Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.Die Stellung der neutralen Schweiz zu Deutschland Hilfsbund für kriegsgefangene Akademiker versorgt diese mit geeigneter Lektüre, Wenn wir enttäuscht sind, daß die öffentliche Meinung in der deutschen Die Stellung der neutralen Schweiz zu Deutschland Hilfsbund für kriegsgefangene Akademiker versorgt diese mit geeigneter Lektüre, Wenn wir enttäuscht sind, daß die öffentliche Meinung in der deutschen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0104" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329770"/> <fw type="header" place="top"> Die Stellung der neutralen Schweiz zu Deutschland</fw><lb/> <p xml:id="ID_266" prev="#ID_265"> Hilfsbund für kriegsgefangene Akademiker versorgt diese mit geeigneter Lektüre,<lb/> vor allem wissenschaftlichen Büchern. Besonders hat sich die Schweizer Liebes¬<lb/> tätigkeit bei dem Austausch der Schwerverwundeten Kriegsuntauglichen und<lb/> Zivilinternierten bewährt. Dies darf ihr niemals vergessen werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_267"> Wenn wir enttäuscht sind, daß die öffentliche Meinung in der deutschen<lb/> Schweiz nicht ungeteilt auf deutscher Seite steht, so liegt der letzte Grund dafür<lb/> darin, daß eine politische Sonderstellung auf die Dauer trotz aller Kultur¬<lb/> gemeinschaft ein immer stärkeres besonderes Nationalgefühl wirkt. Noch im<lb/> 17. und 18. Jahrhundert haben alle Deutschschweizer auf die Frage, ob sie<lb/> Deutsche seien, mit einem selbstverständlichen Ja geantwortet. Die politische<lb/> Konsolidation des Deutschen Reiches im 19. Jahrhundert, die mit der Gründung<lb/> des Reiches 1870 ihr Ende fand, hat das deutsche Nationalgefühl ungemein<lb/> gesteigert. Aber während noch das Vaterlandslied Ernst Moritz Arndts „Was<lb/> ist des Deutschen Vaterland?" die Schweiz unbedenklich zum Vaterlande rechnete,<lb/> ist dies seitdem unmöglich geworden. Auch das politische Schweizerbcwußt-<lb/> sein ist durch die Verfassungen von 1848 und 1874 bedeutend gestärkt.<lb/> Der Mann aus dem Volke wird heute in den meisten Fällen die stritte Ant¬<lb/> wort bereit haben: „Wir find keine Deutschen". Der Gebildete wird die<lb/> deutliche Unterscheidung machen: „Politisch sind wir keine Deutschen, aber<lb/> kulturell^sind^ wir^gute Deutsche".</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0104]
Die Stellung der neutralen Schweiz zu Deutschland
Hilfsbund für kriegsgefangene Akademiker versorgt diese mit geeigneter Lektüre,
vor allem wissenschaftlichen Büchern. Besonders hat sich die Schweizer Liebes¬
tätigkeit bei dem Austausch der Schwerverwundeten Kriegsuntauglichen und
Zivilinternierten bewährt. Dies darf ihr niemals vergessen werden.
Wenn wir enttäuscht sind, daß die öffentliche Meinung in der deutschen
Schweiz nicht ungeteilt auf deutscher Seite steht, so liegt der letzte Grund dafür
darin, daß eine politische Sonderstellung auf die Dauer trotz aller Kultur¬
gemeinschaft ein immer stärkeres besonderes Nationalgefühl wirkt. Noch im
17. und 18. Jahrhundert haben alle Deutschschweizer auf die Frage, ob sie
Deutsche seien, mit einem selbstverständlichen Ja geantwortet. Die politische
Konsolidation des Deutschen Reiches im 19. Jahrhundert, die mit der Gründung
des Reiches 1870 ihr Ende fand, hat das deutsche Nationalgefühl ungemein
gesteigert. Aber während noch das Vaterlandslied Ernst Moritz Arndts „Was
ist des Deutschen Vaterland?" die Schweiz unbedenklich zum Vaterlande rechnete,
ist dies seitdem unmöglich geworden. Auch das politische Schweizerbcwußt-
sein ist durch die Verfassungen von 1848 und 1874 bedeutend gestärkt.
Der Mann aus dem Volke wird heute in den meisten Fällen die stritte Ant¬
wort bereit haben: „Wir find keine Deutschen". Der Gebildete wird die
deutliche Unterscheidung machen: „Politisch sind wir keine Deutschen, aber
kulturell^sind^ wir^gute Deutsche".
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