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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Swatsangohörigkoitsveräiiderungen in Kriegszeito?

während eines Krieges nur auf Grund einer besonders eingehenden und vor¬
sichtigen Prüfung der persönlichen Verhältnisse des Bewerbers erfolgen. In
Frankreich hat das Gesetz vom 7. April 1915 die (nach deutschem Recht auch
heute noch zulässige) Einbürgerung feindlicher Ausländer schlechthin für die Kriegs¬
dauer verboten.

Besondere Beachtung verdienen aber die Fälle, in denen feindliche Staats¬
angehörige eine neutrale Staatsangehörigkeit zugleich besitzen oder während des
Krieges erwerben. Bei der weitgehenden Rücksichtnahme, die Deutschland den
neutralen Mächten und ihren Angehörigen zuteil werden läßt, genießen diese
Personen im wesentlichen dieselbe Bewegungsfreiheit, namentlich im Reise-,
Schrift- und Telegraphenoerkehr, wie die eigenen Staatsangehörigen. Voraus¬
gesetzt ist nur, daß sie die sie gefährdende Staatsangehörigkeit zu verdecken wissen.
Wie das gemacht wird, darauf hat die unlängst in Deutschland veröffentlichte
Anweisung des französischen Kriegsministers Millerand, nach welcher französische
Soldaten deutscher Staatsangehörigkeit mit französischen Staatsangehörigkeits¬
papieren zu versehen sind, ein Helles Schlaglicht geworfen. Nimmt man dazu,
daß es Staaten gibt, die ihre Staatsangehörigkeit sogar Abwesenden von Erdteil
zu Erdteil brieflich verleihen, so wird die Gefahr, welche der Aufenthalt solcher
Scheinneutraler in Deutschland für unsere Sicherheit in sich schließt, noch deut¬
licher. Hier scheint einer der Hauptherde der vielberufenen Spionagetätigkeit
unserer Gegner zu liegen. Als Gegenmittel kommt in Betracht: die Überprüfung
der Staatsangehörigkeitsausweise aller in Deutschland befindlichen Neutralen,
und auf deren Grund die Überwachung und erforderlichenfalls die Ausweisung
derjenigen Personen, welche einerseits früher einem der uns jetzt feindlichen
Staaten angehört haben und anderseits nicht vollkommen unverdächtig sind.
AIs unbedingt verdächtig sind Angehörige neutraler Staaten anzusehen, welche
erst während des Krieges oder kurz vor seinem Ausbruch von der feindlichen
zur neutralen Flagge übergegangen sind. Diesen wäre auch der Eintritt in
das Reichsgebiet regelmäßig zu versagen.

Die heilsame Wirkung solchen Vorgehens könnte noch wesentlich verstärkt
werden, wenn man dazu übergehen würde, eine Überprüfung aller derjenigen
Fälle vorzunehmen, in denen ein Deutscher einem der uns feindlichen Staaten
zugleich angehört oder bis zu einem nicht allzuweit zurückliegenden Zeitpunkt
(etwa dem 1. Januar 1913) angehört hat. Im ersteren Falle wäre die Neichs-
angehörigkeit unbedingt, im letzteren dann abzuerkennen, wenn die Unverdächtig-
keit ihres Inhabers nicht feststeht. Vor der hierfür erforderlichen Änderung des
deutschen Reichsangehörigkeitsgesetzes braucht man um so weniger zurück¬
zuschrecken, als Frankreich in dem erwähnten Gesetz, betreffend die Natura¬
lisationsurkunden der früheren Angehörigen der jetzt mit Frankreich in
Krieg befindlichen Mächte, vom 7. April 1915, den bezeichneten Weg
bereits beschütten hat. Von der umfassenden Anwendung, die dies Gesetz
findet, legen die seither erschienenen Nummern des Journal Officiel mit


Swatsangohörigkoitsveräiiderungen in Kriegszeito?

während eines Krieges nur auf Grund einer besonders eingehenden und vor¬
sichtigen Prüfung der persönlichen Verhältnisse des Bewerbers erfolgen. In
Frankreich hat das Gesetz vom 7. April 1915 die (nach deutschem Recht auch
heute noch zulässige) Einbürgerung feindlicher Ausländer schlechthin für die Kriegs¬
dauer verboten.

Besondere Beachtung verdienen aber die Fälle, in denen feindliche Staats¬
angehörige eine neutrale Staatsangehörigkeit zugleich besitzen oder während des
Krieges erwerben. Bei der weitgehenden Rücksichtnahme, die Deutschland den
neutralen Mächten und ihren Angehörigen zuteil werden läßt, genießen diese
Personen im wesentlichen dieselbe Bewegungsfreiheit, namentlich im Reise-,
Schrift- und Telegraphenoerkehr, wie die eigenen Staatsangehörigen. Voraus¬
gesetzt ist nur, daß sie die sie gefährdende Staatsangehörigkeit zu verdecken wissen.
Wie das gemacht wird, darauf hat die unlängst in Deutschland veröffentlichte
Anweisung des französischen Kriegsministers Millerand, nach welcher französische
Soldaten deutscher Staatsangehörigkeit mit französischen Staatsangehörigkeits¬
papieren zu versehen sind, ein Helles Schlaglicht geworfen. Nimmt man dazu,
daß es Staaten gibt, die ihre Staatsangehörigkeit sogar Abwesenden von Erdteil
zu Erdteil brieflich verleihen, so wird die Gefahr, welche der Aufenthalt solcher
Scheinneutraler in Deutschland für unsere Sicherheit in sich schließt, noch deut¬
licher. Hier scheint einer der Hauptherde der vielberufenen Spionagetätigkeit
unserer Gegner zu liegen. Als Gegenmittel kommt in Betracht: die Überprüfung
der Staatsangehörigkeitsausweise aller in Deutschland befindlichen Neutralen,
und auf deren Grund die Überwachung und erforderlichenfalls die Ausweisung
derjenigen Personen, welche einerseits früher einem der uns jetzt feindlichen
Staaten angehört haben und anderseits nicht vollkommen unverdächtig sind.
AIs unbedingt verdächtig sind Angehörige neutraler Staaten anzusehen, welche
erst während des Krieges oder kurz vor seinem Ausbruch von der feindlichen
zur neutralen Flagge übergegangen sind. Diesen wäre auch der Eintritt in
das Reichsgebiet regelmäßig zu versagen.

