Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.Revolutionäre Strömungen in Rußland Mallakow hatte zunächst recht. Er ahnte in dieser ersten Periode des "Ausbruch des Patriotismus des schwarzen Hundert. Die ganze Man erinnert sich auch in Deutschland dieses Vorgehens der russischen An die russische Revolution beim Ausbruch eines Krieges hatte man wohl Revolutionäre Strömungen in Rußland Mallakow hatte zunächst recht. Er ahnte in dieser ersten Periode des „Ausbruch des Patriotismus des schwarzen Hundert. Die ganze Man erinnert sich auch in Deutschland dieses Vorgehens der russischen An die russische Revolution beim Ausbruch eines Krieges hatte man wohl <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0014" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329680"/> <fw type="header" place="top"> Revolutionäre Strömungen in Rußland</fw><lb/> <p xml:id="ID_6"> Mallakow hatte zunächst recht. Er ahnte in dieser ersten Periode des<lb/> Krieges nicht, daß er selbst eines seiner Opfer sein würde. Die in Genf er¬<lb/> scheinende russische Zeitung „Sozialdemokrat" beschreibt diese Periode, die<lb/> unmittelbar nach Kriegsbeginn einsetzte, folgendermaßen:</p><lb/> <quote> „Ausbruch des Patriotismus des schwarzen Hundert. Die ganze<lb/> Bourgeoisie bis zur liberalsten hinunter geht in das Feldlager der Be¬<lb/> wunderer der zarischen Bande über. Die Presse, die Tribüne der Duma,<lb/> die Schule, der Altar — alles wird in Gang gesetzt, um in der Tiefe<lb/> Rußlands, im fernen, dunkeln, zerschlagenen Dorfe den Betrug vom<lb/> .Befreiungskriege' des Zarismus populär zu machen, um die Arbeiter,<lb/> die Bauern, die Masse der erwerbenden Klasse in den Städten mit<lb/> Chauvinismus zu vergiften. Alles ehrliche, alles, was der Flagge der<lb/> Revolution treu geblieben war, war an Händen und Füßen gebunden.<lb/> Das Land war durch die Ketten des Belagerungszustandes gefesselt.<lb/> Protest gegen den Krieg erhebt sich nur in den Reihen der Arbeiterklasse.<lb/> Der kühne Vorkämpfer der Arbeiter, die russische sozialdemokratische<lb/> Arbeiterfraktion, wurde gefangen genommen und in das Gefängnis<lb/> gesetzt." —</quote><lb/> <p xml:id="ID_7"> Man erinnert sich auch in Deutschland dieses Vorgehens der russischen<lb/> Polizei gegen die fünf sozialistischen Dumaabgeordueten, die man gegen jedes<lb/> Gesetz und gegen die Verfassung gefangen genommen hatte. Sie wurden nach<lb/> kurzem Prozeß nach Sibirien verbannt und noch heute sind sie da, ohne daß<lb/> es den Bemühungen ihrer Fraktionsgenossen gelungen wäre, ihr Los erheblich<lb/> zu bessern. Es lag in der Absicht der Negierung, die Arbeitermassen, die noch<lb/> in den größeren Städten zurückgeblieben waren, unter allen Umständen<lb/> unschädlich zu machen und zu desorientieren. Das konnte man am besten durch<lb/> Beseitigung ihrer Führer.</p><lb/> <p xml:id="ID_8" next="#ID_9"> An die russische Revolution beim Ausbruch eines Krieges hatte man wohl<lb/> nur in Deutschland in manchen Kreisen geglaubt und zwar in denen, die Ru߬<lb/> land gegenüber stets vorgefaßte Meinungen gehabt, sich aber zugleich als be¬<lb/> sondere Kenner der russischen Verhältnisse ausgegeben hatten. Die Orien¬<lb/> tierung unserer Tagespresse über russische Verhältnisse war mangelhaft.