Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.Künstlerische Probleme des Krieges als künstlerische Taten bewertet werden, ja bedeutende Künstler werfen, um nur Tatsächlich liegt die Situation heute günstiger wie 1870/71. Die Kunst, Wir haben uns nun zu fragen, ob die Kunst diesen Inhalt bewältigen Wie können diese Bedürfnisse befriedigt werden? Zur Befriedigung der Künstlerische Probleme des Krieges als künstlerische Taten bewertet werden, ja bedeutende Künstler werfen, um nur Tatsächlich liegt die Situation heute günstiger wie 1870/71. Die Kunst, Wir haben uns nun zu fragen, ob die Kunst diesen Inhalt bewältigen Wie können diese Bedürfnisse befriedigt werden? Zur Befriedigung der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0325" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/324298"/> <fw type="header" place="top"> Künstlerische Probleme des Krieges</fw><lb/> <p xml:id="ID_977" prev="#ID_976"> als künstlerische Taten bewertet werden, ja bedeutende Künstler werfen, um nur<lb/> im Augenblick nicht zu schweigen, um „mit dabei zu sein", unausgereiste, schwach<lb/> empfundene Arbeiten auf den Markt, während geringere, jetzt meist mittellos<lb/> gewordene, skrupellos die Kriegsstimmung benutzen, und ihr allzu unbedeutendes,<lb/> aber jetzt um des aktuellen Gegenstandes häufig ganz kritiklos aufgenommenes<lb/> Können in den Dienst der Sensation stellen. Schon jetzt droht die Masse des auf solche<lb/> Weise entstandenen Wertlosen, ja für eine wahre künstlerische Kultur Schädlichen,<lb/> die wertvollen Ansätze, die der kritische Blick hier und da freudig gewahrt, zu<lb/> überwuchern und was erst werden soll, wenn die Kriegsdramen, -romane,<lb/> kolosfalgemälde, -denkmäler und «memotrenwerke anrücken werden, ist nicht<lb/> abzusehen. Schon jetzt dürfte es daher, um zu sicherer Wertung zu gelangen,<lb/> an der Zeit sein, sich über die künstlerischen Probleme, die der Krieg und die<lb/> Kriegsstimmung stellen, klar zu werdend</p><lb/> <p xml:id="ID_978"> Tatsächlich liegt die Situation heute günstiger wie 1870/71. Die Kunst,<lb/> so nachhaltig auch äußere Einflüsse auf sie einwirken können, hat ja ihr starkes<lb/> Eigenleben und läßt sich, wenn sie gedeihen soll, nicht ohne weiteres Art und<lb/> Entwicklung vorschreiben. So kam es. daß die Kunst der siebziger Jahre, haupt¬<lb/> sächlich mit der Ausbildung formaler Probleme beschäftigt, von den neuen durch<lb/> den Krieg und die Reichsgründung gestellten Problemen wenig Notiz nahm.<lb/> Was aber dem aufmerksamen Beobachter gerade an der modernen Kunst auffiel,<lb/> das war das überall deutlich hervortretende Suchen nach einem neuen Inhalt<lb/> und es ist hochbedeutsam, daß die modernsten Ausläufer der neuen Kunst-<lb/> bewegung: die Futuristen, schon vor dem Kriege, neben phantastischen Revolutionen<lb/> vielfach auch Schlachtendarstellungen gaben. Wohin sollte auch schließlich das<lb/> beständige Experimentieren mit imaginären Dekorationsproblemen, das Jagen<lb/> nach neuen Formen führen als zu steriler Virtuosität und zur Zersplitterung der<lb/> edelsten Kräfte? Wir brauchten also wirklich einen neuen Inhalt und da stellt<lb/> sich das neue, ungeheure, tiefeindringende Erlebnis des Krieges als höchst<lb/> willkommen ein.</p><lb/> <p xml:id="ID_979"> Wir haben uns nun zu fragen, ob die Kunst diesen Inhalt bewältigen<lb/> kann, ob sie es jetzt, und mit welchen Mitteln sie es kann. Jede gesunde<lb/> Kunstentwicklung geht aus von dem starken Bedürfnis eines fest umgrenzten<lb/> Kulturkreises. Dieser Kulturkreis ist da: er wird gebildet durch das deutsche Volk,<lb/> das ein neues Selbstbewußtsein zu gewinnen im Begriff steht. Die Bedürfnisse aber<lb/> sind im wesentlichen von dreierlei Art: einmal, das der Daheimgebliebenen von<lb/> jenem Großen. Schrecklichen, Unfaßbarem etwas Bestimmtes. Greifbares zu