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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Koburg aufgenommen, die nach Portugal, Belgien und Bulgarien verpflanzt
worden sind. Jenes schon erwähnte Ehepaar, Franz von Koburg-Saalfeld
und Auguste Reuß zu Ebersdorf, hatte außer dem Herzog Ernst und der
Mutter der Königin Victoria noch zwei staatengeschichtlich wichtige Söhne:
Ferdinand, der mit dem Vermögen seiner ungarischen Gemahlin von Kohari
und im Dienste des Hauses Österreich zu angesehener Stellung gelangte und
seinen Söhnen den Weg zu fremden Kronen bahnte, und Leopold, dem seine
erste Ehe mit der Prinzessin von Wales die britische Krone in Aussicht stellte,
bis ihr vorzeitiger Tod ihn darum brachte, dem dann die Krone der Hellenen
zu winken schien, bis ihm endlich Europas Verlegenheit und seine Gewandtheit
die neugeschmiedete Krone der Belgier verschafften. Leopold und sein Neffe
August von Koburg-Kohari heirateten zwei französische Schwestern, die Töchter
des Königs Ludwig Philipp, während Augusts Bruder Ferdinand durch seine
Verbindung mit der Königin Maria den Thron von Portugal bestieg. Diese drei
Nachkommen der sächsischen Reformation sfürsten sind so in den ziemlich engen
Kreis der katholischen großen Häuser Europas eingetreten, deren stärkere Inzucht
an den zunehmenden Ähnenverlusten zu erkennen ist, soweit sie nicht durch die
Aufnahme der unter Napoleon hochgekommenen französischen Kleinadelshäuser
aufgewogen wird. Der jetzige König der Belgier hat unter seinen Großeltern
scheinbar nur eine Französin neben drei Deutschen; von seinen Urgroßeltern
sind aber nur vier, also gerade die Hälfte deutsch, drei französisch, eine
italienisch. Da die Italienerin (von Sizilien) eine französische Mutter hat, finden
sich unter 16 Ahnen schon sieben Franzosen neben acht Deutschen. Wunderbarer-
weise taucht dann in der Reihe der 32 Ahnen eine richtige Belgierin auf:
eine Prinzessin von Horn aus altem brabantischen Hans, das in weiblicher
Linie von den Herzögen des Landes stammte und viele Verschwägerungen mit
deutschen und französischen Familien eingegangen war. Die Mutter dieser
Prinzessin von Horn war englischen Geblüts. Unter 64 Ahnen hat König
Albert immer noch 34 Deutsche, 26 Franzosen, zwei Italiener, eine Engländerin
und einen Brabanter, dessen Ahnen wohl zu gleichen Teilen deutscher und
französischer Herkunft sind. Er hat also weit mehr englisches Blut als der
König von England und der Herzog von Koburg-Gotha. Die Ahnentafel
Ferdinands von Bulgarien, der ein Sohn Augusts von Koburg-Kohari und
der Prinzessin Klementine von Orleans ist, hat natürlich viel gemeinsames mit
der des belgischen Königs; wir finden da unter 32 Ahnen 18 Teutsche, zehn
Franzosen, drei Italiener und einen Ungarn, unter 64 Ahnen 39 Deutsche,
1? Franzosen. 4 Italiener und je zwei Ungarn und Tschechen. Endlich König
Manuel von Portugal, Urenkel jenes Ferdinand und der Maria von Bwganza,
hat unter 32 Ahnen nur 14 Deutsche, zwölf Italiener, vier Franzosen,
je einen Ungarn und Portugiesen, unter 64 Ahnen 23 Deutsche,
19 Italiener, zwölf Franzosen, zwei Portugiesen, zwei Polen, einen
Ungarn. Bei ihm haben also die Romanen die absolute Mehrheit


Koburg aufgenommen, die nach Portugal, Belgien und Bulgarien verpflanzt
worden sind. Jenes schon erwähnte Ehepaar, Franz von Koburg-Saalfeld
und Auguste Reuß zu Ebersdorf, hatte außer dem Herzog Ernst und der
Mutter der Königin Victoria noch zwei staatengeschichtlich wichtige Söhne:
Ferdinand, der mit dem Vermögen seiner ungarischen Gemahlin von Kohari
und im Dienste des Hauses Österreich zu angesehener Stellung gelangte und
seinen Söhnen den Weg zu fremden Kronen bahnte, und Leopold, dem seine
erste Ehe mit der Prinzessin von Wales die britische Krone in Aussicht stellte,
bis ihr vorzeitiger Tod ihn darum brachte, dem dann die Krone der Hellenen
zu winken schien, bis ihm endlich Europas Verlegenheit und seine Gewandtheit
die neugeschmiedete Krone der Belgier verschafften. Leopold und sein Neffe
August von Koburg-Kohari heirateten zwei französische Schwestern, die Töchter
des Königs Ludwig Philipp, während Augusts Bruder Ferdinand durch seine
Verbindung mit der Königin Maria den Thron von Portugal bestieg. Diese drei
Nachkommen der sächsischen Reformation sfürsten sind so in den ziemlich engen
Kreis der katholischen großen Häuser Europas eingetreten, deren stärkere Inzucht
an den zunehmenden Ähnenverlusten zu erkennen ist, soweit sie nicht durch die
Aufnahme der unter Napoleon hochgekommenen französischen Kleinadelshäuser
aufgewogen wird. Der jetzige König der Belgier hat unter seinen Großeltern
scheinbar nur eine Französin neben drei Deutschen; von seinen Urgroßeltern
sind aber nur vier, also gerade die Hälfte deutsch, drei französisch, eine
