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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Der Weltkrieg und die Preise der Lebensmittel

Vervollkommnung -- wurden für England und seine Verbündeten verhängnisvoll.
Die maritime Machtstellung Großbritanniens hatte bei der Mehrheit des englischen
Volkes die Überzeugung gezeitigt, daß Englands Küsten unantastbar seien und
daß seine Nahrungsmittelzufuhr, auf die es infolge der Geringfügigkeit seiner
eigenen Landwirtschaft angewiesen ist, nicht abgeschnitten werden könne. Die
Wirklichkeit Hai diese Annahme der Engländer über den Haufen geworfen, denn
England ist zurzeit in eine Wirtschaftslage geraten, die bei Beginn des Krieges
selbst pessimistische Beurteiler nicht hätten voraussagen können. Der enorme
Hochgang der Preise der Lebensmitel bestätigt dies. So stieg beispielsweise
der Preis des besten in England gehandelten Manitoba - Weizen per Quarter
in London von 32 Schilling 9 Perun am 4. Juli 1914 auf 73 Schilling am
8. Mai 1915. In derselben Zeit stieg der Preis des Weizenmehls in London
ebenfalls und zwar für den englischen Sack von 28 Schilling 3 Penny auf
54 Schilling. Der Preis für acht Pfund gewöhnlichen Rindfleisches, der zu
Anfang August 1914 3 Schilling 4 Penny betragen hatte, war bereits bis
Anfang Mai 1915 auf 4 Schilling 8 Penny gestiegen. Gegen Ende Mai
wurde die Fleischknappheit so ersichtlich, daß die Schlächterläden großer Industrie¬
zentren, wie Manchester, Salford und Pendelton beschlossen, nur dreimal in
der Woche Fleisch zum Verkauf zu stellen und ein Mahnruf an die
englische Bevölkerung erging, den Fleischkonsum im Interesse der Ernährung
einzuschränken. Aus Glasgow wurde berichtet, daß zweihundert Schlächter
ihre Läden schließen mußten und daß die Preise jetzt höher sind, als die
Hungersnotpreise im Jahre 1880. Meldungen aus Manchester vom 13. Juni
1915 besagen, daß die Fleischpreise um 40 bis 50 Prozent gestiegen seien, die
Fischpreise infolge der Einschränkung der Fischerei um 25 Prozent; fast alle
anderen Lebensmittel, wie Reis, Erbsen, Bohnen, stiegen entsprechend im Preise.
Diese Steigerungen -- so wird betont -- sind für den Haushalt der Mittelklasse
unbequem, aber für die Armen bereits eine Tragödie. In London stiegen die
Brotpreise seit Ausbruch des Krieges bis Anfang Mai von 5^ auf 9 Penny.
Ebenfalls in London kostete im Februar 1915 der Speck allein schon 2 Schilling
pro Pfund. Im Januar 1915 war der Preis für Eier bereits um 50 und
der für Zucker um 62 Prozent gestiegen. Ähnliche Berichte liegen aus Liverpool,
Newcastle und einer ganzen Reihe englischer Städte vor.

Einen Einblick in die Preisverhältnisse der notwendigsten Lebensmittel, wie
sie vor dem Kriege waren und wie sie im März 1915 sich gestaltet hatten,
gibt nachstehende aus London stammende vergleichende Zusammenstellung. Es
kosteten:

1914 1916
Juli März
1 Pfund Brot.......11 Pfg. 15 Pfg.
1 " Schweinefleisch.... 94 " 125 "
1 " Käse.......77 " 105 "

Der Weltkrieg und die Preise der Lebensmittel

Vervollkommnung — wurden für England und seine Verbündeten verhängnisvoll.
Die maritime Machtstellung Großbritanniens hatte bei der Mehrheit des englischen
Volkes die Überzeugung gezeitigt, daß Englands Küsten unantastbar seien und
daß seine Nahrungsmittelzufuhr, auf die es infolge der Geringfügigkeit seiner
eigenen Landwirtschaft angewiesen ist, nicht abgeschnitten werden könne. Die
Wirklichkeit Hai diese Annahme der Engländer über den Haufen geworfen, denn
England ist zurzeit in eine Wirtschaftslage geraten, die bei Beginn des Krieges
selbst pessimistische Beurteiler nicht hätten voraussagen können. Der enorme
Hochgang der Preise der Lebensmitel bestätigt dies. So stieg beispielsweise
der Preis des besten in England gehandelten Manitoba - Weizen per Quarter
in London von 32 Schilling 9 Perun am 4. Juli 1914 auf 73 Schilling am
8. Mai 1915. In derselben Zeit stieg der Preis des Weizenmehls in London
ebenfalls und zwar für den englischen Sack von 28 Schilling 3 Penny auf
54 Schilling. Der Preis für acht Pfund gewöhnlichen Rindfleisches, der zu
Anfang August 1914 3 Schilling 4 Penny betragen hatte, war bereits bis
Anfang Mai 1915 auf 4 Schilling 8 Penny gestiegen. Gegen Ende Mai
wurde die Fleischknappheit so ersichtlich, daß die Schlächterläden großer Industrie¬
zentren, wie Manchester, Salford und Pendelton beschlossen, nur dreimal in
der Woche Fleisch zum Verkauf zu stellen und ein Mahnruf an die
englische Bevölkerung erging, den Fleischkonsum im Interesse der Ernährung
einzuschränken. Aus Glasgow wurde berichtet, daß zweihundert Schlächter
ihre Läden schließen mußten und daß die Preise jetzt höher sind, als die
Hungersnotpreise im Jahre 1880. Meldungen aus Manchester vom 13. Juni
1915 besagen, daß die Fleischpreise um 40 bis 50 Prozent gestiegen seien, die
Fischpreise infolge der Einschränkung der Fischerei um 25 Prozent; fast alle
anderen Lebensmittel, wie Reis, Erbsen, Bohnen, stiegen entsprechend im Preise.
Diese Steigerungen — so wird betont — sind für den Haushalt der Mittelklasse
unbequem, aber für die Armen bereits eine Tragödie. In London stiegen die
Brotpreise seit Ausbruch des Krieges bis Anfang Mai von 5^ auf 9 Penny.
Ebenfalls in London kostete im Februar 1915 der Speck allein schon 2 Schilling
pro Pfund. Im Januar 1915 war der Preis für Eier bereits um 50 und
der für Zucker um 62 Prozent gestiegen. Ähnliche Berichte liegen aus Liverpool,
Newcastle und einer ganzen Reihe englischer Städte vor.

Einen Einblick in die Preisverhältnisse der notwendigsten Lebensmittel, wie
sie vor dem Kriege waren und wie sie im März 1915 sich gestaltet hatten,
gibt nachstehende aus London stammende vergleichende Zusammenstellung. Es
kosteten:

1914 1916
Juli März
1 Pfund Brot.......11 Pfg. 15 Pfg.
1 „ Schweinefleisch.... 94 „ 125 „
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/84>, abgerufen am 22.07.2024.