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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Heide) in der Kolonie Cordingen Versuche mit der Siedelung Kriegs-
verletzter.

Der gesunde Grundgedanke der ganzen Bewegung läßt sich nicht leugnen.
Für die praktische Durchführung im einzelnen müssen aber natürlich erst größere
Erfahrungen gewonnen werden. Wenn auch für eine Auseinandersetzung und
kritische Erörterung der Grundsätze der ganzen Siedelungsbewegung hier
nicht der Ort ist -- dazu würde ein eigener Aufsatz nur notdürftig Platz
bieten -- so soll doch nicht verschwiegen werden, daß der Gedanke des "Haupt¬
ausschusses für Kriegerheimstätten", das Reich zum Träger der Kriegersiedelung
zu machen, nach dem Urteil Sachverständiger, wie z. B. des Generalsekretärs
des "Deutschen Vereins für Wohnungsreform" Dr. Karl von Mangoldt, großen
organisatorischen und auch rechtlichen, schließlich praktischen Schwierigkeiten be¬
gegnet. Dr. von Mangoldt denkt sich die Siedelungsbewegung als eine große
Volksbewegung, an der nicht nur die einschlägigen Organisationen (Bund
deutscher Bodenreformer, die verschiedenen Organisationen für Wohnungsreform
usw.), sondern auch die großen Staiidesorganisationen, die politischen Parteien
und schließlich alle Volkskreise überhaupt nach ihren Kräften mitarbeiten.

Vom Standpunkte der Kriegsverletztenfürsorge aus scheint mir die Ver-
auickung der landwirtschaftlichen Siedelung Kriegsbeschädigter mit den großen
Fragen und Zielen der Boden- und Siedelungsreform überhaupt keinen glück¬
lichen Zustand zu schaffen. Auch auf diesem Teilgebiete der Kriegsbeschädigten¬
fürsorge scheint nur nach den bisherigen Erfahrungen nicht die Arbeit im
Großen und von obenher, nicht die Aufstellung eines großzügigen und weit¬
schauenden Planes den nächsten und größten Erfolg zu versprechen, sondern
die Arbeit im Kleinen, von unten her, am gegebenen Falle und mit den vor¬
handenen Mitteln. Wenn es der Kriegsbeschädigtenfürsorge gelingt, einem
kriegsbeschädigten Bauern durch geeignete Arbeitsschulung die weitere Existenz
auf seiner Scholle zu ermöglichen, so hat sie schon Großes geleistet. Falls es
im übrigen wirklich zur landwirtschaftlichen Siedelung Kriegs verletzter in
größerem Maßstabe kommen sollte, so wird man sich der Fürsorgestellen zur
Feststellung der Arbeitsfähigkeit und Eignung des betreffenden Verletzten zur
Siedelung. gegebenenfalls zu seiner Schulung in weitgehendemMaße bedienen können
und -- müssen, um Mißgriffe in der Person des Angesiedelten nach Möglichkeit zu
verhüten.

Das hier geschilderte Gebiet der wirtschaftlichen Fürsorge für Kriegsver¬
letzte bietet ein weites und dankbares Arbeitsfeld. Es lassen sich schöne Er¬
folge darauf erzielen, wenn alle Volkskreise, alle B?rufskreise in die Aufgaben
der Kriegsbeschädigtenfürsorge einen genügenden Einblick und das nötige Ver¬
ständnis dafür haben, um sie im gegebenen Falle auch nach ihren Kräften zu
unterstützen. Auf dieses Ziel seinerseits mit hinzuwirken, ist der Zweck dieses
Aussatzes.




Heide) in der Kolonie Cordingen Versuche mit der Siedelung Kriegs-
verletzter.

Der gesunde Grundgedanke der ganzen Bewegung läßt sich nicht leugnen.
Für die praktische Durchführung im einzelnen müssen aber natürlich erst größere
Erfahrungen gewonnen werden. Wenn auch für eine Auseinandersetzung und
kritische Erörterung der Grundsätze der ganzen Siedelungsbewegung hier
nicht der Ort ist — dazu würde ein eigener Aufsatz nur notdürftig Platz
bieten — so soll doch nicht verschwiegen werden, daß der Gedanke des „Haupt¬
ausschusses für Kriegerheimstätten", das Reich zum Träger der Kriegersiedelung
zu machen, nach dem Urteil Sachverständiger, wie z. B. des Generalsekretärs
des „Deutschen Vereins für Wohnungsreform" Dr. Karl von Mangoldt, großen
organisatorischen und auch rechtlichen, schließlich praktischen Schwierigkeiten be¬
gegnet. Dr. von Mangoldt denkt sich die Siedelungsbewegung als eine große
Volksbewegung, an der nicht nur die einschlägigen Organisationen (Bund
deutscher Bodenreformer, die verschiedenen Organisationen für Wohnungsreform
usw.), sondern auch die großen Staiidesorganisationen, die politischen Parteien
und schließlich alle Volkskreise überhaupt nach ihren Kräften mitarbeiten.

Vom Standpunkte der Kriegsverletztenfürsorge aus scheint mir die Ver-
auickung der landwirtschaftlichen Siedelung Kriegsbeschädigter mit den großen
Fragen und Zielen der Boden- und Siedelungsreform überhaupt keinen glück¬
lichen Zustand zu schaffen. Auch auf diesem Teilgebiete der Kriegsbeschädigten¬
fürsorge scheint nur nach den bisherigen Erfahrungen nicht die Arbeit im
Großen und von obenher, nicht die Aufstellung eines großzügigen und weit¬
schauenden Planes den nächsten und größten Erfolg zu versprechen, sondern
die Arbeit im Kleinen, von unten her, am gegebenen Falle und mit den vor¬
handenen Mitteln. Wenn es der Kriegsbeschädigtenfürsorge gelingt, einem
kriegsbeschädigten Bauern durch geeignete Arbeitsschulung die weitere Existenz
auf seiner Scholle zu ermöglichen, so hat sie schon Großes geleistet. Falls es
im übrigen wirklich zur landwirtschaftlichen Siedelung Kriegs verletzter in
größerem Maßstabe kommen sollte, so wird man sich der Fürsorgestellen zur
Feststellung der Arbeitsfähigkeit und Eignung des betreffenden Verletzten zur
Siedelung. gegebenenfalls zu seiner Schulung in weitgehendemMaße bedienen können
und — müssen, um Mißgriffe in der Person des Angesiedelten nach Möglichkeit zu
verhüten.

Das hier geschilderte Gebiet der wirtschaftlichen Fürsorge für Kriegsver¬
letzte bietet ein weites und dankbares Arbeitsfeld. Es lassen sich schöne Er¬
folge darauf erzielen, wenn alle Volkskreise, alle B?rufskreise in die Aufgaben
der Kriegsbeschädigtenfürsorge einen genügenden Einblick und das nötige Ver¬
ständnis dafür haben, um sie im gegebenen Falle auch nach ihren Kräften zu
unterstützen. Auf dieses Ziel seinerseits mit hinzuwirken, ist der Zweck dieses
Aussatzes.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/231>, abgerufen am 22.07.2024.