Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.dieses Federkrieges ihre unerbittliche Feuerprobe zu bestehen haben. Mit all Eine erhebliche Rolle werden bei diesem zeitgenössischen Material sicherlich ZMr -- leider auch hier: eine Fülle von Widersprüchen, die sich kaum dieses Federkrieges ihre unerbittliche Feuerprobe zu bestehen haben. Mit all Eine erhebliche Rolle werden bei diesem zeitgenössischen Material sicherlich ZMr — leider auch hier: eine Fülle von Widersprüchen, die sich kaum <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0245" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329913"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_806" prev="#ID_805"> dieses Federkrieges ihre unerbittliche Feuerprobe zu bestehen haben. Mit all<lb/> den Irrungen, wie sie menschliche Unvollkommenheit und die begreifliche Leiden¬<lb/> schaft einer so gewaltigen Zeit der Umwälzung aller bisherigen Begriffe not¬<lb/> wendig zeitigen muß, wird die dereinstige Kritik wohl nachsichtig ins Gericht<lb/> gehen, aber vernichtend wird sie ihr Urteil sprechen über bewußte Schuld, über<lb/> die Sünde gegen den heiligen Geist, über all den traurigen Unrat von schänd¬<lb/> licher Lüge, Verleumdung und blindwütigen Haß wider Vernunft und besseres<lb/> Wissen. Bis dahin möge jeder bei seinem „Recht" verharren, jegliche Ver¬<lb/> ständigung ist einstweilen ausgeschlossen.</p><lb/> <p xml:id="ID_807"> Eine erhebliche Rolle werden bei diesem zeitgenössischen Material sicherlich<lb/> die Urteile der Neutralen spielen müssen, die sich ja heute, und zum Teil gewiß<lb/> mit Recht, die alleinige Fähigkeit zusprechen, objektiv zu urteilen, und von<lb/> diesem ihnen von den Kriegführenden geradezu aufgedrängten Amt ausgiebigen,<lb/> aber dafür auch recht verschiedenartigen Gebrauch gemacht haben. Man wird<lb/> später immer geneigt sein wollen, angesichts des Wustes von gegenseitigen An¬<lb/> klagen und Widersprüchen die Abseitsstehenden, die Neutralen, als Kronzeugen<lb/> herbeizuziehen, um ihre Beobachtungen, ihr Urteil als das am meisten wahr¬<lb/> scheinliche Tatsachenmaterial gelten zu lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_808"> ZMr — leider auch hier: eine Fülle von Widersprüchen, die sich kaum<lb/> minder erbittert gegenüberstehen als die der Kriegführenden selbst. Befangenheit,<lb/> Vorurteile, mehr oder minder unbewußt, aber auch bewußte Parteilichkeit, ab¬<lb/> sichtliche Einseitigkeit und mala kicieg — wir finden sie heute bei den Neutralen<lb/> in fast gleichem Maße wie bei den nächst Beteiligten. So wird sich denn der<lb/> späteren Geschichtsschreibung bei ihrer Klärungsarbeit auch immer wieder die<lb/> Frage aufdrängen: wer war denn neutral; wie wir heute uns auch immer<lb/> wieder fragen: wer ist denn neutral, wirklich neutral? (Es handelt sich hier<lb/> natürlich nur um die geistige Neutralität.) Wir haben da schon jetzt merk¬<lb/> würdige Erfahrungen gemacht. Und das läßt sich bereits heute mit Gewißheit<lb/> fugen: auch das neutrale zeitgenössische Material wird noch einer gründlichen<lb/> Sichtung bedürfen. Die Geschichte wird sich schließlich doch auch nur an die<lb/> Neutralen halten, die ersichtlich mit der größten Ruhe an ihre Aufgabe heran¬<lb/> getreten sind, Gerechtigkeit und auch ein gewisses Quantum Skepsis nach beiden<lb/> Seiten walten und mitten in den Lärm des Wortkampfes hinein wenigstens<lb/> die Stimme der Vernunft, die Mahnung zunächst zur Mäßigung ertönen und<lb/> vor allen einem offenbaren guten und ehrlichen Willen zu menschlichem Be¬<lb/> greifenwollen, zum gütlichen beiderseitigen Zuspruch, zur Verständigung und<lb/> Versöhnung erkennen lassen. Es wird vielleicht schließlich auf allen Seiten nicht<lb/> ohne Abstriche abgehen können, es wird kompensiert werden müssen und so letzten<lb/> Endes ein erheblich milderer Schiedsspruch für beide Parteien herauskommen,<lb/> der vieles auf das Konto der menschlichen Schwächen zu setzen und im übrigen<lb/> recht viel von allem vorgefallenen auf halbes Maß zurückzuführen geneigt<lb/> sein wird.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0245]
