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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Serbien und Oesterreich vor einem Jahrhundert

setzt hatte! Das Beste dabei ist, daß Balla noch von den Serben feierlich
empfangen und als "Retter" gefeiert wurde!*)

Österreich hatte aber vor Napoleon solche Furcht, daß es nicht einmal für
einen so verlockenden Preis wie ganz Rumänien und Serbien das Bündnis
mit Frankreich gegen ein folckies mit Nußland eingetauscht hätte und so erfolgte
die Ablehnung. Dies bewog nun Rußland mit den Türken den Bukarester Frieden
zu schließen, um das dort kämpfende Heer gegen Frankreich freizubekommen.
In diesem Frieden sicherte Rußland sich selbst Bessarabien, wofür es Serbien
den Türken auslieferte! Um diese ganze Gemeinheit voll zu begreifen, sei er¬
wähnt, daß 1811 die Pforte selbst sich bereits bereit erklärt hatte, Serbien als
tributzahlendes selbständiges Fürstentum unter Karo. Gjorgje anzuerkennen
und daß dieser, statt es anzunehmen, erst im russischen Hauptquartier anfragen
ließ, was er machen folle, worauf er die Antwort erhalten hatte, er solle
Churschid Pascha antworten, daß Serbien, als Rußlands Verbündeter, nichts
allein tun könne, sondern alle diesbezüglichen Anträge ein Rußland gestellt
werden müßten, das allein darüber zu entscheiden hätte!

Infolge seiner Vereinbarungen mit der Pforte hatte Rußland 1813
Kara Gjorgje aufgetragen, sich zu verstecken und den Türken keinen Wider¬
stand zu leisten. Kara Gjorgje ging auf den Leim, als er aber sah, daß er
von Nußland nur betrogen worden war und daß es sich darum gehandelt hatte,
Serbien den Türken zu überantworten, da wandte er sich im September 1813
durch seinen Geheimschreiber Lasar Todorovitsch an den Befehlshaber in Slavonien,
General Siegenthal, mit der Bitte, die drei Festungen (Belgrad, Schabatsch,
Smederevo) zu besetzen. Das wurde abgelehnt! Am 11. September kam
Jevtitsch nach Zemun mit der Bitte, die österreichischen Behörden mögen ent¬
weder den Großvesir zur Einstellung der Feindseligkeiten veranlassen, oder,
salls dies unmöglich sei, den Serben gestatten, daß sie über die Grenze kommen
und sich in Österreich ansiedeln. Außerdem bat er, den Türken keine Lebens¬
mittel zu liefern. Baron Siegenthal antwortete: Es ist Sache der Serben sich
mit dem Großvesir zu vergleichen. serbische Familien können in Österreich
eine Zufluchtsstätte finden, wo man auch dafür sorgen wird, daß sie nicht



") Da sich das meiste in der Geschichte wiederholt, möchte ich darauf hinweisen, daß
fich im Jahre 1376 ein ganz ähnlicher Fall ereignete. Damals hatte Fürst Milan den
Zaren gebeten ihm den neugebornen Sohn Alexander aus der Taufe zu heben. Die Tauf¬
patenschaft hat bei den Serben mehr Bedeutung als anderswo, denn der "tun" wird da¬
durch des Täuflings nächster Verwandter, unmittelbar nach den Ellern, also auch Brüdern,
Schwestern, Tanten usw. vorangehend. Durch Annahme der Patenschaft wurde also der
Zar der natürliche Beschützer des Täuflings. Wie der Zar nun diese Verwandtenvflicht auf¬
faßte, beweist der Umstand, daß sein zu den Tauffeierlichkeiten nach Belgrad entsandter Ver¬
treter General Ssumarakow, den Weg über Wien nahm, wobei er Andrassy den Vorschlag
machte, den Balkan so zu teilen, daß der Osten an Rußland, der Westen mit Serbien an
Ästerreich falle!......
Serbien und Oesterreich vor einem Jahrhundert

setzt hatte! Das Beste dabei ist, daß Balla noch von den Serben feierlich
empfangen und als „Retter" gefeiert wurde!*)

