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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Der Acimpf der Deutschen gegen die Fremdwörter

im Amiant. Das undeutsche "Adieu", das ja bekanntermaßen im französischen
in ganz anderem Sinne verwendet wird als ehedem bei uns, können wir
fraglos entbehren, doch möchte ich es in der deutschgewordenen Form "Ade"
nun und nimmermehr missen, hat es doch in dieser Form Eingang gefunden
im Volksliede, also der Lileraturgaltung, die (wie das Märchen und das
Sprichwort) sich von wirklich fremden Bestandteilen durchaus reingehalten hat.

Weiter muß man sich bei Verdeutschungen hüten vor Neubildungen, die
wegen ihrer Beziehungen zu ähnlichen deutschen Wortbildungen irreführen
können. "Telephon" ^ "Fernsprecher", meinetwegen; ist aber ein "Telephon¬
gespräch" stets ein "Ferngespräch" in dem jetzt damit verbundenem Sinne?
Manchmal gelingt die Verdeutschung nur für die eine Wortklasse, versagt aber
bei der anderen: "Kollege" ^- "Amtsgenosse", gut; aber wie steht es mit "Kolle¬
gium", "kollegial" usw.? Mit dem guten Willen, die eigene Sprache gänzlich
rein zu halten, ist es nicht getan, sehr viel Takt (auch ein unübersetzbares
"Fremdwort"!) und Sprachgefühl ist nötig/)

Wir wollen wahrhaft entbehrliche Fremdwörter nicht aus Eitelkeit ge¬
brauchen, um so mit billiger "Gelehrsamkeit" zu prunken, auch nicht aus Be¬
quemlichkeit und Gedankenträgkeil von vieldeutigen Fremdwörtern unsere Rede
durchsetzen lassen, besonders wollen wir nicht, indem wir sprachliche Selbstzucht ver¬
missen lassen, einer Modenarrheit folgen und das eine oder andere Modefremdwort
gebrauchen, aber wir wollen uns doch auch klar machen, daß moderne Ent¬
deckungen und Erfindungen, neuzeitliche Erweiterungen des gesamten Geistes¬
inhalts der Kulturmenschheit eine Erweiterung des bestehenden Wortschatzes
gebieterisch erheischen, zu der die eigene oder überhaupt eine Sprache allein
nicht als sprachbildeud und ausdruckzeugend ausreicht. In diesen Fällen sind
Entlehnungen aus fremdem sprachlichen Eigentum zu eigener wertvoller Be¬
reicherung notwendig.

Halten wir uns im Kampf gegen die Frcmdwöiter vor allen Dingen frei
von jeder Pedanterie, die uns lächerlich macht, und den Erfolg einer an sich
durchaus löblichen Bewegung in Frage stellt. Was schrieb doch Schiller den
"Puristen" in das Stammbuch?


"Sinnreich bist du, die Sprache von fremden Wörtern zu säubern,
Nun so sage doch, Freund, wie man Pedant uns verdeutscht!"




*) Ein Wörterbuch sür das tägliche Leben, das der Verdeutschung von Fremdwörtern
gewidmet ist, hat Dr. Friedrich Dusel kürzlich bei George Westermann in Braunschweig
erscheinen lassen (geb. 1,S0 M,). Wir möchten die Aufmerksamkeit unserer Leser auf das
treffliche Büchlein lenken.
Der Acimpf der Deutschen gegen die Fremdwörter

im Amiant. Das undeutsche „Adieu", das ja bekanntermaßen im französischen
in ganz anderem Sinne verwendet wird als ehedem bei uns, können wir
fraglos entbehren, doch möchte ich es in der deutschgewordenen Form „Ade"
nun und nimmermehr missen, hat es doch in dieser Form Eingang gefunden
im Volksliede, also der Lileraturgaltung, die (wie das Märchen und das
Sprichwort) sich von wirklich fremden Bestandteilen durchaus reingehalten hat.

Weiter muß man sich bei Verdeutschungen hüten vor Neubildungen, die
wegen ihrer Beziehungen zu ähnlichen deutschen Wortbildungen irreführen
können. „Telephon" ^ „Fernsprecher", meinetwegen; ist aber ein „Telephon¬
gespräch" stets ein „Ferngespräch" in dem jetzt damit verbundenem Sinne?
Manchmal gelingt die Verdeutschung nur für die eine Wortklasse, versagt aber
bei der anderen: „Kollege" ^- „Amtsgenosse", gut; aber wie steht es mit „Kolle¬
gium", „kollegial" usw.? Mit dem guten Willen, die eigene Sprache gänzlich
rein zu halten, ist es nicht getan, sehr viel Takt (auch ein unübersetzbares
„Fremdwort"!) und Sprachgefühl ist nötig/)