<lb/> Mit Ausnahme von zwei, drei wirklich deutschen und kompetenten Auslands¬<lb/> korrespondenten wurden unsere Zeitungen über russische Zustände von<lb/> durchaus zweifelhaften Quellen bedient. Auf diese von den amtlichen Kreisen<lb/> stets bedauerte Mangelhaftigkeit unserer journalistischen Auslandsvertretungen<lb/> muß in diesem Zusammenhange einmal hingewiesen werden. Es geht nicht<lb/> an, daß man für alle grundlosen Einbildungen unseres Publikums immer<lb/> wieder die Diplomatie verantwortlich macht. Möchte auch hier der Krieg einen<lb/> Wandel bringen. — Es war ja klar, daß eine Revolution in Rußland bei Kriegs¬<lb/> beginn nicht ausbrechen konnte. Wer hätte sie denn machen sollen? Von den<lb/> Arbeitern habe ich schon gesprochen. Das Dorf war durch mehrere glänzende</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0014]
Revolutionäre Strömungen in Rußland
Mallakow hatte zunächst recht. Er ahnte in dieser ersten Periode des
Krieges nicht, daß er selbst eines seiner Opfer sein würde. Die in Genf er¬
scheinende russische Zeitung „Sozialdemokrat" beschreibt diese Periode, die
unmittelbar nach Kriegsbeginn einsetzte, folgendermaßen:
„Ausbruch des Patriotismus des schwarzen Hundert. Die ganze
Bourgeoisie bis zur liberalsten hinunter geht in das Feldlager der Be¬
wunderer der zarischen Bande über. Die Presse, die Tribüne der Duma,
die Schule, der Altar — alles wird in Gang gesetzt, um in der Tiefe
Rußlands, im fernen, dunkeln, zerschlagenen Dorfe den Betrug vom
.Befreiungskriege' des Zarismus populär zu machen, um die Arbeiter,
die Bauern, die Masse der erwerbenden Klasse in den Städten mit
Chauvinismus zu vergiften. Alles ehrliche, alles, was der Flagge der
Revolution treu geblieben war, war an Händen und Füßen gebunden.
Das Land war durch die Ketten des Belagerungszustandes gefesselt.
Protest gegen den Krieg erhebt sich nur in den Reihen der Arbeiterklasse.
Der kühne Vorkämpfer der Arbeiter, die russische sozialdemokratische
Arbeiterfraktion, wurde gefangen genommen und in das Gefängnis
gesetzt." —
Man erinnert sich auch in Deutschland dieses Vorgehens der russischen
Polizei gegen die fünf sozialistischen Dumaabgeordueten, die man gegen jedes
Gesetz und gegen die Verfassung gefangen genommen hatte. Sie wurden nach
kurzem Prozeß nach Sibirien verbannt und noch heute sind sie da, ohne daß
es den Bemühungen ihrer Fraktionsgenossen gelungen wäre, ihr Los erheblich
zu bessern. Es lag in der Absicht der Negierung, die Arbeitermassen, die noch
in den größeren Städten zurückgeblieben waren, unter allen Umständen
unschädlich zu machen und zu desorientieren. Das konnte man am besten durch
Beseitigung ihrer Führer.
An die russische Revolution beim Ausbruch eines Krieges hatte man wohl
nur in Deutschland in manchen Kreisen geglaubt und zwar in denen, die Ru߬
land gegenüber stets vorgefaßte Meinungen gehabt, sich aber zugleich als be¬
sondere Kenner der russischen Verhältnisse ausgegeben hatten. Die Orien¬
tierung unserer Tagespresse über russische Verhältnisse war mangelhaft.
Mit Ausnahme von zwei, drei wirklich deutschen und kompetenten Auslands¬
korrespondenten wurden unsere Zeitungen über russische Zustände von
durchaus zweifelhaften Quellen bedient. Auf diese von den amtlichen Kreisen
stets bedauerte Mangelhaftigkeit unserer journalistischen Auslandsvertretungen
muß in diesem Zusammenhange einmal hingewiesen werden. Es geht nicht
an, daß man für alle grundlosen Einbildungen unseres Publikums immer
wieder die Diplomatie verantwortlich macht. Möchte auch hier der Krieg einen
Wandel bringen. — Es war ja klar, daß eine Revolution in Rußland bei Kriegs¬
beginn nicht ausbrechen konnte. Wer hätte sie denn machen sollen? Von den
Arbeitern habe ich schon gesprochen. Das Dorf war durch mehrere glänzende
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