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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

der Verfasser eifrig polemisiert, keineswegs
entkräftet werden, selbst nicht Sodens Be¬
hauptung, "von einem Glauben an andere
Götter könne innerhalb des Judentums
nimmermehr die Rede sein," wenn man
nur unter Judentum das versteht, was die
Theologen darunter verstanden wissen wollen,
nämlich die Zustände nach dem Exil. Daß
Mythus und Sage bei dem Aufriß des Lebens
Jesu stark mitgearbeitet haben, ja, daß die
wuchernden Schlinggewächse den Stamm viel¬
fach völlig verdeckt haben, sicherlich an mehr
Stellen, als die wissenschaftliche Theologie
zugeben will, das ist zweifellos richtig, trifft
aber den Kern der Drewschen Hypothese nicht.
Übrigens ist sich der Verfasser selbst dessen
Wohl bewußt, daß ein giltiger Beweis dafür
bisher nicht möglich ist.

Er will auch eigentlich auf einen anderen
Gedanken hinaus, und das ist daS zweite
Ziel, dem sein Buch zustrebt. Selbst wenn
sich durch neue Entdeckungen -- meint Groth
-- einwandfrei nachweisen ließe, daß Jesus
nicht gelebt hat, und damit bewiesen wäre,
daß die christliche Religion ganz und gar
aus dem Synkretismus der Zeit entstanden
ist, so könnte das dem rechtverstandenen
Christentum keinen Abbruch tun; denn es ist
eine überhistorische Erscheinung, die nicht an
einem geschichtlichen Jesus, sondern an dem
ewig wirksamen Christusgeist hängt. Dem¬
gemäß erscheint dem Verfasser, ganz wie
Luther, das Johannes-Evangelium als das
Hauptevangelium. ".Ich bin der Weg, die
Wahrheit und das Leben.' Dieser Satz
ist für mein Empfinden wertvoller als
Bethlehem? und Golgatha und alles, was
dazwischen liegt" (S, 124). Und hier können
wir dem Verfasser in der Hauptsache zu¬
stimmen, auch wenn wir über den Wert des
Johannes-Evangeliums im Vergleich zu den
Synoptikern umgekehrt urteilen. Die Theo¬
logen -- orthodoxe und liberale -- sind viel
zu sehr Historizisten; sie vergessen ganz, daß
es doch ini Evangelium auf den Inhalt der

[Spaltenumbruch]

Verkündigung ankommt und nicht auf die
Form oder Gelegenheit; daß ein Inhalt, der
wahr ist, überzeitlich ist, und daß "zufällige
Geschichtswahrheiten niemals der Beweis von
notwendigen Vernunftwahrheiten sein können"
(Lessing). Es ist verdienstvoll, daß Groth
diesen Aberglauben von der Notwendigkeit
einer historischen Stützung des christlichen
Glaubens energisch bekämpft.

Das Wesen des Christusgeistes klar zu
machen, ist die dritte Aufgabe, die sich der
Verfasser stellt. Leider behandelt er diese
Frage nicht im Zusammenhang, sondern legt
nur hier und da im Anschluß an anders¬
gerichtete Untersuchungen ein kurzes Bekenntnis
ab. Ich muß es mir auch in diesem Fall
versagen, auf Einzelheiten einzugehen, zumal
sich über solche Dinge schwer rechten läßt.
Mir scheint allerdings der Begriff "christlich"
zu weit gezogen zu sein. Wenn z. B. der
Verfasser (S. 120) erklärt: "Eine Christentat
ist jeder Übergang zum Besseren, zum All¬
gemeinverständlichen, sei es zum französischen
Maßsystem oder zum englischen Nullmeridian
oder zum päpstlichen Kalender oder zur
lateinischen Buchstabenschrift oder zur Ther¬
mometerskala des Schweden Celsius", so ist
das eine Überspannung des Begriffs auf
Gebiete, auf denen religiöse Werturteile völlig
unangebracht sind. Eins aber betont er mit
Recht, daß Christus "der unsterbliche Herold
der Wahrheit um jeden Preis" oder besser
der Wahrhaftigkeit um jeden Preis ist.

