Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.Der neue Sohn des Himmels Gesandtschaftsviertel und die brennende Oststadt fahren, um den Palast zu Juan war an jenem Abend -- im Auswärtigen Amt mit seinen Freunden Der Aufruhr nahm weit größere Dimensionen an, als seine Anstifter Einige Monate später. Der neue Sohn des Himmels Gesandtschaftsviertel und die brennende Oststadt fahren, um den Palast zu Juan war an jenem Abend — im Auswärtigen Amt mit seinen Freunden Der Aufruhr nahm weit größere Dimensionen an, als seine Anstifter Einige Monate später. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0163" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329829"/> <fw type="header" place="top"> Der neue Sohn des Himmels</fw><lb/> <p xml:id="ID_496" prev="#ID_495"> Gesandtschaftsviertel und die brennende Oststadt fahren, um den Palast zu<lb/> erreichen. Wie gerufen kam mir ein Deutscher in den Weg, ein Herr Kralle<lb/> vom PostMinisterium. Diesen setzte ich hinten in den Wagen als Schutz des<lb/> Ministers gegen allzufreche chinesische Soldaten. Dann ging es hinein in das<lb/> Feuermeer. Das war nicht so einfach, denn das Pferd streikte fortgesetzt, und<lb/> alle paar Schritte starrte uns ein blankes Bajonett entgegen. Wie stets im<lb/> Leben half aber auch hier gut zureden. Manchmal gab es auch auf gut<lb/> chinesisch scharfe Worte und für das Pferd die Peitsche. Nicht umsonst habe<lb/> ich so manchen störrischen Gaul über grobe Hindernisse geritten. Feuer, Schießen,<lb/> Plünderer. Rauch, — nichts konnte uns aufhalten. Um Mitternacht waren wir<lb/> an den Wachen des Palastes. So konnte ich — allerdings zu einer etwas<lb/> merkwürdigen Stunde und Gelegenheit — die Bekanntschaft des mächtigsten<lb/> Mannes des Reiches, des Prinzen Tsching, machen. Ich brachte dann die<lb/> Familie in Sicherheit in das Gesandtschaftsviertel und besitze als Dankesgabe<lb/> des Prinzen und zur Erinnerung unter anderem eine wunderbare fünsfarbige<lb/> chinesische Vase, die mir stets ein besonders wertvolles Andenken bleiben wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_497"> Juan war an jenem Abend — im Auswärtigen Amt mit seinen Freunden<lb/> Sunpautfchi, den ich Stunden später in unserer Gesandtschaft traf, und Liangschiyi<lb/> beim Abendbrot sitzend — von der Meuterei überrascht worden. Der Strom<lb/> der plünderungslüsternen Soldateska brauste an den Mauern des Auswärtigen<lb/> Amtes vorüber. Die Wachen hatten die Mauern besetzt, die Maschinengewehre<lb/> waren in Stellung. Jedoch kein Schuß fiel dort, trotzdem es ein -leichtes ge¬<lb/> wesen wäre, das in engen Straßen eingeschachtelt liegende Auswärtige Amt zu<lb/> überrennen, auszuplündern und seine Bewohner zu töten. Augenscheinlich<lb/> wollte man Juan nichts tun.</p><lb/> <p xml:id="ID_498"> Der Aufruhr nahm weit größere Dimensionen an, als seine Anstifter<lb/> ursprünglich wohl erwartet hatten. Die großen Städte Tientsin, Pautingfu<lb/> und viele andere kleinere wurden geplündert und zum Teil niedergebrannt.<lb/> Die Tatsachen verhinderten den Präsidenten abzureisen. Niemals war seine<lb/> Anwesenheit im Norden des Reiches dringender notwendig geworden als in<lb/> diesen Tagen. Der Henker bekam nun Arbeit. Der alte Haudegen General<lb/> Kiangkwcti wurde Kommandant von Peking. Er fuhr in seiner Glaskutsche<lb/> herum, ließ am Morgen des 1. März an jedem der vielen Tore Pekings kurz<lb/> halten, und wenige Minuten darauf riefen schon die Henkersknechte: „Schal Schal"<lb/> (Töte! Töte!) Die Köpfe von Plünderern rollten im Staube. An allen großen<lb/> Straßenkreuzungen hingen die grausigen Wahrzeichen prompter chinesischer Justiz<lb/> mit den Zöpfen an den Telegraphenstangen. Äußere und innere Mittel der<lb/> Politik und Landeshoheit im fernen Orient sind anders wie bei uns daheim.<lb/> Uuanschikai und die um ihn hatten ein geschicktes Spiel gespielt. Und doch<lb/> weiß heute noch niemand in Ostasten: Hat Uuanschikai nun diese große Revolte<lb/> angezettelt oder nicht? Beweise dafür sind nicht vorhanden.</p><lb/> <p xml:id="ID_499"> Einige Monate später.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0163]
