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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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Die Grientpolitik Friedrichs des Großen

Staat von der alternden, erstarrten Orientmacht trennten, den Sieg zu ver¬
schaffen.

Schon im ersten Jahr seiner Regierung tauchte einmal kurz der Plan auf.
Preußen durch ein Bündnis mit der Türkei gegen Österreich und Rußland zu
sichern. Es war bei der berühmten Beratung zu Rheinsberg, in der Friedrich
sich zum ersten schlesischen Krieg entschloß. Graf Podewils und Feldmarschall
Schwerin rieten damals ihrem jungen König, die Türkei in einen Krieg gegen
Rußland zu Hetzen, um die Moskowiter vor einem Einfall in Preußen zurück¬
zuhalten. Friedrich, auf seine junge Kraft vertrauend, ging aber damals auf
diese Anregung nicht ein.

Auch in den nächsten Jahren verhielt er sich noch kühl und zurückhaltend
gegen den Gedanken einer preußisch-türkischen Allianz und wies alle Gerüchte,
die in Europa damals deshalb umherschwirrten, als ..comte-8 arabe3" und
"grobe infame Calvarien" ärgerlich zurück. Er wollte in jenen Jahren, be¬
sonders nach dem Friedensschluß mit Osterreich, die Kaiserhofe nicht durch eine
türkische Verbindung reizen und vermied deshalb ängstlich, durch irgendeine
Handlung Anlaß zu Argwohn und zu neuen Konflikten zu geben. Deshalb
lehnte er auch in jener Zeit (1747/48) ein Angebot der Türkei selber, mit ihr
einen Handels-, ja sogar formellen Allianzvertrag zu schließen, energisch, wenn
auch höflich, ab. und war nur dazu zu bewegen, "gute Freundschaft" mit ihr
zu unterhalten.

Die Pforte war bei ihrem Anerbieten damals einer Anregung des franzö¬
sischen Renegaten. Bonnevals, gefolgt, eines interessanten Abenteurers, der frühe
die Bedeutung des aufstrebenden Preußenstaates erkannt und in türkischem
Dienste von der Notwendigkeit einer preußisch-türkischen Allianz sich überzeugt hatte.

Doch erst 1749 entstand in Friedrich die eigentliche Idee, in eine engere
Verbindung mit der Pforte zu treten. Es drohte damals ein allgemeiner
nordischer Krieg. Rußland beabsichtigte in Schweden, das ganz unter franzö-
sischem Einfluß stand, die antirussische, mit Friedrich nahe verwandte Krön-
Prinzenfamilie zu vertreiben. Zu diesem Zwecke verständigte sich die Zarin mit
England und Österreich. Dieser neuen Gefahr gegenüber wandte sich Friedrich
sofort an Frankreich, seinem Verbündeten seit 1741, und ging gleichzeitig auf
die Anregung der Versailler Negierung ein. durch die Vermittlung des franzö-
stschen Gesandten in Konstantinopel. Desalleurs. ein Verteidigungsbündnis mit
der Pforte zu schließen. Die Allianz sollte sich ganz allgemein "wider benach¬
barte pui88anne8", von denen man "Feindseligkeiten zu gewärtigen hätte",
richten. Preußen hatte damals noch keinen eigenen Vertreter am Goldenen
Horn. Während Frankreich seit den Tagen Franz des Ersten sich hervor¬
ragenden Einflusses dort erfreute und auch die anderen Mächte, Rußland,
Schweden, Österreich, England und Venedig seit langem bei der Pforte akkreditiert
und mit der verzwickten und komplizierten Politik des Orients vertraut waren,
war Friedrich auf diesem Gebiete vollständig Neuling. Kein Wunder also,


Die Grientpolitik Friedrichs des Großen

Staat von der alternden, erstarrten Orientmacht trennten, den Sieg zu ver¬
schaffen.

Schon im ersten Jahr seiner Regierung tauchte einmal kurz der Plan auf.
Preußen durch ein Bündnis mit der Türkei gegen Österreich und Rußland zu
sichern. Es war bei der berühmten Beratung zu Rheinsberg, in der Friedrich
sich zum ersten schlesischen Krieg entschloß. Graf Podewils und Feldmarschall
Schwerin rieten damals ihrem jungen König, die Türkei in einen Krieg gegen
Rußland zu Hetzen, um die Moskowiter vor einem Einfall in Preußen zurück¬
zuhalten. Friedrich, auf seine junge Kraft vertrauend, ging aber damals auf
diese Anregung nicht ein.

Auch in den nächsten Jahren verhielt er sich noch kühl und zurückhaltend
gegen den Gedanken einer preußisch-türkischen Allianz und wies alle Gerüchte,
die in Europa damals deshalb umherschwirrten, als ..comte-8 arabe3« und
„grobe infame Calvarien" ärgerlich zurück. Er wollte in jenen Jahren, be¬
sonders nach dem Friedensschluß mit Osterreich, die Kaiserhofe nicht durch eine
türkische Verbindung reizen und vermied deshalb ängstlich, durch irgendeine
Handlung Anlaß zu Argwohn und zu neuen Konflikten zu geben. Deshalb
lehnte er auch in jener Zeit (1747/48) ein Angebot der Türkei selber, mit ihr
einen Handels-, ja sogar formellen Allianzvertrag zu schließen, energisch, wenn
auch höflich, ab. und war nur dazu zu bewegen, „gute Freundschaft" mit ihr
zu unterhalten.

