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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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Der Wiederaufbau Ostpreußens

Organisationen oder durch Anschluß an bestehende ostdeutsche Verbände für die Be¬
teiligung am Wiederaufbau gerüstet haben. Diese Beteiligung ist auch schließlich im
Interesse Ostpreußens zu wünschen, da nur ein gesunder Wettbewerb und leb¬
haftester Warenaustausch das Gewerbe auf eine wünschenswerte Höhe heben kann.

Jetzt schon bereisen Interessenten aller Art das Land und suchen Verbindungen
anzuknüpfen; bald werden sie. wenn erst einmal der Friede gekommen ist, einen
Strom von Wanderern nach sich in das Land ziehen, das erst eigentlich durch
den Krieg für weitere Kreise in seinen wundersamen vielseitigen Schönheiten
entdeckt worden ist. Und so wird auch dieser Austausch und Verkehr auf die
künftige Entwicklung Ostpreußens von Einfluß sein.

Dieser gegenseitige Austausch auf wirtschaftlichem Gebiete ist aber auch
nur eine Forderung der Billigkeit, da nämlich die Entschädigungssummen, die
jetzt im Wege der Vorentschädigung gezahlt werden, späterhin doch in der einen
oder anderen Form vom Reiche übernommen werden müssen. Durch die Be"
teiligung des übrigen Deutschland würde daher eine angemessene Form gefunden
sein, um etwas von dem aufgewendeten Gelde wieder dahin zurückfließen zu
lassen. Die Gesamtentschädigungssumme wird ja eine bemerkenswerte Höhe
erreichen, da allein der Wert der zerstörten Baulichkeiten auf 300 Millionen Mark
und der Gesamtschaden neuerdings ziemlich zuverläßig auf nahezu 3 Mil¬
liarden Mark geschätzt wird. Daß man sich an den maßgebenden Stellen der
Provinz der großen Verantwortlichkeit gegenüber dem Reiche in der Zumessung
der Entschädigungen bewußt ist :>ut unangemessene Ansprüche mit der nötigen
Schärfe zurückweist, darüber geben uns die Sitzungsberichte der Kriegshilfs¬
kommission erfreulichen Aufschluß.

Überblickt man die schier endlose Reihe von weitgehenden Maßnahmen, so
wird man jeder einzelnen nachrühmen dürfen, daß sie durch ihre Schöpfer mit
neuzeitlichen Geiste erfüllt worden ist. Es gibt kaum ein modernes Staats- und
verwaltungstechnisches Problem, dem man nicht mindestens versuchsweise näher
getreten ist. Probleme, die seit langem wohl in der Luft lagen, und von
theoretischen Köpfen nach mehr als einer Seite gedreht worden sind, gewinnen
jetzt unter der Hand ausgezeichneter Männer der Verwaltung in der Anwendung
auf vergrößerte Verhältnisse Gestalt und Leben. Es ist dort nicht vom grünen
Tisch aus beraten worden. Jeden aus der großen Zahl der das Land be¬
suchenden Kommissionen, die Führer politischer Parteien und Verbände, denen
allen der wiedererstehende Landest"! als das günstigste Versuchsfeld für ihre
wirtschaftspolitischen, kulturellen oder sozialen Ideen erschien, hat der um seine
Heimatprovinz hochverdiente Oberpräsident willig gehört, ohne sich in seiner
überragenden Sachkenntnis einseitig einem Parteistandpunkte zu verschreiben.
Und so darf man gerade im Hinblick auf die überkritischen und unzufriedenen
Stimmen, die vereinzelt laut geworden sind, feststellen, daß dort oben eine staats¬
männische Tat größten Stils im Werden ist. Ihre ganze Bedeutung für die
Entwicklung Ostpreußens zu ermessen, ist der Geschichte vorbehalten.




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Der Wiederaufbau Ostpreußens

Organisationen oder durch Anschluß an bestehende ostdeutsche Verbände für die Be¬
teiligung am Wiederaufbau gerüstet haben. Diese Beteiligung ist auch schließlich im
Interesse Ostpreußens zu wünschen, da nur ein gesunder Wettbewerb und leb¬
haftester Warenaustausch das Gewerbe auf eine wünschenswerte Höhe heben kann.

Jetzt schon bereisen Interessenten aller Art das Land und suchen Verbindungen
anzuknüpfen; bald werden sie. wenn erst einmal der Friede gekommen ist, einen
Strom von Wanderern nach sich in das Land ziehen, das erst eigentlich durch
den Krieg für weitere Kreise in seinen wundersamen vielseitigen Schönheiten
entdeckt worden ist. Und so wird auch dieser Austausch und Verkehr auf die
künftige Entwicklung Ostpreußens von Einfluß sein.

Dieser gegenseitige Austausch auf wirtschaftlichem Gebiete ist aber auch
nur eine Forderung der Billigkeit, da nämlich die Entschädigungssummen, die
jetzt im Wege der Vorentschädigung gezahlt werden, späterhin doch in der einen
oder anderen Form vom Reiche übernommen werden müssen. Durch die Be»
teiligung des übrigen Deutschland würde daher eine angemessene Form gefunden
sein, um etwas von dem aufgewendeten Gelde wieder dahin zurückfließen zu
lassen. Die Gesamtentschädigungssumme wird ja eine bemerkenswerte Höhe
erreichen, da allein der Wert der zerstörten Baulichkeiten auf 300 Millionen Mark
und der Gesamtschaden neuerdings ziemlich zuverläßig auf nahezu 3 Mil¬
liarden Mark geschätzt wird. Daß man sich an den maßgebenden Stellen der
Provinz der großen Verantwortlichkeit gegenüber dem Reiche in der Zumessung
der Entschädigungen bewußt ist :>ut unangemessene Ansprüche mit der nötigen
Schärfe zurückweist, darüber geben uns die Sitzungsberichte der Kriegshilfs¬
kommission erfreulichen Aufschluß.