wissen,<lb/> teil zu haben an Leid und Schmerz, an Freude und Jubel der Kämpfenden,<lb/> die mannigfach beschwerte Seele in der Katharsis des Kunstwerks zu entladen;<lb/> sodann der Soldaten: neue Lieder zu bekommen; endlich das aller Deutschen,<lb/> das. was sie innerlich bewegt, von Sprachgewaltigen ausgesprochen zu besitzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_980" next="#ID_981"> Wie können diese Bedürfnisse befriedigt werden? Zur Befriedigung der<lb/> ersten stellt sich ganz ungezwungen jener neue Stil ein. der bereits in den</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0325]
Künstlerische Probleme des Krieges
als künstlerische Taten bewertet werden, ja bedeutende Künstler werfen, um nur
im Augenblick nicht zu schweigen, um „mit dabei zu sein", unausgereiste, schwach
empfundene Arbeiten auf den Markt, während geringere, jetzt meist mittellos
gewordene, skrupellos die Kriegsstimmung benutzen, und ihr allzu unbedeutendes,
aber jetzt um des aktuellen Gegenstandes häufig ganz kritiklos aufgenommenes
Können in den Dienst der Sensation stellen. Schon jetzt droht die Masse des auf solche
Weise entstandenen Wertlosen, ja für eine wahre künstlerische Kultur Schädlichen,
die wertvollen Ansätze, die der kritische Blick hier und da freudig gewahrt, zu
überwuchern und was erst werden soll, wenn die Kriegsdramen, -romane,
kolosfalgemälde, -denkmäler und «memotrenwerke anrücken werden, ist nicht
abzusehen. Schon jetzt dürfte es daher, um zu sicherer Wertung zu gelangen,
an der Zeit sein, sich über die künstlerischen Probleme, die der Krieg und die
Kriegsstimmung stellen, klar zu werdend
Tatsächlich liegt die Situation heute günstiger wie 1870/71. Die Kunst,
so nachhaltig auch äußere Einflüsse auf sie einwirken können, hat ja ihr starkes
Eigenleben und läßt sich, wenn sie gedeihen soll, nicht ohne weiteres Art und
Entwicklung vorschreiben. So kam es. daß die Kunst der siebziger Jahre, haupt¬
sächlich mit der Ausbildung formaler Probleme beschäftigt, von den neuen durch
den Krieg und die Reichsgründung gestellten Problemen wenig Notiz nahm.
Was aber dem aufmerksamen Beobachter gerade an der modernen Kunst auffiel,
das war das überall deutlich hervortretende Suchen nach einem neuen Inhalt
und es ist hochbedeutsam, daß die modernsten Ausläufer der neuen Kunst-
bewegung: die Futuristen, schon vor dem Kriege, neben phantastischen Revolutionen
vielfach auch Schlachtendarstellungen gaben. Wohin sollte auch schließlich das
beständige Experimentieren mit imaginären Dekorationsproblemen, das Jagen
nach neuen Formen führen als zu steriler Virtuosität und zur Zersplitterung der
edelsten Kräfte? Wir brauchten also wirklich einen neuen Inhalt und da stellt
sich das neue, ungeheure, tiefeindringende Erlebnis des Krieges als höchst
willkommen ein.
Wir haben uns nun zu fragen, ob die Kunst diesen Inhalt bewältigen
kann, ob sie es jetzt, und mit welchen Mitteln sie es kann. Jede gesunde
Kunstentwicklung geht aus von dem starken Bedürfnis eines fest umgrenzten
Kulturkreises. Dieser Kulturkreis ist da: er wird gebildet durch das deutsche Volk,
das ein neues Selbstbewußtsein zu gewinnen im Begriff steht. Die Bedürfnisse aber
sind im wesentlichen von dreierlei Art: einmal, das der Daheimgebliebenen von
jenem Großen. Schrecklichen, Unfaßbarem etwas Bestimmtes. Greifbares zu wissen,
teil zu haben an Leid und Schmerz, an Freude und Jubel der Kämpfenden,
die mannigfach beschwerte Seele in der Katharsis des Kunstwerks zu entladen;
sodann der Soldaten: neue Lieder zu bekommen; endlich das aller Deutschen,
das. was sie innerlich bewegt, von Sprachgewaltigen ausgesprochen zu besitzen.
Wie können diese Bedürfnisse befriedigt werden? Zur Befriedigung der
ersten stellt sich ganz ungezwungen jener neue Stil ein. der bereits in den
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |