Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.haben sich demgemäß bisher damit begnügt, durch Schilderung der politischen Die großen Epochen der politischen Geschichte, nach denen wir die Ver¬ haben sich demgemäß bisher damit begnügt, durch Schilderung der politischen Die großen Epochen der politischen Geschichte, nach denen wir die Ver¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0026" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329692"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_55" prev="#ID_54"> haben sich demgemäß bisher damit begnügt, durch Schilderung der politischen<lb/> Entwicklung Deutschlands und seiner Gegner und des Verhältnisses der Staaten<lb/> zueinander aufklärend zu wirken. Unter den von uns besetzten Landesteilen<lb/> ist der Geschichte Belgiens und dem Problem seiner Neutralität besondere Be¬<lb/> achtung zuteil geworden. Etwas anders als mit der eigentlichen, historischen<lb/> Forschung steht es mit der Betrachtung der jüngsten Ereignisse und des gegen¬<lb/> wärtigen Krieges im Nahmen der Weltgeschichte. Die Ereignisse sind so weit<lb/> fortgeschritten, daß es dem Historiker allmählich möglich wird sich vorzustellen,<lb/> in welchem Licht sie sich den kommenden Geschlechtern darstellen werden. Da¬<lb/> bei ist zwischen dem Rückblick auf die Kriegsereignisse selbst und der ver¬<lb/> änderten Anschauung der voraufgegangenen Friedenszeit zu unterscheiden.<lb/> Ganz außer Betracht muß selbstverständlich einstweilen die militärische Geschichte<lb/> des Krieges bleiben. Desto schneller pflegt ihr Material nach Beendigung des<lb/> Krieges zugänglich gemacht zu werden, da diplomatische Rücksichten hier im<lb/> allgemeinen nicht in Betracht kommen. Schon 1872 konnte Max Lebana in<lb/> den Preußischen Jahrbüchern (Band 29 und 30) seinen glänzenden Aufsatz über<lb/> die Schlacht bei Mars la Tour veröffentlichen, der weiteren Kreisen leider<lb/> viel zu wenig bekannt ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_56" next="#ID_57"> Die großen Epochen der politischen Geschichte, nach denen wir die Ver¬<lb/> gangenheit teilen, sind durchweg durch Kriege begrenzt. Die Ursachen dieser<lb/> Kriege sind junge frische Kräfte, welche sich gegen die das Zeitalter beherr¬<lb/> schenden Mächte und Strömungen erheben. Je nach seiner Stärke und Be¬<lb/> rechtigung dringt dieses Neue im Krieg schließlich durch oder das Alte, durch<lb/> den Krieg geläutert und verjüngt, beherrscht unter neuen Verhältnissen weiter<lb/> das Feld. Das europäische Staatensystem des letzten Zeitabschnitts baut auf<lb/> der Länderverteilung von 1815 auf. Das Emporstreben neuer Kräfte, welche<lb/> die Machtverhältnisse zu verschieben suchten, macht sich in dieser Epoche sehr<lb/> bald bemerkbar. Der Boden für die Konflikte war schon auf dem Wiener<lb/> Kongreß vorbereitet worden, da einmal die natürliche Reaktion gegen die zu<lb/> weit ausgedehnten Umwälzungen der napoleonischen Zeit die alten Zustünde<lb/> auch dort wieder einführte, wo sie sich ub>.c.ehe hatten, dann in anderen<lb/> Fragen die Eifersucht der Mächte Verlegenheitslösungen herbeiführte, zu denen<lb/> freilich teilweise gegriffen werden mußte, weil die Völker noch nicht reif genug<lb/> waren, um das von ihnen gewünschte Ziel zu erreichen. So sehen wir schon bald<lb/> die Italiener sich immer wieder erheben, um den nationalen Einheitsstaat zu<lb/> erlangen und ihr Land von der Abhängigkeit von habsburgtschen und bour-<lb/> bonischen Herrschern zu befreien. 1830 löst sich Belgien aus dem Königreich<lb/> Holland ab, dem die Eifersucht der drei Mächte England, Frankreich und<lb/> Preußen untereinander diese Lande gegeben hatte, welche stets weniger nach<lb/> einem selbständigen Staat als nach selbständiger Verwaltung gestrebt hatten.<lb/> Wieder und wieder suchten sich die Polen von dem russischen Joch zu befreien.<lb/> Den deutschen Völkerstämmen gelang es nach schweren inneren Kämpfen, ihren</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0026]
