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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Der Kaiserin Josephine Aufstieg

diesen Räumen, an den Wänden der gewaltigen Kathedrale widerhallend, ein
neues Zeitalter heraufzuführen schien. Endlich kam die Heimfahrt; durch die
illuminierten Straßen -- es war spät geworden, und die Dämmerung brach
herein -- kehrten die Gekrönten in das Schloß zurück, beide tief ergriffen;
zehntausend Reiter mit Fackeln in den Händen erleuchteten den Weg, den sie
nahmen.

Vor der Fahrt nach Notre-Dame soll Napoleon zu seinem älteren Bruder,
als sie beide im Festschmucke dastanden, gesagt haben: "Joseph, wenn unser
Vater uns Säbel" So hat vielleicht auch Josephine, als sie, mit der Krone
Frankreichs geschmückt, vor dem Altar kniete, gedacht: "Wenn meine Mutter
mich sehen könnte!" Ihr Glück kannte keine Grenzen. Von einem Priester
getraut, vom Papste gesalbt, vom Kaiser gekrönt -- nun schien ihre Stellung
unantastbar und ihre Zukunft gesichert.

Doch einen ewigen Bund mit dem Schicksal vermag der Mensch bekannt-
ich nicht zu knüpfen.




Der Kaiserin Josephine Aufstieg

diesen Räumen, an den Wänden der gewaltigen Kathedrale widerhallend, ein
neues Zeitalter heraufzuführen schien. Endlich kam die Heimfahrt; durch die
illuminierten Straßen — es war spät geworden, und die Dämmerung brach
herein — kehrten die Gekrönten in das Schloß zurück, beide tief ergriffen;
zehntausend Reiter mit Fackeln in den Händen erleuchteten den Weg, den sie
nahmen.

Vor der Fahrt nach Notre-Dame soll Napoleon zu seinem älteren Bruder,
als sie beide im Festschmucke dastanden, gesagt haben: „Joseph, wenn unser
Vater uns Säbel" So hat vielleicht auch Josephine, als sie, mit der Krone
Frankreichs geschmückt, vor dem Altar kniete, gedacht: „Wenn meine Mutter
mich sehen könnte!" Ihr Glück kannte keine Grenzen. Von einem Priester
getraut, vom Papste gesalbt, vom Kaiser gekrönt — nun schien ihre Stellung
unantastbar und ihre Zukunft gesichert.

Doch einen ewigen Bund mit dem Schicksal vermag der Mensch bekannt-
ich nicht zu knüpfen.




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[0294] Der Kaiserin Josephine Aufstieg diesen Räumen, an den Wänden der gewaltigen Kathedrale widerhallend, ein neues Zeitalter heraufzuführen schien. Endlich kam die Heimfahrt; durch die illuminierten Straßen — es war spät geworden, und die Dämmerung brach herein — kehrten die Gekrönten in das Schloß zurück, beide tief ergriffen; zehntausend Reiter mit Fackeln in den Händen erleuchteten den Weg, den sie nahmen. Vor der Fahrt nach Notre-Dame soll Napoleon zu seinem älteren Bruder, als sie beide im Festschmucke dastanden, gesagt haben: „Joseph, wenn unser Vater uns Säbel" So hat vielleicht auch Josephine, als sie, mit der Krone Frankreichs geschmückt, vor dem Altar kniete, gedacht: „Wenn meine Mutter mich sehen könnte!" Ihr Glück kannte keine Grenzen. Von einem Priester getraut, vom Papste gesalbt, vom Kaiser gekrönt — nun schien ihre Stellung unantastbar und ihre Zukunft gesichert. Doch einen ewigen Bund mit dem Schicksal vermag der Mensch bekannt- ich nicht zu knüpfen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/294>, abgerufen am 22.07.2024.