Das Verständnis der Schrift wird leider
erschwert durch die unsystematische Art der
Darstellung und vielfache Unterbrechungen
der sachlichen Ausjührungen durch persönliche
Mitteilungen, die durchaus entbehrlich sind-
Auch scheint mir der Spott, so berechtigt er
an sich sein mag, nicht immer geschmackvoll.
Endlich sind manche Einfälle höchst wunder¬
lich. Im ganzen aber ist das Buch erfreu¬
lich, weil es lebendige Religiosität, ernstes
Wahrheitsstreben und starken Wahrheitsmut
Dr. Eduard Havcnstcin verrät.

[Ende Spaltensatz]


Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung
nicht verbürgt werde" kann"




Nachdruck sämtlicher Aufsitze nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags gestattet.
Verantwortlich: der Herausgeber Georg Cleinow in Berlin-Lichte"selbe West, -- Manuskriutsendungen und
Briefe werden erbeten unter der Adresse:
An den Hcrailsaclier der Grenzboten in Berlin-LIchtcrselde West, Stcrnftrasio 5l>.
Fernsprecher des Herausgeber": Amt Lichterseld- 498, des Verlag" und der Schriftleitung: Amt Lü"vo i5t".
Verlag: Verlag der Grenzboten G. in> b. H. in Berlin SV 11, Tempellioser Ils-r 36s.
Druck: "Der N-ichSbote" G. in. b. H. in Berlin SV 11, Dessauer Strasze 3t>M.
Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

der Verfasser eifrig polemisiert, keineswegs
entkräftet werden, selbst nicht Sodens Be¬
hauptung, „von einem Glauben an andere
Götter könne innerhalb des Judentums
nimmermehr die Rede sein," wenn man
nur unter Judentum das versteht, was die
Theologen darunter verstanden wissen wollen,
nämlich die Zustände nach dem Exil. Daß
Mythus und Sage bei dem Aufriß des Lebens
Jesu stark mitgearbeitet haben, ja, daß die
wuchernden Schlinggewächse den Stamm viel¬
fach völlig verdeckt haben, sicherlich an mehr
Stellen, als die wissenschaftliche Theologie
zugeben will, das ist zweifellos richtig, trifft
aber den Kern der Drewschen Hypothese nicht.
Übrigens ist sich der Verfasser selbst dessen
Wohl bewußt, daß ein giltiger Beweis dafür
bisher nicht möglich ist.

Er will auch eigentlich auf einen anderen
Gedanken hinaus, und das ist daS zweite
Ziel, dem sein Buch zustrebt. Selbst wenn
sich durch neue Entdeckungen — meint Groth
— einwandfrei nachweisen ließe, daß Jesus
nicht gelebt hat, und damit bewiesen wäre,
daß die christliche Religion ganz und gar
aus dem Synkretismus der Zeit entstanden
ist, so könnte das dem rechtverstandenen
Christentum keinen Abbruch tun; denn es ist
eine überhistorische Erscheinung, die nicht an
einem geschichtlichen Jesus, sondern an dem
ewig wirksamen Christusgeist hängt. Dem¬
gemäß erscheint dem Verfasser, ganz wie
Luther, das Johannes-Evangelium als das
Hauptevangelium. „.Ich bin der Weg, die
Wahrheit und das Leben.' Dieser Satz
ist für mein Empfinden wertvoller als
Bethlehem? und Golgatha und alles, was
dazwischen liegt" (S, 124). Und hier können
wir dem Verfasser in der Hauptsache zu¬
stimmen, auch wenn wir über den Wert des
Johannes-Evangeliums im Vergleich zu den
Synoptikern umgekehrt urteilen. Die Theo¬
logen — orthodoxe und liberale — sind viel
zu sehr Historizisten; sie vergessen ganz, daß
es doch ini Evangelium auf den Inhalt der

[Spaltenumbruch]

Verkündigung ankommt und nicht auf die
Form oder Gelegenheit; daß ein Inhalt, der
wahr ist, überzeitlich ist, und daß „zufällige
Geschichtswahrheiten niemals der Beweis von
notwendigen Vernunftwahrheiten sein können"
(Lessing). Es ist verdienstvoll, daß Groth
diesen Aberglauben von der Notwendigkeit
einer historischen Stützung des christlichen
Glaubens energisch bekämpft.

