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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Englische ZVoltvolitik und Weltverkehrsfragen vor ven Kriege

durch Sperrung des Suezkanals *) würde England schwerer treffen als eine
doch immerhin weit aus dem Bereich des Erfolges liegende Revolution in
Indien selbst**).

Auf dem zweiten Wege durch Mesopotamien hat die deutsche Diplomatie
glücklicherweise die anfänglichen englischen Hindernisse sicher zu überwinden
gewußt, so daß der Bagdadbahnbau glücklich ausgeführt werden konnte***).
Aber England hat es dennoch verstanden, auf diesem Wege über die klein¬
asiatisch-syrische Landbrücke großen politischen Einfluß zu erlangen. In Syrien
sind englische Banken und Kaufleute in den letzten Jahren vor dem Kriege
mit außerordentlichem Eifer tätig gewesen, in Mesopotamien lag die Bewirt¬
schaftung und industrielle Erschließung zum großen Teil in englischen Händen;
Koweit. der künftige Endpunkt der Bagdadbahn am Persischen Golf, war laut
Vertrag mit der Türkei bereits in englischen Besitz übergegangen, mit den
arabischen Scheichs der persischen Golfküste sind bindende Abkommen getroffen:
die Bahreininseln endlich sind englisch.

Deutete" schon vor dem Krieg alle Anzeichen darauf hin. daß sich in
diesem Gebiete des Orients bedeutsame weltpolitische Vorgänge abspielen würden,
so wird nach Beendigung des Krieges -- mag nun die Entscheidung für das
Gebiet des Persischen Golfes fallen, wie sie will -- hier immer die Quelle des
Streites dauernd weiterfließen. Mündel doch auch an dieser Stelle der dritte
europäisch.indische Weg durch Nußland. Turan und Persien in das britische
"Jndiameerreich". Freilich ist gegenwärtig das Interesse Englands an diesem
Wege gering. Hat doch das Inselreich die stille Hoffnung, daß sein für diesen
Zugang natürlicher Gegner Rußland aus dem gegenwärtigen Ringen so geschwächt
hervorgehen wird, daß er in absehbarer Zeit kaum eine Gefährdung Indiens
bilden dürfte. Ging England auf den beiden ersten Wegen in seinen Einfluß-
und Sicherheitsbestrebungen offensiv vor. so verhält es sich hier mehr defensiv.
Zwei Gegensätze, wie sie schroffer die Ausdehnungspolitik zweier Großmächte
kaum kennt, stoßen in Persien zusammen: Englands Bemühen, keine Großmacht
an den Nordgestaden des Indischen Ozeans festen Fuß fassen zu lassen. Rußlands
Anstrengungen, sich auch nach Süden einen Zugang zum freien Weltmeer zu
schaffen. Jeder russische Schritt nach dem Süden wird wie bisher auch in





*) Heimig (Kampf um den Suezkanal, in Mckhs "Der deutsche Krieg", Heft 35)
weist darauf hin, wie Wenig unter den heutigen Seeschiffahrtsverhältnissen der Weg um das
Kap für England als Ersatz in Betracht käme.
**) Hennig berechnet die Teile der britischen Einfuhr nach Europa, die durch den Suez-
ianal geh
en
für Jute. .zu 99 Proz. für Hanf . . zu 75 Proz. für Kautschuk . zu 51 Proz.
- Tee . . . " 99 " " Wolle .... 70 ., " Felle, Häute ., 48-49 "
.. Jutefabrtkate" 97 " " Benzin . " 65 " Slsaaten . "44-43 "
" Reis . . " 75 " .. Manganerz " 52 " " Getreide . " 65-6" .
*

*") Vergleiche Rohrbach, Die Bagdadbahn.
Englische ZVoltvolitik und Weltverkehrsfragen vor ven Kriege

durch Sperrung des Suezkanals *) würde England schwerer treffen als eine
doch immerhin weit aus dem Bereich des Erfolges liegende Revolution in
Indien selbst**).

Auf dem zweiten Wege durch Mesopotamien hat die deutsche Diplomatie
glücklicherweise die anfänglichen englischen Hindernisse sicher zu überwinden
gewußt, so daß der Bagdadbahnbau glücklich ausgeführt werden konnte***).
Aber England hat es dennoch verstanden, auf diesem Wege über die klein¬
asiatisch-syrische Landbrücke großen politischen Einfluß zu erlangen. In Syrien
sind englische Banken und Kaufleute in den letzten Jahren vor dem Kriege
mit außerordentlichem Eifer tätig gewesen, in Mesopotamien lag die Bewirt¬
schaftung und industrielle Erschließung zum großen Teil in englischen Händen;
Koweit. der künftige Endpunkt der Bagdadbahn am Persischen Golf, war laut
Vertrag mit der Türkei bereits in englischen Besitz übergegangen, mit den
arabischen Scheichs der persischen Golfküste sind bindende Abkommen getroffen:
die Bahreininseln endlich sind englisch.

