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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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Die Ausgleichung der Familienlasten

Also doch eine "Junggesellensteuer"? Ja und nein, wie man es nimmt.
In dem Sinn und in der Form, wie sie in tausend Köpfen spukt, halte ich
sie für unerträglich, und auch Strutz lehnt eine solche ab. Es geht hier ganz
ebenso wie bet der Besteuerung der Kriegsgewinne. Nicht der Ärger, daß der
Nachbar Gelegenheit hatte, reichen Kriegsgewinn zu machen, der einem selbst
versagt war, nicht der heilige Zorn darüber, daß jener so selbstsüchtig war,
nicht auf den Gewinn zu verzichten, darf uns bei der Steuergestaltung teilen.
Auch die ruhige Mäßigung, mit der das Neichsschatzamt die Frage behandelt,
wird zum Ziele führen und gerade so sicher: nicht zur Strafe soll der "Kriegs¬
wucherer" bluten, sondern er soll einen erklecklichen Teil des Gewinnes abgeben
einzig deshalb, weil er in ganz besonderem Maße tragfähig ist für die Last,
die der Krieg der Allgemeinheit auferlegt. Genau so ist's bei der Besteuerung
der Junggesellen (und der diesen selbstverständlich gleich zu behandelnden Kinder¬
losen und Kinderarmen): nicht weil sie selbstsüchtig ehelos blieben oder keine
Kinder zeugten, sollen sie Strafe leiden; sondern weil sie in ganz wesentlich
höheren Grade steuerleistungsfähig sind als der kinderreiche Familienvater, sollen sie
vorzugsweise an den öffentlichen Lasten tragen. Und sie sind wirklich in besondern:
Maße leistungsfähig, selbst wenn wir einzig und allein auf die direkten Steuern
sehen, ganz zu schweigen also von der Belastung mit den indirekten Steuern,
die bekanntlich den kinderreichen Familienvater so sehr viel stärker treffen als jene.

Wir müßten also -- ganz in Übereinstimmung mit Strutz -- den Ge¬
danken der "Junggesellensteuer" dahin veredeln, daß nicht geradezu und aus-
gesprochen von dem Ehe- oder Kinderlosen eine Steuer eigener Art oder eine
Steuererhöhung erhoben, sondern daß die Ausgleichung der Familienlasten in
anderer Weise gesucht wird: im einzelnen etwa dadurch, daß die Steuerfreiheits¬
grenze für den Ehe- oder Kinderlosen heruntergesetzt, insbesondere aber, daß
das "Kinderprivileg" besser ausgebaut würde, und hierfür müßte, wie Strutz
ganz mit Recht fordert, die Steuererleichterung nicht erst vom zweiten, dritten,
vierten Kind an gewährt werden, sondern sich vor allem schon an das Bestehen
einer Ehe an sich anknüpfen und für jedes einzelne Kind steigen, und zwar
bis zu weit höheren Einkommenstufen hinauf.

Aber gleichwohl, mögen wir das Kinderprivileg noch so gut ausbauen, so
komme ich doch zu dem Ergebnisse, daß der ganze Versuch, die Ausgleichung
der Familienlasten auf diesem Wege zu suchen, verlassen werden müßte. Das
Mittel ist und bleibt zu kleinlich, um auch nur halbwegs wirksam zu sein, und
überdies hat seine Anwendung mehr Nachteile im Gefolge, als sie Vorteile
bringen kann.