italienisch. Da die Italienerin (von Sizilien) eine französische Mutter hat, finden
sich unter 16 Ahnen schon sieben Franzosen neben acht Deutschen. Wunderbarer-
weise taucht dann in der Reihe der 32 Ahnen eine richtige Belgierin auf:
eine Prinzessin von Horn aus altem brabantischen Hans, das in weiblicher
Linie von den Herzögen des Landes stammte und viele Verschwägerungen mit
deutschen und französischen Familien eingegangen war. Die Mutter dieser
Prinzessin von Horn war englischen Geblüts. Unter 64 Ahnen hat König
Albert immer noch 34 Deutsche, 26 Franzosen, zwei Italiener, eine Engländerin
und einen Brabanter, dessen Ahnen wohl zu gleichen Teilen deutscher und
französischer Herkunft sind. Er hat also weit mehr englisches Blut als der
König von England und der Herzog von Koburg-Gotha. Die Ahnentafel
Ferdinands von Bulgarien, der ein Sohn Augusts von Koburg-Kohari und
der Prinzessin Klementine von Orleans ist, hat natürlich viel gemeinsames mit
der des belgischen Königs; wir finden da unter 32 Ahnen 18 Teutsche, zehn
Franzosen, drei Italiener und einen Ungarn, unter 64 Ahnen 39 Deutsche,
1? Franzosen. 4 Italiener und je zwei Ungarn und Tschechen. Endlich König
Manuel von Portugal, Urenkel jenes Ferdinand und der Maria von Bwganza,
hat unter 32 Ahnen nur 14 Deutsche, zwölf Italiener, vier Franzosen,
je einen Ungarn und Portugiesen, unter 64 Ahnen 23 Deutsche,
19 Italiener, zwölf Franzosen, zwei Portugiesen, zwei Polen, einen
Ungarn. Bei ihm haben also die Romanen die absolute Mehrheit


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[0235] Koburg aufgenommen, die nach Portugal, Belgien und Bulgarien verpflanzt worden sind. Jenes schon erwähnte Ehepaar, Franz von Koburg-Saalfeld und Auguste Reuß zu Ebersdorf, hatte außer dem Herzog Ernst und der Mutter der Königin Victoria noch zwei staatengeschichtlich wichtige Söhne: Ferdinand, der mit dem Vermögen seiner ungarischen Gemahlin von Kohari und im Dienste des Hauses Österreich zu angesehener Stellung gelangte und seinen Söhnen den Weg zu fremden Kronen bahnte, und Leopold, dem seine erste Ehe mit der Prinzessin von Wales die britische Krone in Aussicht stellte, bis ihr vorzeitiger Tod ihn darum brachte, dem dann die Krone der Hellenen zu winken schien, bis ihm endlich Europas Verlegenheit und seine Gewandtheit die neugeschmiedete Krone der Belgier verschafften. Leopold und sein Neffe August von Koburg-Kohari heirateten zwei französische Schwestern, die Töchter des Königs Ludwig Philipp, während Augusts Bruder Ferdinand durch seine Verbindung mit der Königin Maria den Thron von Portugal bestieg. Diese drei Nachkommen der sächsischen Reformation sfürsten sind so in den ziemlich engen Kreis der katholischen großen Häuser Europas eingetreten, deren stärkere Inzucht an den zunehmenden Ähnenverlusten zu erkennen ist, soweit sie nicht durch die Aufnahme der unter Napoleon hochgekommenen französischen Kleinadelshäuser aufgewogen wird. Der jetzige König der Belgier hat unter seinen Großeltern scheinbar nur eine Französin neben drei Deutschen; von seinen Urgroßeltern sind aber nur vier, also gerade die Hälfte deutsch, drei französisch, eine italienisch. Da die Italienerin (von Sizilien) eine französische Mutter hat, finden sich unter 16 Ahnen schon sieben Franzosen neben acht Deutschen. Wunderbarer- weise taucht dann in der Reihe der 32 Ahnen eine richtige Belgierin auf: eine Prinzessin von Horn aus altem brabantischen Hans, das in weiblicher Linie von den Herzögen des Landes stammte und viele Verschwägerungen mit deutschen und französischen Familien eingegangen war. Die Mutter dieser Prinzessin von Horn war englischen Geblüts. Unter 64 Ahnen hat König Albert immer noch 34 Deutsche, 26 Franzosen, zwei Italiener, eine Engländerin und einen Brabanter, dessen Ahnen wohl zu gleichen Teilen deutscher und französischer Herkunft sind. Er hat also weit mehr englisches Blut als der König von England und der Herzog von Koburg-Gotha. Die Ahnentafel Ferdinands von Bulgarien, der ein Sohn Augusts von Koburg-Kohari und der Prinzessin Klementine von Orleans ist, hat natürlich viel gemeinsames mit der des belgischen Königs; wir finden da unter 32 Ahnen 18 Teutsche, zehn Franzosen, drei Italiener und einen Ungarn, unter 64 Ahnen 39 Deutsche, 1? Franzosen. 4 Italiener und je zwei Ungarn und Tschechen. Endlich König Manuel von Portugal, Urenkel jenes Ferdinand und der Maria von Bwganza, hat unter 32 Ahnen nur 14 Deutsche, zwölf Italiener, vier Franzosen, je einen Ungarn und Portugiesen, unter 64 Ahnen 23 Deutsche, 19 Italiener, zwölf Franzosen, zwei Portugiesen, zwei Polen, einen Ungarn. Bei ihm haben also die Romanen die absolute Mehrheit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/235>, abgerufen am 24.08.2024.