Deutete» schon vor dem Krieg alle Anzeichen darauf hin. daß sich in
diesem Gebiete des Orients bedeutsame weltpolitische Vorgänge abspielen würden,
so wird nach Beendigung des Krieges — mag nun die Entscheidung für das
Gebiet des Persischen Golfes fallen, wie sie will — hier immer die Quelle des
Streites dauernd weiterfließen. Mündel doch auch an dieser Stelle der dritte
europäisch.indische Weg durch Nußland. Turan und Persien in das britische
„Jndiameerreich". Freilich ist gegenwärtig das Interesse Englands an diesem
Wege gering. Hat doch das Inselreich die stille Hoffnung, daß sein für diesen
Zugang natürlicher Gegner Rußland aus dem gegenwärtigen Ringen so geschwächt
hervorgehen wird, daß er in absehbarer Zeit kaum eine Gefährdung Indiens
bilden dürfte. Ging England auf den beiden ersten Wegen in seinen Einfluß-
und Sicherheitsbestrebungen offensiv vor. so verhält es sich hier mehr defensiv.
Zwei Gegensätze, wie sie schroffer die Ausdehnungspolitik zweier Großmächte
kaum kennt, stoßen in Persien zusammen: Englands Bemühen, keine Großmacht
an den Nordgestaden des Indischen Ozeans festen Fuß fassen zu lassen. Rußlands
Anstrengungen, sich auch nach Süden einen Zugang zum freien Weltmeer zu
schaffen. Jeder russische Schritt nach dem Süden wird wie bisher auch in





*) Heimig (Kampf um den Suezkanal, in Mckhs „Der deutsche Krieg", Heft 35)
weist darauf hin, wie Wenig unter den heutigen Seeschiffahrtsverhältnissen der Weg um das
Kap für England als Ersatz in Betracht käme.
**) Hennig berechnet die Teile der britischen Einfuhr nach Europa, die durch den Suez-
ianal geh
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für Jute. .zu 99 Proz. für Hanf . . zu 75 Proz. für Kautschuk . zu 51 Proz.
- Tee . . . „ 99 „ „ Wolle .... 70 ., „ Felle, Häute ., 48-49 „
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*") Vergleiche Rohrbach, Die Bagdadbahn.
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[0341] Englische ZVoltvolitik und Weltverkehrsfragen vor ven Kriege durch Sperrung des Suezkanals *) würde England schwerer treffen als eine doch immerhin weit aus dem Bereich des Erfolges liegende Revolution in Indien selbst**). Auf dem zweiten Wege durch Mesopotamien hat die deutsche Diplomatie glücklicherweise die anfänglichen englischen Hindernisse sicher zu überwinden gewußt, so daß der Bagdadbahnbau glücklich ausgeführt werden konnte***). Aber England hat es dennoch verstanden, auf diesem Wege über die klein¬ asiatisch-syrische Landbrücke großen politischen Einfluß zu erlangen. In Syrien sind englische Banken und Kaufleute in den letzten Jahren vor dem Kriege mit außerordentlichem Eifer tätig gewesen, in Mesopotamien lag die Bewirt¬ schaftung und industrielle Erschließung zum großen Teil in englischen Händen; Koweit. der künftige Endpunkt der Bagdadbahn am Persischen Golf, war laut Vertrag mit der Türkei bereits in englischen Besitz übergegangen, mit den arabischen Scheichs der persischen Golfküste sind bindende Abkommen getroffen: die Bahreininseln endlich sind englisch. Deutete» schon vor dem Krieg alle Anzeichen darauf hin. daß sich in diesem Gebiete des Orients bedeutsame weltpolitische Vorgänge abspielen würden, so wird nach Beendigung des Krieges — mag nun die Entscheidung für das Gebiet des Persischen Golfes fallen, wie sie will — hier immer die Quelle des Streites dauernd weiterfließen. Mündel doch auch an dieser Stelle der dritte europäisch.indische Weg durch Nußland. Turan und Persien in das britische „Jndiameerreich". Freilich ist gegenwärtig das Interesse Englands an diesem Wege gering. Hat doch das Inselreich die stille Hoffnung, daß sein für diesen Zugang natürlicher Gegner Rußland aus dem gegenwärtigen Ringen so geschwächt hervorgehen wird, daß er in absehbarer Zeit kaum eine Gefährdung Indiens bilden dürfte. Ging England auf den beiden ersten Wegen in seinen Einfluß- und Sicherheitsbestrebungen offensiv vor. so verhält es sich hier mehr defensiv. Zwei Gegensätze, wie sie schroffer die Ausdehnungspolitik zweier Großmächte kaum kennt, stoßen in Persien zusammen: Englands Bemühen, keine Großmacht an den Nordgestaden des Indischen Ozeans festen Fuß fassen zu lassen. Rußlands Anstrengungen, sich auch nach Süden einen Zugang zum freien Weltmeer zu schaffen. Jeder russische Schritt nach dem Süden wird wie bisher auch in *) Heimig (Kampf um den Suezkanal, in Mckhs „Der deutsche Krieg", Heft 35) weist darauf hin, wie Wenig unter den heutigen Seeschiffahrtsverhältnissen der Weg um das Kap für England als Ersatz in Betracht käme. **) Hennig berechnet die Teile der britischen Einfuhr nach Europa, die durch den Suez- ianal geh en für Jute. .zu 99 Proz. für Hanf . . zu 75 Proz. für Kautschuk . zu 51 Proz. - Tee . . . „ 99 „ „ Wolle .... 70 ., „ Felle, Häute ., 48-49 „ .. Jutefabrtkate„ 97 „ „ Benzin . „ 65 „ Slsaaten . „44-43 „ » Reis . . „ 75 „ .. Manganerz „ 52 „ „ Getreide . „ 65-6» . * *") Vergleiche Rohrbach, Die Bagdadbahn.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/341>, abgerufen am 25.08.2024.