Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.Auf dem toten Punkt Wo bleibt, so fragt sich jetzt wohl mancher Russe, der Ersatz alles dessen, Am 6. Januar sind die Abordnungen der Petersburger Arbeiterkonsum¬ "Der Minister erkundigte sich," so berichtet "Nuskoje Slowo" vom 6. d. M., Die Nahrungsmittelnot und die Desorganisation, das sind die Tages¬ Chwostow hat, wie einst Menenius Agrippa in seiner Fabel, die Wichtigkeit Und nun begann der Kampf zwischen Chwostow und dem Landwirschafts- Dies Schauspiel der feindlichen Minister sehen wir nun schon fast vier Und ebenso trostlos siehts in der Parteipolitik aus. Da ist das Land Chwostow hatte ein eigenartiges Rezept zurechtgemacht. Er wollte die Auf dem toten Punkt Wo bleibt, so fragt sich jetzt wohl mancher Russe, der Ersatz alles dessen, Am 6. Januar sind die Abordnungen der Petersburger Arbeiterkonsum¬ „Der Minister erkundigte sich," so berichtet „Nuskoje Slowo" vom 6. d. M., Die Nahrungsmittelnot und die Desorganisation, das sind die Tages¬ Chwostow hat, wie einst Menenius Agrippa in seiner Fabel, die Wichtigkeit Und nun begann der Kampf zwischen Chwostow und dem Landwirschafts- Dies Schauspiel der feindlichen Minister sehen wir nun schon fast vier Und ebenso trostlos siehts in der Parteipolitik aus. Da ist das Land Chwostow hatte ein eigenartiges Rezept zurechtgemacht. Er wollte die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0145" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329811"/> <fw type="header" place="top"> Auf dem toten Punkt</fw><lb/> <p xml:id="ID_425"> Wo bleibt, so fragt sich jetzt wohl mancher Russe, der Ersatz alles dessen,<lb/> was die Nüssen wirtschaftlich durch diesen Krieg um Englands willen geopfert<lb/> haben? — Es gibt eine Teuerung und eine Not in diesem zum geschlossenen<lb/> Handelsstaate gewordenen Lande, womit verglichen unsere kleinen Buttersorgen<lb/> und anderes, was uns bewegt, reines Kinderspiel sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_426"> Am 6. Januar sind die Abordnungen der Petersburger Arbeiterkonsum¬<lb/> genossenschaften beim Landwirtschaftsminister gewesen, um ihm ihre Klagen<lb/> vorzutragen.</p><lb/> <p xml:id="ID_427"> „Der Minister erkundigte sich," so berichtet „Nuskoje Slowo" vom 6. d. M.,<lb/> „ausführlich bei den Mitgliedern der Deputation nach dem Eindruck, den die<lb/> Nahrungsmittelkrisis auf die Arbeiter mache. Die Arbeiterabgeordneten Popow<lb/> und Tscherpak verhehlten dem Minister nicht, daß, wenn die Arbeiterkonsum¬<lb/> genossenschaften weiter in ihrer Tätigkeit behindert werden, Exzesse möglich<lb/> seien, die zurzeit nur durch die Autorität der Führer der Cooperativ-<lb/> genossenschaften verhindert werden."</p><lb/> <p xml:id="ID_428"> Die Nahrungsmittelnot und die Desorganisation, das sind die Tages¬<lb/> fragen in Rußland, die augenblicklich alles andere in den Hintergrund drängen.<lb/> Die Regierung kämpft mit aller Kraft, um hier zu helfen, denn sie hat begriffen,<lb/> was eine weitere Desorganisation für die Stimmung im Lande bedeutet.</p><lb/> <p xml:id="ID_429"> Chwostow hat, wie einst Menenius Agrippa in seiner Fabel, die Wichtigkeit<lb/> der Frage erkannt: „Wie kann ich das Volk regieren, wenn es nicht satt ist?<lb/> Ich will es satt machen, gebt mir dazu die Gewalt." —</p><lb/> <p xml:id="ID_430"> Und nun begann der Kampf zwischen Chwostow und dem Landwirschafts-<lb/> minister Naumow, der, unterstützt vom Eisenbahnminister Trepow, an seine<lb/> Kompetenzen nicht rühren lassen wollte, um diese Gewalt.</p><lb/> <p xml:id="ID_431"> Dies Schauspiel der feindlichen Minister sehen wir nun schon fast vier<lb/> Wochen. Und was ist dabei herausgekommen? — Nichts, rein gar nichts,<lb/> als daß der Zustand des Landes immer schlimmer geworden ist und daß eine<lb/> Kommission der vier beteiligten Minister eingesetzt wurde, die in ihrer ersten<lb/> Sitzung die Vorfragen der Kompetenz zu lösen versuchte und die Frage wahr¬<lb/> scheinlich ex kunäito studieren wird. Das ist Rußland, das echte Nußland,<lb/> das Rußland der Worte, nicht der Taten, das Rußland der Kommissionen,<lb/> nicht der festen Hand, das Rußland der Intrige und Bestechung, das reiche<lb/> und doch das hungernde Rußland!