Der neue Sohn des Himmels
Gesandtschaftsviertel und die brennende Oststadt fahren, um den Palast zu
erreichen. Wie gerufen kam mir ein Deutscher in den Weg, ein Herr Kralle
vom PostMinisterium. Diesen setzte ich hinten in den Wagen als Schutz des
Ministers gegen allzufreche chinesische Soldaten. Dann ging es hinein in das
Feuermeer. Das war nicht so einfach, denn das Pferd streikte fortgesetzt, und
alle paar Schritte starrte uns ein blankes Bajonett entgegen. Wie stets im
Leben half aber auch hier gut zureden. Manchmal gab es auch auf gut
chinesisch scharfe Worte und für das Pferd die Peitsche. Nicht umsonst habe
ich so manchen störrischen Gaul über grobe Hindernisse geritten. Feuer, Schießen,
Plünderer. Rauch, — nichts konnte uns aufhalten. Um Mitternacht waren wir
an den Wachen des Palastes. So konnte ich — allerdings zu einer etwas
merkwürdigen Stunde und Gelegenheit — die Bekanntschaft des mächtigsten
Mannes des Reiches, des Prinzen Tsching, machen. Ich brachte dann die
Familie in Sicherheit in das Gesandtschaftsviertel und besitze als Dankesgabe
des Prinzen und zur Erinnerung unter anderem eine wunderbare fünsfarbige
chinesische Vase, die mir stets ein besonders wertvolles Andenken bleiben wird.
Juan war an jenem Abend — im Auswärtigen Amt mit seinen Freunden
Sunpautfchi, den ich Stunden später in unserer Gesandtschaft traf, und Liangschiyi
beim Abendbrot sitzend — von der Meuterei überrascht worden. Der Strom
der plünderungslüsternen Soldateska brauste an den Mauern des Auswärtigen
Amtes vorüber. Die Wachen hatten die Mauern besetzt, die Maschinengewehre
waren in Stellung. Jedoch kein Schuß fiel dort, trotzdem es ein -leichtes ge¬
wesen wäre, das in engen Straßen eingeschachtelt liegende Auswärtige Amt zu
überrennen, auszuplündern und seine Bewohner zu töten. Augenscheinlich
wollte man Juan nichts tun.
Der Aufruhr nahm weit größere Dimensionen an, als seine Anstifter
ursprünglich wohl erwartet hatten. Die großen Städte Tientsin, Pautingfu
und viele andere kleinere wurden geplündert und zum Teil niedergebrannt.
Die Tatsachen verhinderten den Präsidenten abzureisen. Niemals war seine
Anwesenheit im Norden des Reiches dringender notwendig geworden als in
diesen Tagen. Der Henker bekam nun Arbeit. Der alte Haudegen General
Kiangkwcti wurde Kommandant von Peking. Er fuhr in seiner Glaskutsche
herum, ließ am Morgen des 1. März an jedem der vielen Tore Pekings kurz
halten, und wenige Minuten darauf riefen schon die Henkersknechte: „Schal Schal"
(Töte! Töte!) Die Köpfe von Plünderern rollten im Staube. An allen großen
Straßenkreuzungen hingen die grausigen Wahrzeichen prompter chinesischer Justiz
mit den Zöpfen an den Telegraphenstangen. Äußere und innere Mittel der
Politik und Landeshoheit im fernen Orient sind anders wie bei uns daheim.
Uuanschikai und die um ihn hatten ein geschicktes Spiel gespielt. Und doch
weiß heute noch niemand in Ostasten: Hat Uuanschikai nun diese große Revolte
angezettelt oder nicht? Beweise dafür sind nicht vorhanden.
Einige Monate später.
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