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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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Auf dem toten Punkt

Bevölkerung von 17,2 Prozent auf 15,7 Prozent zurückging! Sein Schluß ist
derselbe, den Purischkewisch gezogen hat: wir müssen diesen Krieg weiter¬
führen -- sonst sind wir ganz verloren.

Daher auch die Aufregung der liberalen Kreise bei dem geringsten Ge¬
danken an einen Sonderfrieden, die uns so komisch anmutende Entrüstung über
die harmlosen Versuche einer Petersburger Dame, ihre Ideen über eine Änderung
der russischen Politik einigen leitenden Männern mitzuteilen.

Man hat den Sinn sür die Verhältnisse verloren, man zittert, man ist
nervös.

Und denkt man denn nicht an den Frieden?

-- Gewiß denkt man an ihn. Man denkt nur an ihn, -- aber man weiß
eben nicht, wie man ihn schließen soll, wenn man nicht jetzt noch weiter kämpft.
Man sitzt zu tief in der Tinte.

-- Und die großen politischen Ziele? Ich habe schon gesagt, daß man
nur noch zu retten sucht, was zu retten ist. Von der Stadt der Hagia Sophia
wird nicht mehr gesprochen. Bezeichnend aber scheint mir die neulich in
der "Zürcher Post" von einem Russen geäußerte Meinung, "daß in Nußland die
Zahl derer wächst, die nach Persien und nach dem Indischen Ozean hinweisen"
und "daß die russische Regierung sich in allerletzter Zeit entschlossen zu haben
scheint, diesen Weg zu gehen und ernste militärische Vorbereitungen trifft, um
Persien zu besetzen und wohl auch, um am Indischen Ozean Fuß zu fassen"

Wer Ohren hat zu hören, der höre!




Auf dem toten Punkt

Bevölkerung von 17,2 Prozent auf 15,7 Prozent zurückging! Sein Schluß ist
derselbe, den Purischkewisch gezogen hat: wir müssen diesen Krieg weiter¬
führen — sonst sind wir ganz verloren.

Daher auch die Aufregung der liberalen Kreise bei dem geringsten Ge¬
danken an einen Sonderfrieden, die uns so komisch anmutende Entrüstung über
die harmlosen Versuche einer Petersburger Dame, ihre Ideen über eine Änderung
der russischen Politik einigen leitenden Männern mitzuteilen.

Man hat den Sinn sür die Verhältnisse verloren, man zittert, man ist
nervös.

Und denkt man denn nicht an den Frieden?

— Gewiß denkt man an ihn. Man denkt nur an ihn, — aber man weiß
eben nicht, wie man ihn schließen soll, wenn man nicht jetzt noch weiter kämpft.
Man sitzt zu tief in der Tinte.

— Und die großen politischen Ziele? Ich habe schon gesagt, daß man
nur noch zu retten sucht, was zu retten ist. Von der Stadt der Hagia Sophia
wird nicht mehr gesprochen. Bezeichnend aber scheint mir die neulich in
der „Zürcher Post" von einem Russen geäußerte Meinung, „daß in Nußland die
Zahl derer wächst, die nach Persien und nach dem Indischen Ozean hinweisen"
und „daß die russische Regierung sich in allerletzter Zeit entschlossen zu haben
scheint, diesen Weg zu gehen und ernste militärische Vorbereitungen trifft, um
Persien zu besetzen und wohl auch, um am Indischen Ozean Fuß zu fassen"

Wer Ohren hat zu hören, der höre!




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[0150] Auf dem toten Punkt Bevölkerung von 17,2 Prozent auf 15,7 Prozent zurückging! Sein Schluß ist derselbe, den Purischkewisch gezogen hat: wir müssen diesen Krieg weiter¬ führen — sonst sind wir ganz verloren. Daher auch die Aufregung der liberalen Kreise bei dem geringsten Ge¬ danken an einen Sonderfrieden, die uns so komisch anmutende Entrüstung über die harmlosen Versuche einer Petersburger Dame, ihre Ideen über eine Änderung der russischen Politik einigen leitenden Männern mitzuteilen. Man hat den Sinn sür die Verhältnisse verloren, man zittert, man ist nervös. Und denkt man denn nicht an den Frieden? — Gewiß denkt man an ihn. Man denkt nur an ihn, — aber man weiß eben nicht, wie man ihn schließen soll, wenn man nicht jetzt noch weiter kämpft. Man sitzt zu tief in der Tinte. — Und die großen politischen Ziele? Ich habe schon gesagt, daß man nur noch zu retten sucht, was zu retten ist. Von der Stadt der Hagia Sophia wird nicht mehr gesprochen. Bezeichnend aber scheint mir die neulich in der „Zürcher Post" von einem Russen geäußerte Meinung, „daß in Nußland die Zahl derer wächst, die nach Persien und nach dem Indischen Ozean hinweisen" und „daß die russische Regierung sich in allerletzter Zeit entschlossen zu haben scheint, diesen Weg zu gehen und ernste militärische Vorbereitungen trifft, um Persien zu besetzen und wohl auch, um am Indischen Ozean Fuß zu fassen" Wer Ohren hat zu hören, der höre!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/150>, abgerufen am 15.01.2025.