haben sich demgemäß bisher damit begnügt, durch Schilderung der politischen
Entwicklung Deutschlands und seiner Gegner und des Verhältnisses der Staaten
zueinander aufklärend zu wirken. Unter den von uns besetzten Landesteilen
ist der Geschichte Belgiens und dem Problem seiner Neutralität besondere Be¬
achtung zuteil geworden. Etwas anders als mit der eigentlichen, historischen
Forschung steht es mit der Betrachtung der jüngsten Ereignisse und des gegen¬
wärtigen Krieges im Nahmen der Weltgeschichte. Die Ereignisse sind so weit
fortgeschritten, daß es dem Historiker allmählich möglich wird sich vorzustellen,
in welchem Licht sie sich den kommenden Geschlechtern darstellen werden. Da¬
bei ist zwischen dem Rückblick auf die Kriegsereignisse selbst und der ver¬
änderten Anschauung der voraufgegangenen Friedenszeit zu unterscheiden.
Ganz außer Betracht muß selbstverständlich einstweilen die militärische Geschichte
des Krieges bleiben. Desto schneller pflegt ihr Material nach Beendigung des
Krieges zugänglich gemacht zu werden, da diplomatische Rücksichten hier im
allgemeinen nicht in Betracht kommen. Schon 1872 konnte Max Lebana in
den Preußischen Jahrbüchern (Band 29 und 30) seinen glänzenden Aufsatz über
die Schlacht bei Mars la Tour veröffentlichen, der weiteren Kreisen leider
viel zu wenig bekannt ist.
Die großen Epochen der politischen Geschichte, nach denen wir die Ver¬
gangenheit teilen, sind durchweg durch Kriege begrenzt. Die Ursachen dieser
Kriege sind junge frische Kräfte, welche sich gegen die das Zeitalter beherr¬
schenden Mächte und Strömungen erheben. Je nach seiner Stärke und Be¬
rechtigung dringt dieses Neue im Krieg schließlich durch oder das Alte, durch
den Krieg geläutert und verjüngt, beherrscht unter neuen Verhältnissen weiter
das Feld. Das europäische Staatensystem des letzten Zeitabschnitts baut auf
der Länderverteilung von 1815 auf. Das Emporstreben neuer Kräfte, welche
die Machtverhältnisse zu verschieben suchten, macht sich in dieser Epoche sehr
bald bemerkbar. Der Boden für die Konflikte war schon auf dem Wiener
Kongreß vorbereitet worden, da einmal die natürliche Reaktion gegen die zu
weit ausgedehnten Umwälzungen der napoleonischen Zeit die alten Zustünde
auch dort wieder einführte, wo sie sich ub>.c.ehe hatten, dann in anderen
Fragen die Eifersucht der Mächte Verlegenheitslösungen herbeiführte, zu denen
freilich teilweise gegriffen werden mußte, weil die Völker noch nicht reif genug
waren, um das von ihnen gewünschte Ziel zu erreichen. So sehen wir schon bald
die Italiener sich immer wieder erheben, um den nationalen Einheitsstaat zu
erlangen und ihr Land von der Abhängigkeit von habsburgtschen und bour-
bonischen Herrschern zu befreien. 1830 löst sich Belgien aus dem Königreich
Holland ab, dem die Eifersucht der drei Mächte England, Frankreich und
Preußen untereinander diese Lande gegeben hatte, welche stets weniger nach
einem selbständigen Staat als nach selbständiger Verwaltung gestrebt hatten.
Wieder und wieder suchten sich die Polen von dem russischen Joch zu befreien.
Den deutschen Völkerstämmen gelang es nach schweren inneren Kämpfen, ihren
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |