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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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messe eine Vorstellung machen können usw. Vielleicht wäre ",s eine lohnende
Aufgabe, einmal die Kompositionstechnik und die Formen des 15. und
16. Jahrhunderts in knapper und für musikalische Laien berechneter Weise
darzust. .<en, selbstverständlich mit Notenbeispielen. An ein solches Buch könnten
dann die Biographieen, die sich mit den Meistern der beiden Jahrhunderte
beschäftigten, fruchtbringend anknüpfen, ist es doch aufs lebhafteste zu wünschen,
daß sich immer wertere Kreise mit den unvergleichen Schätzen der alten kirch¬
lichen und weltlichen Chorliteratur von den verschiedensten Seiten her innerlich
vertraut machen.

Noch zwei andere der vorliegenden Bändchen haben Spezialforscher zu
Verfassern. "A. Lortzing" (Leipzig 1914) rührt von G. R. Kruse her, dessen
unermüdlichem Eifer wir die erste wirkliche Biographie des Meisters der deutsch-
volkstümlichen komischen Oper zu verdanken haben (sie erschien 1899 im
Harmonieverlag). In dem neuen lWerkchen hat Kruse seinen Stoff naturge¬
mäß knapper gestaltet, ohne jedoch in Trockenheit oder Dürftigkeit zu verfallen.
Namentlich hat er die Besprechungen der einzelnen Opern gekürzt und z. B.
die an sich sehr interessanten Nachweise, wie die ihnen zugrundeliegenden
Fabeln schon vor Lortzing verwertet worden waren, mit Recht übergangen.

Eine ganz anders geartete Aufgabe stellte sich der seit einigen Jahren als
Biograph Richard Strauß' bekannte Max Steinitzer (die Biographie erschien
bei Schuster und Löffler, Berlin), als er es übernahm, für die kleinen Musik¬
bücher eine Straußbiographie zu schreiben. Er will nicht bereits Gesagtes
wiederholen (in der Tat rekapituliert er den äußeren Lebensgang auf nur
wenigen Zeilen), sondern zu zeigen versuchen, wie Strauß' Eigenart aus
der Kunst der Vergangenheit und aus den künstlerischen Einwirkungen, denen
er nach einander ausgesetzt war, allmählich hervorwuchs. Wie mir scheint, ist
ihm dies im allgemeinen gelungen, wenn ich auch z. B. in "Wanderers
Sturmlied" keine Brahmsschen Einflüsse zu entdecken vermag. Wichtig ist die
Feststellung, daß Strauß schon lange, bevor er die Joseflegende schrieb,
Interesse für die von Musik begleitete Pantomime gezeigt hatte, und die Be-
merkung Steinitzers, daß die Oper seit Wagner eigentlich ganz natürlicher
Weise auf die Pantomime hindränge, da man ja den Gemütsausdruck der
handelnden Personen immer mehr ins Orchester und immer weniger in den
Gesang zu legen suche, ist wohl nicht unrichtig. Danach hätte sich also die
Oper gleichsam selbst ihr Grab gegraben, wenn in der Kunst der einmal zurück-
gelegte Weg bindend wäre, man nicht vielmehr mit Seiten- und Neuent¬
wicklungen rechnen müßte. Seine im Vorwort betonte Unparteilichkeit bekundet
der Verfasser darin, daß er nicht alle Werke von Strauß ohne Einschränkung
lobt, sondern z. B. gegen einzelne Teile des "Nosenkavalier" und gegen die
Form, in welcher "Ariadne auf Naxos" geboten wird, Bedenken äußert. Als
Anhang bringt er einen gelegentlich der Stuttgarter Straußwoche 1912 ge¬
haltenen Vortrag über Strauß als Persönlichkeit zum Abdruck. Er wollte darin


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messe eine Vorstellung machen können usw. Vielleicht wäre «,s eine lohnende
Aufgabe, einmal die Kompositionstechnik und die Formen des 15. und
16. Jahrhunderts in knapper und für musikalische Laien berechneter Weise
darzust. .<en, selbstverständlich mit Notenbeispielen. An ein solches Buch könnten
dann die Biographieen, die sich mit den Meistern der beiden Jahrhunderte
beschäftigten, fruchtbringend anknüpfen, ist es doch aufs lebhafteste zu wünschen,
daß sich immer wertere Kreise mit den unvergleichen Schätzen der alten kirch¬
lichen und weltlichen Chorliteratur von den verschiedensten Seiten her innerlich
vertraut machen.

Noch zwei andere der vorliegenden Bändchen haben Spezialforscher zu
Verfassern. „A. Lortzing" (Leipzig 1914) rührt von G. R. Kruse her, dessen
unermüdlichem Eifer wir die erste wirkliche Biographie des Meisters der deutsch-
volkstümlichen komischen Oper zu verdanken haben (sie erschien 1899 im
Harmonieverlag). In dem neuen lWerkchen hat Kruse seinen Stoff naturge¬
mäß knapper gestaltet, ohne jedoch in Trockenheit oder Dürftigkeit zu verfallen.
Namentlich hat er die Besprechungen der einzelnen Opern gekürzt und z. B.
die an sich sehr interessanten Nachweise, wie die ihnen zugrundeliegenden
Fabeln schon vor Lortzing verwertet worden waren, mit Recht übergangen.

Eine ganz anders geartete Aufgabe stellte sich der seit einigen Jahren als
Biograph Richard Strauß' bekannte Max Steinitzer (die Biographie erschien
bei Schuster und Löffler, Berlin), als er es übernahm, für die kleinen Musik¬
bücher eine Straußbiographie zu schreiben. Er will nicht bereits Gesagtes
wiederholen (in der Tat rekapituliert er den äußeren Lebensgang auf nur
wenigen Zeilen), sondern zu zeigen versuchen, wie Strauß' Eigenart aus
der Kunst der Vergangenheit und aus den künstlerischen Einwirkungen, denen
er nach einander ausgesetzt war, allmählich hervorwuchs. Wie mir scheint, ist
ihm dies im allgemeinen gelungen, wenn ich auch z. B. in „Wanderers
Sturmlied" keine Brahmsschen Einflüsse zu entdecken vermag. Wichtig ist die
Feststellung, daß Strauß schon lange, bevor er die Joseflegende schrieb,
Interesse für die von Musik begleitete Pantomime gezeigt hatte, und die Be-
merkung Steinitzers, daß die Oper seit Wagner eigentlich ganz natürlicher
Weise auf die Pantomime hindränge, da man ja den Gemütsausdruck der
handelnden Personen immer mehr ins Orchester und immer weniger in den
Gesang zu legen suche, ist wohl nicht unrichtig. Danach hätte sich also die
Oper gleichsam selbst ihr Grab gegraben, wenn in der Kunst der einmal zurück-
gelegte Weg bindend wäre, man nicht vielmehr mit Seiten- und Neuent¬
wicklungen rechnen müßte. Seine im Vorwort betonte Unparteilichkeit bekundet
der Verfasser darin, daß er nicht alle Werke von Strauß ohne Einschränkung
lobt, sondern z. B. gegen einzelne Teile des „Nosenkavalier" und gegen die
Form, in welcher „Ariadne auf Naxos" geboten wird, Bedenken äußert. Als
Anhang bringt er einen gelegentlich der Stuttgarter Straußwoche 1912 ge¬
haltenen Vortrag über Strauß als Persönlichkeit zum Abdruck. Er wollte darin


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[0296] Neue Bücher über Musik messe eine Vorstellung machen können usw. Vielleicht wäre «,s eine lohnende Aufgabe, einmal die Kompositionstechnik und die Formen des 15. und 16. Jahrhunderts in knapper und für musikalische Laien berechneter Weise darzust. .<en, selbstverständlich mit Notenbeispielen. An ein solches Buch könnten dann die Biographieen, die sich mit den Meistern der beiden Jahrhunderte beschäftigten, fruchtbringend anknüpfen, ist es doch aufs lebhafteste zu wünschen, daß sich immer wertere Kreise mit den unvergleichen Schätzen der alten kirch¬ lichen und weltlichen Chorliteratur von den verschiedensten Seiten her innerlich vertraut machen. Noch zwei andere der vorliegenden Bändchen haben Spezialforscher zu Verfassern. „A. Lortzing" (Leipzig 1914) rührt von G. R. Kruse her, dessen unermüdlichem Eifer wir die erste wirkliche Biographie des Meisters der deutsch- volkstümlichen komischen Oper zu verdanken haben (sie erschien 1899 im Harmonieverlag). In dem neuen lWerkchen hat Kruse seinen Stoff naturge¬ mäß knapper gestaltet, ohne jedoch in Trockenheit oder Dürftigkeit zu verfallen. Namentlich hat er die Besprechungen der einzelnen Opern gekürzt und z. B. die an sich sehr interessanten Nachweise, wie die ihnen zugrundeliegenden Fabeln schon vor Lortzing verwertet worden waren, mit Recht übergangen. Eine ganz anders geartete Aufgabe stellte sich der seit einigen Jahren als Biograph Richard Strauß' bekannte Max Steinitzer (die Biographie erschien bei Schuster und Löffler, Berlin), als er es übernahm, für die kleinen Musik¬ bücher eine Straußbiographie zu schreiben. Er will nicht bereits Gesagtes wiederholen (in der Tat rekapituliert er den äußeren Lebensgang auf nur wenigen Zeilen), sondern zu zeigen versuchen, wie Strauß' Eigenart aus der Kunst der Vergangenheit und aus den künstlerischen Einwirkungen, denen er nach einander ausgesetzt war, allmählich hervorwuchs. Wie mir scheint, ist ihm dies im allgemeinen gelungen, wenn ich auch z. B. in „Wanderers Sturmlied" keine Brahmsschen Einflüsse zu entdecken vermag. Wichtig ist die Feststellung, daß Strauß schon lange, bevor er die Joseflegende schrieb, Interesse für die von Musik begleitete Pantomime gezeigt hatte, und die Be- merkung Steinitzers, daß die Oper seit Wagner eigentlich ganz natürlicher Weise auf die Pantomime hindränge, da man ja den Gemütsausdruck der handelnden Personen immer mehr ins Orchester und immer weniger in den Gesang zu legen suche, ist wohl nicht unrichtig. Danach hätte sich also die Oper gleichsam selbst ihr Grab gegraben, wenn in der Kunst der einmal zurück- gelegte Weg bindend wäre, man nicht vielmehr mit Seiten- und Neuent¬ wicklungen rechnen müßte. Seine im Vorwort betonte Unparteilichkeit bekundet der Verfasser darin, daß er nicht alle Werke von Strauß ohne Einschränkung lobt, sondern z. B. gegen einzelne Teile des „Nosenkavalier" und gegen die Form, in welcher „Ariadne auf Naxos" geboten wird, Bedenken äußert. Als Anhang bringt er einen gelegentlich der Stuttgarter Straußwoche 1912 ge¬ haltenen Vortrag über Strauß als Persönlichkeit zum Abdruck. Er wollte darin

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/296>, abgerufen am 22.07.2024.