Vor allem: seine Wirkung ist viel zu schwach. Wir erreichen mit ihm
niemals auch nur in bescheidenster Weise das Ziel, dem der kräftigere Ausbau
des Kinderprivilegs doch auch nach der Auffassung von Strutz dienen soll,
nämlich die Pflichtigen wirklich nach dem Maße ihrer Leistungsfähigkeit zu den
öffentlichen Lasten heranzuziehen, geschweige denn, ihnen einen Ansporn zur


Grenzboten I 1916 20
Die Ausgleichung der Familienlasten

Also doch eine „Junggesellensteuer"? Ja und nein, wie man es nimmt.
In dem Sinn und in der Form, wie sie in tausend Köpfen spukt, halte ich
sie für unerträglich, und auch Strutz lehnt eine solche ab. Es geht hier ganz
ebenso wie bet der Besteuerung der Kriegsgewinne. Nicht der Ärger, daß der
Nachbar Gelegenheit hatte, reichen Kriegsgewinn zu machen, der einem selbst
versagt war, nicht der heilige Zorn darüber, daß jener so selbstsüchtig war,
nicht auf den Gewinn zu verzichten, darf uns bei der Steuergestaltung teilen.
Auch die ruhige Mäßigung, mit der das Neichsschatzamt die Frage behandelt,
wird zum Ziele führen und gerade so sicher: nicht zur Strafe soll der „Kriegs¬
wucherer" bluten, sondern er soll einen erklecklichen Teil des Gewinnes abgeben
einzig deshalb, weil er in ganz besonderem Maße tragfähig ist für die Last,
die der Krieg der Allgemeinheit auferlegt. Genau so ist's bei der Besteuerung
der Junggesellen (und der diesen selbstverständlich gleich zu behandelnden Kinder¬
losen und Kinderarmen): nicht weil sie selbstsüchtig ehelos blieben oder keine
Kinder zeugten, sollen sie Strafe leiden; sondern weil sie in ganz wesentlich
höheren Grade steuerleistungsfähig sind als der kinderreiche Familienvater, sollen sie
vorzugsweise an den öffentlichen Lasten tragen. Und sie sind wirklich in besondern:
Maße leistungsfähig, selbst wenn wir einzig und allein auf die direkten Steuern
sehen, ganz zu schweigen also von der Belastung mit den indirekten Steuern,
die bekanntlich den kinderreichen Familienvater so sehr viel stärker treffen als jene.

Wir müßten also — ganz in Übereinstimmung mit Strutz — den Ge¬
danken der „Junggesellensteuer" dahin veredeln, daß nicht geradezu und aus-
gesprochen von dem Ehe- oder Kinderlosen eine Steuer eigener Art oder eine
Steuererhöhung erhoben, sondern daß die Ausgleichung der Familienlasten in
anderer Weise gesucht wird: im einzelnen etwa dadurch, daß die Steuerfreiheits¬
grenze für den Ehe- oder Kinderlosen heruntergesetzt, insbesondere aber, daß
das „Kinderprivileg" besser ausgebaut würde, und hierfür müßte, wie Strutz
ganz mit Recht fordert, die Steuererleichterung nicht erst vom zweiten, dritten,
vierten Kind an gewährt werden, sondern sich vor allem schon an das Bestehen
einer Ehe an sich anknüpfen und für jedes einzelne Kind steigen, und zwar
bis zu weit höheren Einkommenstufen hinauf.

Aber gleichwohl, mögen wir das Kinderprivileg noch so gut ausbauen, so
komme ich doch zu dem Ergebnisse, daß der ganze Versuch, die Ausgleichung
der Familienlasten auf diesem Wege zu suchen, verlassen werden müßte. Das
Mittel ist und bleibt zu kleinlich, um auch nur halbwegs wirksam zu sein, und
überdies hat seine Anwendung mehr Nachteile im Gefolge, als sie Vorteile
bringen kann.

