungen hin, geht mit Berücksichtigung sowohl kleiner, mittlerer
wie großer Verhältnisse auf alle praktischen Fragen bedächtig, aber ohne jede
Pedanterie ein, gibt nicht genug zu beherzigende Winke zur praktischen und
künstlerischen Ausstattung, zur baulichen Unterhaltung, zur Erneuerung alter
Kirchen, Anlage von Friedhöfen usw. und erleichtert dem Unerfahrenen im
Anhang sogar die geschäftliche Behandlung kirchenbaulicher Aufgaben. Gleich¬
zeitig hat das Werk einen beträchtlichen historischen Wert, indem es an der
Hand zahlreicher guter Abbildungen die viel zu wenig gewürdigten modernen
kirchenbaulichen Bestrebungen klar erkennen läßt, sodaß dem Werk aus vielen
Gründen die weiteste Verbreitung zu wünschen ist. Manchem wird es die
Augen öffnen, manchem längst, aber nur unbestimmt Empfundenes klären, viele
nicht wieder gut zu machende Fehler vermeiden lehren. Wir werden nach
dem Kriege aller Voraussicht nach mit öffentlichen Mitteln haushälterisch um¬
zugehen haben, um so mehr ist es die Pflicht jedes einzelnen, in seinem Kreise
dahin zu wirken, daß sie nur für wirklich Würdiges angewandt werden, damit
wir in Zukunft auch auf künstlerischem Gebiete dieselbe Organisationsfähigkeit
beweisen, die wir jetzt auf militärischem und technischem Gebiet zeigen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/425>, abgerufen am 15.01.2025.