Wir wollen wahrhaft entbehrliche Fremdwörter nicht aus Eitelkeit ge¬
brauchen, um so mit billiger „Gelehrsamkeit" zu prunken, auch nicht aus Be¬
quemlichkeit und Gedankenträgkeil von vieldeutigen Fremdwörtern unsere Rede
durchsetzen lassen, besonders wollen wir nicht, indem wir sprachliche Selbstzucht ver¬
missen lassen, einer Modenarrheit folgen und das eine oder andere Modefremdwort
gebrauchen, aber wir wollen uns doch auch klar machen, daß moderne Ent¬
deckungen und Erfindungen, neuzeitliche Erweiterungen des gesamten Geistes¬
inhalts der Kulturmenschheit eine Erweiterung des bestehenden Wortschatzes
gebieterisch erheischen, zu der die eigene oder überhaupt eine Sprache allein
nicht als sprachbildeud und ausdruckzeugend ausreicht. In diesen Fällen sind
Entlehnungen aus fremdem sprachlichen Eigentum zu eigener wertvoller Be¬
reicherung notwendig.

Halten wir uns im Kampf gegen die Frcmdwöiter vor allen Dingen frei
von jeder Pedanterie, die uns lächerlich macht, und den Erfolg einer an sich
durchaus löblichen Bewegung in Frage stellt. Was schrieb doch Schiller den
„Puristen" in das Stammbuch?


„Sinnreich bist du, die Sprache von fremden Wörtern zu säubern,
Nun so sage doch, Freund, wie man Pedant uns verdeutscht!"




*) Ein Wörterbuch sür das tägliche Leben, das der Verdeutschung von Fremdwörtern
gewidmet ist, hat Dr. Friedrich Dusel kürzlich bei George Westermann in Braunschweig
erscheinen lassen (geb. 1,S0 M,). Wir möchten die Aufmerksamkeit unserer Leser auf das
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[0135] Der Acimpf der Deutschen gegen die Fremdwörter im Amiant. Das undeutsche „Adieu", das ja bekanntermaßen im französischen in ganz anderem Sinne verwendet wird als ehedem bei uns, können wir fraglos entbehren, doch möchte ich es in der deutschgewordenen Form „Ade" nun und nimmermehr missen, hat es doch in dieser Form Eingang gefunden im Volksliede, also der Lileraturgaltung, die (wie das Märchen und das Sprichwort) sich von wirklich fremden Bestandteilen durchaus reingehalten hat. Weiter muß man sich bei Verdeutschungen hüten vor Neubildungen, die wegen ihrer Beziehungen zu ähnlichen deutschen Wortbildungen irreführen können. „Telephon" ^ „Fernsprecher", meinetwegen; ist aber ein „Telephon¬ gespräch" stets ein „Ferngespräch" in dem jetzt damit verbundenem Sinne? Manchmal gelingt die Verdeutschung nur für die eine Wortklasse, versagt aber bei der anderen: „Kollege" ^- „Amtsgenosse", gut; aber wie steht es mit „Kolle¬ gium", „kollegial" usw.? Mit dem guten Willen, die eigene Sprache gänzlich rein zu halten, ist es nicht getan, sehr viel Takt (auch ein unübersetzbares „Fremdwort"!) und Sprachgefühl ist nötig/) Wir wollen wahrhaft entbehrliche Fremdwörter nicht aus Eitelkeit ge¬ brauchen, um so mit billiger „Gelehrsamkeit" zu prunken, auch nicht aus Be¬ quemlichkeit und Gedankenträgkeil von vieldeutigen Fremdwörtern unsere Rede durchsetzen lassen, besonders wollen wir nicht, indem wir sprachliche Selbstzucht ver¬ missen lassen, einer Modenarrheit folgen und das eine oder andere Modefremdwort gebrauchen, aber wir wollen uns doch auch klar machen, daß moderne Ent¬ deckungen und Erfindungen, neuzeitliche Erweiterungen des gesamten Geistes¬ inhalts der Kulturmenschheit eine Erweiterung des bestehenden Wortschatzes gebieterisch erheischen, zu der die eigene oder überhaupt eine Sprache allein nicht als sprachbildeud und ausdruckzeugend ausreicht. In diesen Fällen sind Entlehnungen aus fremdem sprachlichen Eigentum zu eigener wertvoller Be¬ reicherung notwendig. Halten wir uns im Kampf gegen die Frcmdwöiter vor allen Dingen frei von jeder Pedanterie, die uns lächerlich macht, und den Erfolg einer an sich durchaus löblichen Bewegung in Frage stellt. Was schrieb doch Schiller den „Puristen" in das Stammbuch? „Sinnreich bist du, die Sprache von fremden Wörtern zu säubern, Nun so sage doch, Freund, wie man Pedant uns verdeutscht!" *) Ein Wörterbuch sür das tägliche Leben, das der Verdeutschung von Fremdwörtern gewidmet ist, hat Dr. Friedrich Dusel kürzlich bei George Westermann in Braunschweig erscheinen lassen (geb. 1,S0 M,). Wir möchten die Aufmerksamkeit unserer Leser auf das treffliche Büchlein lenken.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/135>, abgerufen am 27.12.2024.