Vor allem: seine Wirkung ist viel zu schwach. Wir erreichen mit ihm
niemals auch nur in bescheidenster Weise das Ziel, dem der kräftigere Ausbau
des Kinderprivilegs doch auch nach der Auffassung von Strutz dienen soll,
nämlich die Pflichtigen wirklich nach dem Maße ihrer Leistungsfähigkeit zu den
öffentlichen Lasten heranzuziehen, geschweige denn, ihnen einen Ansporn zur


Grenzboten I 1916 20
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[0317] Die Ausgleichung der Familienlasten Also doch eine „Junggesellensteuer"? Ja und nein, wie man es nimmt. In dem Sinn und in der Form, wie sie in tausend Köpfen spukt, halte ich sie für unerträglich, und auch Strutz lehnt eine solche ab. Es geht hier ganz ebenso wie bet der Besteuerung der Kriegsgewinne. Nicht der Ärger, daß der Nachbar Gelegenheit hatte, reichen Kriegsgewinn zu machen, der einem selbst versagt war, nicht der heilige Zorn darüber, daß jener so selbstsüchtig war, nicht auf den Gewinn zu verzichten, darf uns bei der Steuergestaltung teilen. Auch die ruhige Mäßigung, mit der das Neichsschatzamt die Frage behandelt, wird zum Ziele führen und gerade so sicher: nicht zur Strafe soll der „Kriegs¬ wucherer" bluten, sondern er soll einen erklecklichen Teil des Gewinnes abgeben einzig deshalb, weil er in ganz besonderem Maße tragfähig ist für die Last, die der Krieg der Allgemeinheit auferlegt. Genau so ist's bei der Besteuerung der Junggesellen (und der diesen selbstverständlich gleich zu behandelnden Kinder¬ losen und Kinderarmen): nicht weil sie selbstsüchtig ehelos blieben oder keine Kinder zeugten, sollen sie Strafe leiden; sondern weil sie in ganz wesentlich höheren Grade steuerleistungsfähig sind als der kinderreiche Familienvater, sollen sie vorzugsweise an den öffentlichen Lasten tragen. Und sie sind wirklich in besondern: Maße leistungsfähig, selbst wenn wir einzig und allein auf die direkten Steuern sehen, ganz zu schweigen also von der Belastung mit den indirekten Steuern, die bekanntlich den kinderreichen Familienvater so sehr viel stärker treffen als jene. Wir müßten also — ganz in Übereinstimmung mit Strutz — den Ge¬ danken der „Junggesellensteuer" dahin veredeln, daß nicht geradezu und aus- gesprochen von dem Ehe- oder Kinderlosen eine Steuer eigener Art oder eine Steuererhöhung erhoben, sondern daß die Ausgleichung der Familienlasten in anderer Weise gesucht wird: im einzelnen etwa dadurch, daß die Steuerfreiheits¬ grenze für den Ehe- oder Kinderlosen heruntergesetzt, insbesondere aber, daß das „Kinderprivileg" besser ausgebaut würde, und hierfür müßte, wie Strutz ganz mit Recht fordert, die Steuererleichterung nicht erst vom zweiten, dritten, vierten Kind an gewährt werden, sondern sich vor allem schon an das Bestehen einer Ehe an sich anknüpfen und für jedes einzelne Kind steigen, und zwar bis zu weit höheren Einkommenstufen hinauf. Aber gleichwohl, mögen wir das Kinderprivileg noch so gut ausbauen, so komme ich doch zu dem Ergebnisse, daß der ganze Versuch, die Ausgleichung der Familienlasten auf diesem Wege zu suchen, verlassen werden müßte. Das Mittel ist und bleibt zu kleinlich, um auch nur halbwegs wirksam zu sein, und überdies hat seine Anwendung mehr Nachteile im Gefolge, als sie Vorteile bringen kann. Vor allem: seine Wirkung ist viel zu schwach. Wir erreichen mit ihm niemals auch nur in bescheidenster Weise das Ziel, dem der kräftigere Ausbau des Kinderprivilegs doch auch nach der Auffassung von Strutz dienen soll, nämlich die Pflichtigen wirklich nach dem Maße ihrer Leistungsfähigkeit zu den öffentlichen Lasten heranzuziehen, geschweige denn, ihnen einen Ansporn zur Grenzboten I 1916 20

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/317>, abgerufen am 15.01.2025.