Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.Deutsche Kultur im englischen Spiegel gelten, daß Macht die Grundlage des Staates ist, wie der Glaube die der Kirche Das Schlußkapitel ist vom Herausgeber selbst verfaßt; es handelt von Das Buch als Ganzes ist eines der stärksten Dokumente in dem englischen Wie stark das Erscheinen des Buches in Frankreich verstimmt hat, beweisen Deutsche Kultur im englischen Spiegel gelten, daß Macht die Grundlage des Staates ist, wie der Glaube die der Kirche Das Schlußkapitel ist vom Herausgeber selbst verfaßt; es handelt von Das Buch als Ganzes ist eines der stärksten Dokumente in dem englischen Wie stark das Erscheinen des Buches in Frankreich verstimmt hat, beweisen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0220" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329888"/> <fw type="header" place="top"> Deutsche Kultur im englischen Spiegel</fw><lb/> <p xml:id="ID_697" prev="#ID_696"> gelten, daß Macht die Grundlage des Staates ist, wie der Glaube die der Kirche<lb/> und die Liebe die der Familie." Das hochinteressante Kapitel schließt mit der<lb/> bangen Frage: „Sind wir mit diesem Prinzip oder mit einer perversen Abart<lb/> davon im Kampf? Ist der deutsche Militarismus ein wahrer oder ein entarteter<lb/> Ausdruck deutscher Kultur? Was sind wir ausgezogen zu zerstören?"</p><lb/> <p xml:id="ID_698"> Das Schlußkapitel ist vom Herausgeber selbst verfaßt; es handelt von<lb/> Religion und Theologie. Bei tiefer Achtung vor den inneren Beweggründen<lb/> der deutschen Reformation, ihrer Sehnsucht, ihrer friedlichen Innerlichkeit, ihrer<lb/> direkten Beziehung zu Gott, wird doch behauptet, daß diese im Grunde deutschen<lb/> Ideen in England eine größere praktische Ausbildung erfahren hätten, als in<lb/> Deutschland. Die Weiterbildung der Reformation in Deutschland sei zwar durch<lb/> die Wirren und Opfer der napoleonischen Kriege ebenso gefördert worden wie<lb/> durch die erstaunliche Geduld und Gründlichkeit der deutschen Theologen, denen<lb/> endlich auch noch eine fast schrankenlose Liberalität seitens des Staates zugute<lb/> gekommen sei; zuletzt aber habe sich der deutsche Protestantismus in pietistische,<lb/> rationalistische und deistische Richtungen zersplittert. Allerdings wird eingerünmt,<lb/> daß es Luther gewesen, der den Nahmen für die Größe des britischen religiösen<lb/> Lebens gespannt habe. Ebenso wird in großer Ehrerbietung anerkannt, daß<lb/> die Entwicklung der deutschen Religions-Philosophie des vorigen Jahrhunderts<lb/> durch Schleiermacher und Hegel ohne jedes Gegenstück in der Welt sei, der<lb/> namentlich in Großbritannien nichts ähnliches an die Seite zu stellen sei.<lb/> Die deutsche lutherische Kirche sei eines der größten aller organisierten christlichen<lb/> Gemeinwesen und stelle als eine Schule der Frömmigkeit und Charakterbildung,<lb/> sowie als Instrument christlichen Gottesdienstes eine Musterleistung dar. —</p><lb/> <p xml:id="ID_699"> Das Buch als Ganzes ist eines der stärksten Dokumente in dem englischen<lb/> Feldzug auf Tod und Leben wider „die deutschen Feinde der Zivilisation," wie<lb/> er in der feindlichen chauvinistischen Presse gepredigt wird, zu unseren Gunsten;<lb/> es beruht auf gründlichen, fachmänmschen Kenntnissen und ist, da es von spezifisch<lb/> angelsächsischem Standpunkt geschrieben ist, die glänzendste Anerkennung deutschen<lb/> Geistes, die die Kriegsliteratur hervorgebracht hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_700"> Wie stark das Erscheinen des Buches in Frankreich verstimmt hat, beweisen<lb/> Veröffentlichungen im Juli- und Oktoberheft der „Kevue clef cieux monclos",<lb/> in denen auf das Unzeitgemäße einer solchen Anerkennung der Bedeutung Deutsch¬<lb/> lands für die Zivilisation der Menschheit in diesem Augenblick hingewiesen wird.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0220]
Deutsche Kultur im englischen Spiegel
gelten, daß Macht die Grundlage des Staates ist, wie der Glaube die der Kirche
und die Liebe die der Familie." Das hochinteressante Kapitel schließt mit der
bangen Frage: „Sind wir mit diesem Prinzip oder mit einer perversen Abart
davon im Kampf? Ist der deutsche Militarismus ein wahrer oder ein entarteter
Ausdruck deutscher Kultur? Was sind wir ausgezogen zu zerstören?"
Das Schlußkapitel ist vom Herausgeber selbst verfaßt; es handelt von
Religion und Theologie. Bei tiefer Achtung vor den inneren Beweggründen
der deutschen Reformation, ihrer Sehnsucht, ihrer friedlichen Innerlichkeit, ihrer
direkten Beziehung zu Gott, wird doch behauptet, daß diese im Grunde deutschen
Ideen in England eine größere praktische Ausbildung erfahren hätten, als in
Deutschland. Die Weiterbildung der Reformation in Deutschland sei zwar durch
die Wirren und Opfer der napoleonischen Kriege ebenso gefördert worden wie
durch die erstaunliche Geduld und Gründlichkeit der deutschen Theologen, denen
endlich auch noch eine fast schrankenlose Liberalität seitens des Staates zugute
gekommen sei; zuletzt aber habe sich der deutsche Protestantismus in pietistische,
rationalistische und deistische Richtungen zersplittert. Allerdings wird eingerünmt,
daß es Luther gewesen, der den Nahmen für die Größe des britischen religiösen
Lebens gespannt habe. Ebenso wird in großer Ehrerbietung anerkannt, daß
die Entwicklung der deutschen Religions-Philosophie des vorigen Jahrhunderts
durch Schleiermacher und Hegel ohne jedes Gegenstück in der Welt sei, der
namentlich in Großbritannien nichts ähnliches an die Seite zu stellen sei.
Die deutsche lutherische Kirche sei eines der größten aller organisierten christlichen
Gemeinwesen und stelle als eine Schule der Frömmigkeit und Charakterbildung,
sowie als Instrument christlichen Gottesdienstes eine Musterleistung dar. —
Das Buch als Ganzes ist eines der stärksten Dokumente in dem englischen
Feldzug auf Tod und Leben wider „die deutschen Feinde der Zivilisation," wie
er in der feindlichen chauvinistischen Presse gepredigt wird, zu unseren Gunsten;
es beruht auf gründlichen, fachmänmschen Kenntnissen und ist, da es von spezifisch
angelsächsischem Standpunkt geschrieben ist, die glänzendste Anerkennung deutschen
Geistes, die die Kriegsliteratur hervorgebracht hat.
Wie stark das Erscheinen des Buches in Frankreich verstimmt hat, beweisen
Veröffentlichungen im Juli- und Oktoberheft der „Kevue clef cieux monclos",
in denen auf das Unzeitgemäße einer solchen Anerkennung der Bedeutung Deutsch¬
lands für die Zivilisation der Menschheit in diesem Augenblick hingewiesen wird.
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