Österreich hatte aber vor Napoleon solche Furcht, daß es nicht einmal für
einen so verlockenden Preis wie ganz Rumänien und Serbien das Bündnis
mit Frankreich gegen ein folckies mit Nußland eingetauscht hätte und so erfolgte
die Ablehnung. Dies bewog nun Rußland mit den Türken den Bukarester Frieden
zu schließen, um das dort kämpfende Heer gegen Frankreich freizubekommen.
In diesem Frieden sicherte Rußland sich selbst Bessarabien, wofür es Serbien
den Türken auslieferte! Um diese ganze Gemeinheit voll zu begreifen, sei er¬
wähnt, daß 1811 die Pforte selbst sich bereits bereit erklärt hatte, Serbien als
tributzahlendes selbständiges Fürstentum unter Karo. Gjorgje anzuerkennen
und daß dieser, statt es anzunehmen, erst im russischen Hauptquartier anfragen
ließ, was er machen folle, worauf er die Antwort erhalten hatte, er solle
Churschid Pascha antworten, daß Serbien, als Rußlands Verbündeter, nichts
allein tun könne, sondern alle diesbezüglichen Anträge ein Rußland gestellt
werden müßten, das allein darüber zu entscheiden hätte!

Infolge seiner Vereinbarungen mit der Pforte hatte Rußland 1813
Kara Gjorgje aufgetragen, sich zu verstecken und den Türken keinen Wider¬
stand zu leisten. Kara Gjorgje ging auf den Leim, als er aber sah, daß er
von Nußland nur betrogen worden war und daß es sich darum gehandelt hatte,
Serbien den Türken zu überantworten, da wandte er sich im September 1813
durch seinen Geheimschreiber Lasar Todorovitsch an den Befehlshaber in Slavonien,
General Siegenthal, mit der Bitte, die drei Festungen (Belgrad, Schabatsch,
Smederevo) zu besetzen. Das wurde abgelehnt! Am 11. September kam
Jevtitsch nach Zemun mit der Bitte, die österreichischen Behörden mögen ent¬
weder den Großvesir zur Einstellung der Feindseligkeiten veranlassen, oder,
salls dies unmöglich sei, den Serben gestatten, daß sie über die Grenze kommen
und sich in Österreich ansiedeln. Außerdem bat er, den Türken keine Lebens¬
mittel zu liefern. Baron Siegenthal antwortete: Es ist Sache der Serben sich
mit dem Großvesir zu vergleichen. serbische Familien können in Österreich
eine Zufluchtsstätte finden, wo man auch dafür sorgen wird, daß sie nicht



") Da sich das meiste in der Geschichte wiederholt, möchte ich darauf hinweisen, daß
fich im Jahre 1376 ein ganz ähnlicher Fall ereignete. Damals hatte Fürst Milan den
Zaren gebeten ihm den neugebornen Sohn Alexander aus der Taufe zu heben. Die Tauf¬
patenschaft hat bei den Serben mehr Bedeutung als anderswo, denn der „tun" wird da¬
durch des Täuflings nächster Verwandter, unmittelbar nach den Ellern, also auch Brüdern,
Schwestern, Tanten usw. vorangehend. Durch Annahme der Patenschaft wurde also der
Zar der natürliche Beschützer des Täuflings. Wie der Zar nun diese Verwandtenvflicht auf¬
faßte, beweist der Umstand, daß sein zu den Tauffeierlichkeiten nach Belgrad entsandter Ver¬
treter General Ssumarakow, den Weg über Wien nahm, wobei er Andrassy den Vorschlag
machte, den Balkan so zu teilen, daß der Osten an Rußland, der Westen mit Serbien an
Ästerreich falle!......
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/374>, abgerufen am 27.12.2024.