Das Wesen des Christusgeistes klar zu
machen, ist die dritte Aufgabe, die sich der
Verfasser stellt. Leider behandelt er diese
Frage nicht im Zusammenhang, sondern legt
nur hier und da im Anschluß an anders¬
gerichtete Untersuchungen ein kurzes Bekenntnis
ab. Ich muß es mir auch in diesem Fall
versagen, auf Einzelheiten einzugehen, zumal
sich über solche Dinge schwer rechten läßt.
Mir scheint allerdings der Begriff „christlich"
zu weit gezogen zu sein. Wenn z. B. der
Verfasser (S. 120) erklärt: „Eine Christentat
ist jeder Übergang zum Besseren, zum All¬
gemeinverständlichen, sei es zum französischen
Maßsystem oder zum englischen Nullmeridian
oder zum päpstlichen Kalender oder zur
lateinischen Buchstabenschrift oder zur Ther¬
mometerskala des Schweden Celsius", so ist
das eine Überspannung des Begriffs auf
Gebiete, auf denen religiöse Werturteile völlig
unangebracht sind. Eins aber betont er mit
Recht, daß Christus „der unsterbliche Herold
der Wahrheit um jeden Preis" oder besser
der Wahrhaftigkeit um jeden Preis ist.

Das Verständnis der Schrift wird leider
erschwert durch die unsystematische Art der
Darstellung und vielfache Unterbrechungen
der sachlichen Ausjührungen durch persönliche
Mitteilungen, die durchaus entbehrlich sind-
Auch scheint mir der Spott, so berechtigt er
an sich sein mag, nicht immer geschmackvoll.
Endlich sind manche Einfälle höchst wunder¬
lich. Im ganzen aber ist das Buch erfreu¬
lich, weil es lebendige Religiosität, ernstes
Wahrheitsstreben und starken Wahrheitsmut
Dr. Eduard Havcnstcin verrät.

[Ende Spaltensatz]


Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung
nicht verbürgt werde» kann«