Die heilsame Wirkung solchen Vorgehens könnte noch wesentlich verstärkt
werden, wenn man dazu übergehen würde, eine Überprüfung aller derjenigen
Fälle vorzunehmen, in denen ein Deutscher einem der uns feindlichen Staaten
zugleich angehört oder bis zu einem nicht allzuweit zurückliegenden Zeitpunkt
(etwa dem 1. Januar 1913) angehört hat. Im ersteren Falle wäre die Neichs-
angehörigkeit unbedingt, im letzteren dann abzuerkennen, wenn die Unverdächtig-
keit ihres Inhabers nicht feststeht. Vor der hierfür erforderlichen Änderung des
deutschen Reichsangehörigkeitsgesetzes braucht man um so weniger zurück¬
zuschrecken, als Frankreich in dem erwähnten Gesetz, betreffend die Natura¬
lisationsurkunden der früheren Angehörigen der jetzt mit Frankreich in
Krieg befindlichen Mächte, vom 7. April 1915, den bezeichneten Weg
bereits beschütten hat. Von der umfassenden Anwendung, die dies Gesetz
findet, legen die seither erschienenen Nummern des Journal Officiel mit


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[0368] Swatsangohörigkoitsveräiiderungen in Kriegszeito? während eines Krieges nur auf Grund einer besonders eingehenden und vor¬ sichtigen Prüfung der persönlichen Verhältnisse des Bewerbers erfolgen. In Frankreich hat das Gesetz vom 7. April 1915 die (nach deutschem Recht auch heute noch zulässige) Einbürgerung feindlicher Ausländer schlechthin für die Kriegs¬ dauer verboten. Besondere Beachtung verdienen aber die Fälle, in denen feindliche Staats¬ angehörige eine neutrale Staatsangehörigkeit zugleich besitzen oder während des Krieges erwerben. Bei der weitgehenden Rücksichtnahme, die Deutschland den neutralen Mächten und ihren Angehörigen zuteil werden läßt, genießen diese Personen im wesentlichen dieselbe Bewegungsfreiheit, namentlich im Reise-, Schrift- und Telegraphenoerkehr, wie die eigenen Staatsangehörigen. Voraus¬ gesetzt ist nur, daß sie die sie gefährdende Staatsangehörigkeit zu verdecken wissen. Wie das gemacht wird, darauf hat die unlängst in Deutschland veröffentlichte Anweisung des französischen Kriegsministers Millerand, nach welcher französische Soldaten deutscher Staatsangehörigkeit mit französischen Staatsangehörigkeits¬ papieren zu versehen sind, ein Helles Schlaglicht geworfen. Nimmt man dazu, daß es Staaten gibt, die ihre Staatsangehörigkeit sogar Abwesenden von Erdteil zu Erdteil brieflich verleihen, so wird die Gefahr, welche der Aufenthalt solcher Scheinneutraler in Deutschland für unsere Sicherheit in sich schließt, noch deut¬ licher. Hier scheint einer der Hauptherde der vielberufenen Spionagetätigkeit unserer Gegner zu liegen. Als Gegenmittel kommt in Betracht: die Überprüfung der Staatsangehörigkeitsausweise aller in Deutschland befindlichen Neutralen, und auf deren Grund die Überwachung und erforderlichenfalls die Ausweisung derjenigen Personen, welche einerseits früher einem der uns jetzt feindlichen Staaten angehört haben und anderseits nicht vollkommen unverdächtig sind. AIs unbedingt verdächtig sind Angehörige neutraler Staaten anzusehen, welche erst während des Krieges oder kurz vor seinem Ausbruch von der feindlichen zur neutralen Flagge übergegangen sind. Diesen wäre auch der Eintritt in das Reichsgebiet regelmäßig zu versagen. Die heilsame Wirkung solchen Vorgehens könnte noch wesentlich verstärkt werden, wenn man dazu übergehen würde, eine Überprüfung aller derjenigen Fälle vorzunehmen, in denen ein Deutscher einem der uns feindlichen Staaten zugleich angehört oder bis zu einem nicht allzuweit zurückliegenden Zeitpunkt (etwa dem 1. Januar 1913) angehört hat. Im ersteren Falle wäre die Neichs- angehörigkeit unbedingt, im letzteren dann abzuerkennen, wenn die Unverdächtig- keit ihres Inhabers nicht feststeht. Vor der hierfür erforderlichen Änderung des deutschen Reichsangehörigkeitsgesetzes braucht man um so weniger zurück¬ zuschrecken, als Frankreich in dem erwähnten Gesetz, betreffend die Natura¬ lisationsurkunden der früheren Angehörigen der jetzt mit Frankreich in Krieg befindlichen Mächte, vom 7. April 1915, den bezeichneten Weg bereits beschütten hat. Von der umfassenden Anwendung, die dies Gesetz findet, legen die seither erschienenen Nummern des Journal Officiel mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/368>, abgerufen am 26.06.2024.