</p><lb/> <p xml:id="ID_432"> Und ebenso trostlos siehts in der Parteipolitik aus. Da ist das Land<lb/> wirklich, wie der Dumaabgeordnete Alexandrow gesagt hat, „auf dem toten<lb/> Punkte".</p><lb/> <p xml:id="ID_433" next="#ID_434"> Chwostow hatte ein eigenartiges Rezept zurechtgemacht. Er wollte die<lb/> öffentliche Meinung umkrempeln — mit Hilfe der Monarchistenkongresse,<lb/> die in Petersburg unter Maklakows und Scheglowitows Auspizien vom<lb/> Ministerium begünstigt, tagen durften, während dem Städte- und Semstwo-<lb/> kongresse „in der nervösen Moskaner Luft" die Tagung verboten ward. Der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0145]
Auf dem toten Punkt
Wo bleibt, so fragt sich jetzt wohl mancher Russe, der Ersatz alles dessen,
was die Nüssen wirtschaftlich durch diesen Krieg um Englands willen geopfert
haben? — Es gibt eine Teuerung und eine Not in diesem zum geschlossenen
Handelsstaate gewordenen Lande, womit verglichen unsere kleinen Buttersorgen
und anderes, was uns bewegt, reines Kinderspiel sind.
Am 6. Januar sind die Abordnungen der Petersburger Arbeiterkonsum¬
genossenschaften beim Landwirtschaftsminister gewesen, um ihm ihre Klagen
vorzutragen.
„Der Minister erkundigte sich," so berichtet „Nuskoje Slowo" vom 6. d. M.,
„ausführlich bei den Mitgliedern der Deputation nach dem Eindruck, den die
Nahrungsmittelkrisis auf die Arbeiter mache. Die Arbeiterabgeordneten Popow
und Tscherpak verhehlten dem Minister nicht, daß, wenn die Arbeiterkonsum¬
genossenschaften weiter in ihrer Tätigkeit behindert werden, Exzesse möglich
seien, die zurzeit nur durch die Autorität der Führer der Cooperativ-
genossenschaften verhindert werden."
Die Nahrungsmittelnot und die Desorganisation, das sind die Tages¬
fragen in Rußland, die augenblicklich alles andere in den Hintergrund drängen.
Die Regierung kämpft mit aller Kraft, um hier zu helfen, denn sie hat begriffen,
was eine weitere Desorganisation für die Stimmung im Lande bedeutet.
Chwostow hat, wie einst Menenius Agrippa in seiner Fabel, die Wichtigkeit
der Frage erkannt: „Wie kann ich das Volk regieren, wenn es nicht satt ist?
Ich will es satt machen, gebt mir dazu die Gewalt." —
Und nun begann der Kampf zwischen Chwostow und dem Landwirschafts-
minister Naumow, der, unterstützt vom Eisenbahnminister Trepow, an seine
Kompetenzen nicht rühren lassen wollte, um diese Gewalt.
Dies Schauspiel der feindlichen Minister sehen wir nun schon fast vier
Wochen. Und was ist dabei herausgekommen? — Nichts, rein gar nichts,
als daß der Zustand des Landes immer schlimmer geworden ist und daß eine
Kommission der vier beteiligten Minister eingesetzt wurde, die in ihrer ersten
Sitzung die Vorfragen der Kompetenz zu lösen versuchte und die Frage wahr¬
scheinlich ex kunäito studieren wird. Das ist Rußland, das echte Nußland,
das Rußland der Worte, nicht der Taten, das Rußland der Kommissionen,
nicht der festen Hand, das Rußland der Intrige und Bestechung, das reiche
und doch das hungernde Rußland!
Und ebenso trostlos siehts in der Parteipolitik aus. Da ist das Land
wirklich, wie der Dumaabgeordnete Alexandrow gesagt hat, „auf dem toten
Punkte".
Chwostow hatte ein eigenartiges Rezept zurechtgemacht. Er wollte die
öffentliche Meinung umkrempeln — mit Hilfe der Monarchistenkongresse,
die in Petersburg unter Maklakows und Scheglowitows Auspizien vom
Ministerium begünstigt, tagen durften, während dem Städte- und Semstwo-
kongresse „in der nervösen Moskaner Luft" die Tagung verboten ward. Der
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