dieses Federkrieges ihre unerbittliche Feuerprobe zu bestehen haben. Mit all
den Irrungen, wie sie menschliche Unvollkommenheit und die begreifliche Leiden¬
schaft einer so gewaltigen Zeit der Umwälzung aller bisherigen Begriffe not¬
wendig zeitigen muß, wird die dereinstige Kritik wohl nachsichtig ins Gericht
gehen, aber vernichtend wird sie ihr Urteil sprechen über bewußte Schuld, über
die Sünde gegen den heiligen Geist, über all den traurigen Unrat von schänd¬
licher Lüge, Verleumdung und blindwütigen Haß wider Vernunft und besseres
Wissen. Bis dahin möge jeder bei seinem „Recht" verharren, jegliche Ver¬
ständigung ist einstweilen ausgeschlossen.
Eine erhebliche Rolle werden bei diesem zeitgenössischen Material sicherlich
die Urteile der Neutralen spielen müssen, die sich ja heute, und zum Teil gewiß
mit Recht, die alleinige Fähigkeit zusprechen, objektiv zu urteilen, und von
diesem ihnen von den Kriegführenden geradezu aufgedrängten Amt ausgiebigen,
aber dafür auch recht verschiedenartigen Gebrauch gemacht haben. Man wird
später immer geneigt sein wollen, angesichts des Wustes von gegenseitigen An¬
klagen und Widersprüchen die Abseitsstehenden, die Neutralen, als Kronzeugen
herbeizuziehen, um ihre Beobachtungen, ihr Urteil als das am meisten wahr¬
scheinliche Tatsachenmaterial gelten zu lassen.
ZMr — leider auch hier: eine Fülle von Widersprüchen, die sich kaum
minder erbittert gegenüberstehen als die der Kriegführenden selbst. Befangenheit,
Vorurteile, mehr oder minder unbewußt, aber auch bewußte Parteilichkeit, ab¬
sichtliche Einseitigkeit und mala kicieg — wir finden sie heute bei den Neutralen
in fast gleichem Maße wie bei den nächst Beteiligten. So wird sich denn der
späteren Geschichtsschreibung bei ihrer Klärungsarbeit auch immer wieder die
Frage aufdrängen: wer war denn neutral; wie wir heute uns auch immer
wieder fragen: wer ist denn neutral, wirklich neutral? (Es handelt sich hier
natürlich nur um die geistige Neutralität.) Wir haben da schon jetzt merk¬
würdige Erfahrungen gemacht. Und das läßt sich bereits heute mit Gewißheit
fugen: auch das neutrale zeitgenössische Material wird noch einer gründlichen
Sichtung bedürfen. Die Geschichte wird sich schließlich doch auch nur an die
Neutralen halten, die ersichtlich mit der größten Ruhe an ihre Aufgabe heran¬
getreten sind, Gerechtigkeit und auch ein gewisses Quantum Skepsis nach beiden
Seiten walten und mitten in den Lärm des Wortkampfes hinein wenigstens
die Stimme der Vernunft, die Mahnung zunächst zur Mäßigung ertönen und
vor allen einem offenbaren guten und ehrlichen Willen zu menschlichem Be¬
greifenwollen, zum gütlichen beiderseitigen Zuspruch, zur Verständigung und
Versöhnung erkennen lassen. Es wird vielleicht schließlich auf allen Seiten nicht
ohne Abstriche abgehen können, es wird kompensiert werden müssen und so letzten
Endes ein erheblich milderer Schiedsspruch für beide Parteien herauskommen,
der vieles auf das Konto der menschlichen Schwächen zu setzen und im übrigen
recht viel von allem vorgefallenen auf halbes Maß zurückzuführen geneigt
sein wird.
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