Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.Bulgarien "ach fünfzig Jahre" Deutschland, dessen Hochschulen wir aufsuchen, dessen staatliche, auch militärische Bulgarien »ach fünfzig Jahre» Deutschland, dessen Hochschulen wir aufsuchen, dessen staatliche, auch militärische <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0386" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/324799"/> <fw type="header" place="top"> Bulgarien »ach fünfzig Jahre»</fw><lb/> <p xml:id="ID_1396" prev="#ID_1395" next="#ID_1397"> Deutschland, dessen Hochschulen wir aufsuchen, dessen staatliche, auch militärische<lb/> Einrichtungen und Reformen wir studieren, um das für uns Zweckmäßige<lb/> davon zu benutzen. Wir sind nicht phantastisch, wir haben klar und nüchtern<lb/> zu sein. Zu zwecklosem Völkerhaß und ruhmrederischen, patriotischen Ausbrüchen<lb/> haben wir keine Zeit und keine überflüssigen Kräfte. Frei von türkischer<lb/> Herrschaft und von russischer Vormundschaft wollen wir allerdings sein. Gegen<lb/> den Unterdrücker lehnen wir uns auf, doch sollte dieser eines Tages als mit¬<lb/> strebender, gleichberechtigter Nachbar neben uns stehen, so bieten wir ihm die<lb/> Freundeshand. Ordnung muß werden, wie in unserem Lande, so auf unserer<lb/> Halbinsel. Daß wir soweit sind, unserer selbst und unserer Aufgaben uns<lb/> bewußt, dies verdanken wir freilich zum großen Teil unserem Fürsten Alexander,<lb/> und wir ehren und lieben sein Andenken. Vorwärts und aufwärts! hieß sein<lb/> kühnes Kommandowort......" Der Sprecher hatte sich erhoben. Er stand<lb/> aufrecht mit erhobenem Glase im Kreise seiner Zuhörer, der ganze Mann war<lb/> stolzer, fester Wille. Eindringlich und energisch setzte er hinzu: „Dies eine<lb/> sage ich noch, meine Herrschaften, und Sie mögen es in Ihren Landen weiter<lb/> erzählen: vorwärts und aufwärts geht unser Weg zur Kultur, wir sind schnelle<lb/> Reiter. Ich sage Ihnen: in fünfzig Jahren wird die Kulturwelt sich ge¬<lb/> zwungen sehen, bulgarisch zu lernen!" „Bravo!" rief der Gerichtsrat und<lb/> schüttelte dem Bulgaren die Hand, „bravo, lieber Freund, und vorwärts und<lb/> aufwärts!"</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0386]
Bulgarien »ach fünfzig Jahre»
Deutschland, dessen Hochschulen wir aufsuchen, dessen staatliche, auch militärische
Einrichtungen und Reformen wir studieren, um das für uns Zweckmäßige
davon zu benutzen. Wir sind nicht phantastisch, wir haben klar und nüchtern
zu sein. Zu zwecklosem Völkerhaß und ruhmrederischen, patriotischen Ausbrüchen
haben wir keine Zeit und keine überflüssigen Kräfte. Frei von türkischer
Herrschaft und von russischer Vormundschaft wollen wir allerdings sein. Gegen
den Unterdrücker lehnen wir uns auf, doch sollte dieser eines Tages als mit¬
strebender, gleichberechtigter Nachbar neben uns stehen, so bieten wir ihm die
Freundeshand. Ordnung muß werden, wie in unserem Lande, so auf unserer
Halbinsel. Daß wir soweit sind, unserer selbst und unserer Aufgaben uns
bewußt, dies verdanken wir freilich zum großen Teil unserem Fürsten Alexander,
und wir ehren und lieben sein Andenken. Vorwärts und aufwärts! hieß sein
kühnes Kommandowort......" Der Sprecher hatte sich erhoben. Er stand
aufrecht mit erhobenem Glase im Kreise seiner Zuhörer, der ganze Mann war
stolzer, fester Wille. Eindringlich und energisch setzte er hinzu: „Dies eine
sage ich noch, meine Herrschaften, und Sie mögen es in Ihren Landen weiter
erzählen: vorwärts und aufwärts geht unser Weg zur Kultur, wir sind schnelle
Reiter. Ich sage Ihnen: in fünfzig Jahren wird die Kulturwelt sich ge¬
zwungen sehen, bulgarisch zu lernen!" „Bravo!" rief der Gerichtsrat und
schüttelte dem Bulgaren die Hand, „bravo, lieber Freund, und vorwärts und
aufwärts!"
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