Überblickt man die schier endlose Reihe von weitgehenden Maßnahmen, so
wird man jeder einzelnen nachrühmen dürfen, daß sie durch ihre Schöpfer mit
neuzeitlichen Geiste erfüllt worden ist. Es gibt kaum ein modernes Staats- und
verwaltungstechnisches Problem, dem man nicht mindestens versuchsweise näher
getreten ist. Probleme, die seit langem wohl in der Luft lagen, und von
theoretischen Köpfen nach mehr als einer Seite gedreht worden sind, gewinnen
jetzt unter der Hand ausgezeichneter Männer der Verwaltung in der Anwendung
auf vergrößerte Verhältnisse Gestalt und Leben. Es ist dort nicht vom grünen
Tisch aus beraten worden. Jeden aus der großen Zahl der das Land be¬
suchenden Kommissionen, die Führer politischer Parteien und Verbände, denen
allen der wiedererstehende Landest«! als das günstigste Versuchsfeld für ihre
wirtschaftspolitischen, kulturellen oder sozialen Ideen erschien, hat der um seine
Heimatprovinz hochverdiente Oberpräsident willig gehört, ohne sich in seiner
überragenden Sachkenntnis einseitig einem Parteistandpunkte zu verschreiben.
Und so darf man gerade im Hinblick auf die überkritischen und unzufriedenen
Stimmen, die vereinzelt laut geworden sind, feststellen, daß dort oben eine staats¬
männische Tat größten Stils im Werden ist. Ihre ganze Bedeutung für die
Entwicklung Ostpreußens zu ermessen, ist der Geschichte vorbehalten.




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[0415] Der Wiederaufbau Ostpreußens Organisationen oder durch Anschluß an bestehende ostdeutsche Verbände für die Be¬ teiligung am Wiederaufbau gerüstet haben. Diese Beteiligung ist auch schließlich im Interesse Ostpreußens zu wünschen, da nur ein gesunder Wettbewerb und leb¬ haftester Warenaustausch das Gewerbe auf eine wünschenswerte Höhe heben kann. Jetzt schon bereisen Interessenten aller Art das Land und suchen Verbindungen anzuknüpfen; bald werden sie. wenn erst einmal der Friede gekommen ist, einen Strom von Wanderern nach sich in das Land ziehen, das erst eigentlich durch den Krieg für weitere Kreise in seinen wundersamen vielseitigen Schönheiten entdeckt worden ist. Und so wird auch dieser Austausch und Verkehr auf die künftige Entwicklung Ostpreußens von Einfluß sein. Dieser gegenseitige Austausch auf wirtschaftlichem Gebiete ist aber auch nur eine Forderung der Billigkeit, da nämlich die Entschädigungssummen, die jetzt im Wege der Vorentschädigung gezahlt werden, späterhin doch in der einen oder anderen Form vom Reiche übernommen werden müssen. Durch die Be» teiligung des übrigen Deutschland würde daher eine angemessene Form gefunden sein, um etwas von dem aufgewendeten Gelde wieder dahin zurückfließen zu lassen. Die Gesamtentschädigungssumme wird ja eine bemerkenswerte Höhe erreichen, da allein der Wert der zerstörten Baulichkeiten auf 300 Millionen Mark und der Gesamtschaden neuerdings ziemlich zuverläßig auf nahezu 3 Mil¬ liarden Mark geschätzt wird. Daß man sich an den maßgebenden Stellen der Provinz der großen Verantwortlichkeit gegenüber dem Reiche in der Zumessung der Entschädigungen bewußt ist :>ut unangemessene Ansprüche mit der nötigen Schärfe zurückweist, darüber geben uns die Sitzungsberichte der Kriegshilfs¬ kommission erfreulichen Aufschluß. Überblickt man die schier endlose Reihe von weitgehenden Maßnahmen, so wird man jeder einzelnen nachrühmen dürfen, daß sie durch ihre Schöpfer mit neuzeitlichen Geiste erfüllt worden ist. Es gibt kaum ein modernes Staats- und verwaltungstechnisches Problem, dem man nicht mindestens versuchsweise näher getreten ist. Probleme, die seit langem wohl in der Luft lagen, und von theoretischen Köpfen nach mehr als einer Seite gedreht worden sind, gewinnen jetzt unter der Hand ausgezeichneter Männer der Verwaltung in der Anwendung auf vergrößerte Verhältnisse Gestalt und Leben. Es ist dort nicht vom grünen Tisch aus beraten worden. Jeden aus der großen Zahl der das Land be¬ suchenden Kommissionen, die Führer politischer Parteien und Verbände, denen allen der wiedererstehende Landest«! als das günstigste Versuchsfeld für ihre wirtschaftspolitischen, kulturellen oder sozialen Ideen erschien, hat der um seine Heimatprovinz hochverdiente Oberpräsident willig gehört, ohne sich in seiner überragenden Sachkenntnis einseitig einem Parteistandpunkte zu verschreiben. Und so darf man gerade im Hinblick auf die überkritischen und unzufriedenen Stimmen, die vereinzelt laut geworden sind, feststellen, daß dort oben eine staats¬ männische Tat größten Stils im Werden ist. Ihre ganze Bedeutung für die Entwicklung Ostpreußens zu ermessen, ist der Geschichte vorbehalten. 26*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/415>, abgerufen am 15.01.2025.