Die Pforte war bei ihrem Anerbieten damals einer Anregung des franzö¬
sischen Renegaten. Bonnevals, gefolgt, eines interessanten Abenteurers, der frühe
die Bedeutung des aufstrebenden Preußenstaates erkannt und in türkischem
Dienste von der Notwendigkeit einer preußisch-türkischen Allianz sich überzeugt hatte.

Doch erst 1749 entstand in Friedrich die eigentliche Idee, in eine engere
Verbindung mit der Pforte zu treten. Es drohte damals ein allgemeiner
nordischer Krieg. Rußland beabsichtigte in Schweden, das ganz unter franzö-
sischem Einfluß stand, die antirussische, mit Friedrich nahe verwandte Krön-
Prinzenfamilie zu vertreiben. Zu diesem Zwecke verständigte sich die Zarin mit
England und Österreich. Dieser neuen Gefahr gegenüber wandte sich Friedrich
sofort an Frankreich, seinem Verbündeten seit 1741, und ging gleichzeitig auf
die Anregung der Versailler Negierung ein. durch die Vermittlung des franzö-
stschen Gesandten in Konstantinopel. Desalleurs. ein Verteidigungsbündnis mit
der Pforte zu schließen. Die Allianz sollte sich ganz allgemein „wider benach¬
barte pui88anne8«, von denen man „Feindseligkeiten zu gewärtigen hätte",
richten. Preußen hatte damals noch keinen eigenen Vertreter am Goldenen
Horn. Während Frankreich seit den Tagen Franz des Ersten sich hervor¬
ragenden Einflusses dort erfreute und auch die anderen Mächte, Rußland,
Schweden, Österreich, England und Venedig seit langem bei der Pforte akkreditiert
und mit der verzwickten und komplizierten Politik des Orients vertraut waren,
war Friedrich auf diesem Gebiete vollständig Neuling. Kein Wunder also,


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[0373] Die Grientpolitik Friedrichs des Großen Staat von der alternden, erstarrten Orientmacht trennten, den Sieg zu ver¬ schaffen. Schon im ersten Jahr seiner Regierung tauchte einmal kurz der Plan auf. Preußen durch ein Bündnis mit der Türkei gegen Österreich und Rußland zu sichern. Es war bei der berühmten Beratung zu Rheinsberg, in der Friedrich sich zum ersten schlesischen Krieg entschloß. Graf Podewils und Feldmarschall Schwerin rieten damals ihrem jungen König, die Türkei in einen Krieg gegen Rußland zu Hetzen, um die Moskowiter vor einem Einfall in Preußen zurück¬ zuhalten. Friedrich, auf seine junge Kraft vertrauend, ging aber damals auf diese Anregung nicht ein. Auch in den nächsten Jahren verhielt er sich noch kühl und zurückhaltend gegen den Gedanken einer preußisch-türkischen Allianz und wies alle Gerüchte, die in Europa damals deshalb umherschwirrten, als ..comte-8 arabe3« und „grobe infame Calvarien" ärgerlich zurück. Er wollte in jenen Jahren, be¬ sonders nach dem Friedensschluß mit Osterreich, die Kaiserhofe nicht durch eine türkische Verbindung reizen und vermied deshalb ängstlich, durch irgendeine Handlung Anlaß zu Argwohn und zu neuen Konflikten zu geben. Deshalb lehnte er auch in jener Zeit (1747/48) ein Angebot der Türkei selber, mit ihr einen Handels-, ja sogar formellen Allianzvertrag zu schließen, energisch, wenn auch höflich, ab. und war nur dazu zu bewegen, „gute Freundschaft" mit ihr zu unterhalten. Die Pforte war bei ihrem Anerbieten damals einer Anregung des franzö¬ sischen Renegaten. Bonnevals, gefolgt, eines interessanten Abenteurers, der frühe die Bedeutung des aufstrebenden Preußenstaates erkannt und in türkischem Dienste von der Notwendigkeit einer preußisch-türkischen Allianz sich überzeugt hatte. Doch erst 1749 entstand in Friedrich die eigentliche Idee, in eine engere Verbindung mit der Pforte zu treten. Es drohte damals ein allgemeiner nordischer Krieg. Rußland beabsichtigte in Schweden, das ganz unter franzö- sischem Einfluß stand, die antirussische, mit Friedrich nahe verwandte Krön- Prinzenfamilie zu vertreiben. Zu diesem Zwecke verständigte sich die Zarin mit England und Österreich. Dieser neuen Gefahr gegenüber wandte sich Friedrich sofort an Frankreich, seinem Verbündeten seit 1741, und ging gleichzeitig auf die Anregung der Versailler Negierung ein. durch die Vermittlung des franzö- stschen Gesandten in Konstantinopel. Desalleurs. ein Verteidigungsbündnis mit der Pforte zu schließen. Die Allianz sollte sich ganz allgemein „wider benach¬ barte pui88anne8«, von denen man „Feindseligkeiten zu gewärtigen hätte", richten. Preußen hatte damals noch keinen eigenen Vertreter am Goldenen Horn. Während Frankreich seit den Tagen Franz des Ersten sich hervor¬ ragenden Einflusses dort erfreute und auch die anderen Mächte, Rußland, Schweden, Österreich, England und Venedig seit langem bei der Pforte akkreditiert und mit der verzwickten und komplizierten Politik des Orients vertraut waren, war Friedrich auf diesem Gebiete vollständig Neuling. Kein Wunder also,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/373>, abgerufen am 15.01.2025.