Nachdruck sämtlicher Aufsitze nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags gestattet.
Verantwortlich: der Herausgeber Georg Cleinow in Berlin-Lichte»selbe West, — Manuskriutsendungen und
Briefe werden erbeten unter der Adresse:
An den Hcrailsaclier der Grenzboten in Berlin-LIchtcrselde West, Stcrnftrasio 5l>.
Fernsprecher des Herausgeber«: Amt Lichterseld- 498, des Verlag» und der Schriftleitung: Amt Lü«vo i5t».
Verlag: Verlag der Grenzboten G. in> b. H. in Berlin SV 11, Tempellioser Ils-r 36s.
Druck: „Der N-ichSbote" G. in. b. H. in Berlin SV 11, Dessauer Strasze 3t>M.
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[0044] Maßgebliches und Unmaßgebliches der Verfasser eifrig polemisiert, keineswegs entkräftet werden, selbst nicht Sodens Be¬ hauptung, „von einem Glauben an andere Götter könne innerhalb des Judentums nimmermehr die Rede sein," wenn man nur unter Judentum das versteht, was die Theologen darunter verstanden wissen wollen, nämlich die Zustände nach dem Exil. Daß Mythus und Sage bei dem Aufriß des Lebens Jesu stark mitgearbeitet haben, ja, daß die wuchernden Schlinggewächse den Stamm viel¬ fach völlig verdeckt haben, sicherlich an mehr Stellen, als die wissenschaftliche Theologie zugeben will, das ist zweifellos richtig, trifft aber den Kern der Drewschen Hypothese nicht. Übrigens ist sich der Verfasser selbst dessen Wohl bewußt, daß ein giltiger Beweis dafür bisher nicht möglich ist. Er will auch eigentlich auf einen anderen Gedanken hinaus, und das ist daS zweite Ziel, dem sein Buch zustrebt. Selbst wenn sich durch neue Entdeckungen — meint Groth — einwandfrei nachweisen ließe, daß Jesus nicht gelebt hat, und damit bewiesen wäre, daß die christliche Religion ganz und gar aus dem Synkretismus der Zeit entstanden ist, so könnte das dem rechtverstandenen Christentum keinen Abbruch tun; denn es ist eine überhistorische Erscheinung, die nicht an einem geschichtlichen Jesus, sondern an dem ewig wirksamen Christusgeist hängt. Dem¬ gemäß erscheint dem Verfasser, ganz wie Luther, das Johannes-Evangelium als das Hauptevangelium. „.Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.' Dieser Satz ist für mein Empfinden wertvoller als Bethlehem? und Golgatha und alles, was dazwischen liegt" (S, 124). Und hier können wir dem Verfasser in der Hauptsache zu¬ stimmen, auch wenn wir über den Wert des Johannes-Evangeliums im Vergleich zu den Synoptikern umgekehrt urteilen. Die Theo¬ logen — orthodoxe und liberale — sind viel zu sehr Historizisten; sie vergessen ganz, daß es doch ini Evangelium auf den Inhalt der Verkündigung ankommt und nicht auf die Form oder Gelegenheit; daß ein Inhalt, der wahr ist, überzeitlich ist, und daß „zufällige Geschichtswahrheiten niemals der Beweis von notwendigen Vernunftwahrheiten sein können" (Lessing). Es ist verdienstvoll, daß Groth diesen Aberglauben von der Notwendigkeit einer historischen Stützung des christlichen Glaubens energisch bekämpft. Das Wesen des Christusgeistes klar zu machen, ist die dritte Aufgabe, die sich der Verfasser stellt. Leider behandelt er diese Frage nicht im Zusammenhang, sondern legt nur hier und da im Anschluß an anders¬ gerichtete Untersuchungen ein kurzes Bekenntnis ab. Ich muß es mir auch in diesem Fall versagen, auf Einzelheiten einzugehen, zumal sich über solche Dinge schwer rechten läßt. Mir scheint allerdings der Begriff „christlich" zu weit gezogen zu sein. Wenn z. B. der Verfasser (S. 120) erklärt: „Eine Christentat ist jeder Übergang zum Besseren, zum All¬ gemeinverständlichen, sei es zum französischen Maßsystem oder zum englischen Nullmeridian oder zum päpstlichen Kalender oder zur lateinischen Buchstabenschrift oder zur Ther¬ mometerskala des Schweden Celsius", so ist das eine Überspannung des Begriffs auf Gebiete, auf denen religiöse Werturteile völlig unangebracht sind. Eins aber betont er mit Recht, daß Christus „der unsterbliche Herold der Wahrheit um jeden Preis" oder besser der Wahrhaftigkeit um jeden Preis ist. Das Verständnis der Schrift wird leider erschwert durch die unsystematische Art der Darstellung und vielfache Unterbrechungen der sachlichen Ausjührungen durch persönliche Mitteilungen, die durchaus entbehrlich sind- Auch scheint mir der Spott, so berechtigt er an sich sein mag, nicht immer geschmackvoll. Endlich sind manche Einfälle höchst wunder¬ lich. Im ganzen aber ist das Buch erfreu¬ lich, weil es lebendige Religiosität, ernstes Wahrheitsstreben und starken Wahrheitsmut Dr. Eduard Havcnstcin verrät. Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung nicht verbürgt werde» kann« Nachdruck sämtlicher Aufsitze nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags gestattet. Verantwortlich: der Herausgeber Georg Cleinow in Berlin-Lichte»selbe West, — Manuskriutsendungen und Briefe werden erbeten unter der Adresse: An den Hcrailsaclier der Grenzboten in Berlin-LIchtcrselde West, Stcrnftrasio 5l>. Fernsprecher des Herausgeber«: Amt Lichterseld- 498, des Verlag» und der Schriftleitung: Amt Lü«vo i5t». Verlag: Verlag der Grenzboten G. in> b. H. in Berlin SV 11, Tempellioser Ils-r 36s. Druck: „Der N-ichSbote" G. in. b. H. in Berlin SV 11, Dessauer Strasze 3t>M.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/44>, abgerufen am 26.06.2024.