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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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Die heutige Soldatensprache-- ein Vorschlag zu ihrer Sammlung

Mit der Aufzählung solcher Motive soll jedoch nicht die Möglichkeit be-
stritten werden, daß noch eine Reihe anderer Seelenregungen und Bedürfnisse
sprachschöpferisch mitgewirkt haben; hier kommt es nur darauf an, mit einigen
Betspielen Wert und Recht dieser Gedankengänge in den Zusammenhang mit
der Zeit zu rücken; die ganze Mannigfaltigkeit der Gründe und Grundlagen
wird erst klar werden, wenn Berichte der Schöpfer oder über die Schöpfung
solcher Worte vorliegen werden, soweit das alles noch erkennbar ist und nach¬
gezeichnet oder nachempfunden werden kann. Dann werden wir einen tiefen
Einblick in ursprüngliches und verwickeltes Denken einer Masse, eines Volkes
und zugleich in das Leben der Sprache gewinnen, wie sie neue Ringe an¬
gesetzt, neue Gebiete sich erobert hat. Aber für unsere Hinweise auf die Be¬
deutung und Stellung der Soldatensprache mag diese allgemeine Psychologie
genügen, die aus dem Material schöpft, ohne es vorzulegen, und jederzeit,
wenn erst die allgemeine Aufmerksamkeit auf diese Vorgänge sich richtet, aus
dem Material bestätigt werden wird. Ist dies doch reich genug, um uns
neben dem Einblick in die Motive auch einen Blick in die Mittel, Wege
und Formen zu gewähren, in denen sich die Wort- und Sprachbildung
-des Soldaten vollzieht....

Es ist eine Lust zu leben, heute, in großer Zeit, wie es jetzt eine Lust ist,
dem Tode ins Auge zu blicken; wer aber lebt, der erlebe auch die Zeit nach
seiner Fähigkeit, in ungemessener Hingabe, er erlebe sie durch Arbeit, auf
welches Gebiet ihn Lage und Anlage gestellt hat. Ein kleiner Beitrag, vom
Geiste gegeben, dem Geiste geweiht, der die Gegenwart beherrscht, sollen diese
Anregungen sein, ohne ästhetische Abwägung, ohne historisches Urteil, nur aus
5er Ehrfurcht geboren vor dem Sinn der Zeit und dem Werden der Zukunft.




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Die heutige Soldatensprache— ein Vorschlag zu ihrer Sammlung

Mit der Aufzählung solcher Motive soll jedoch nicht die Möglichkeit be-
stritten werden, daß noch eine Reihe anderer Seelenregungen und Bedürfnisse
sprachschöpferisch mitgewirkt haben; hier kommt es nur darauf an, mit einigen
Betspielen Wert und Recht dieser Gedankengänge in den Zusammenhang mit
der Zeit zu rücken; die ganze Mannigfaltigkeit der Gründe und Grundlagen
wird erst klar werden, wenn Berichte der Schöpfer oder über die Schöpfung
solcher Worte vorliegen werden, soweit das alles noch erkennbar ist und nach¬
gezeichnet oder nachempfunden werden kann. Dann werden wir einen tiefen
Einblick in ursprüngliches und verwickeltes Denken einer Masse, eines Volkes
und zugleich in das Leben der Sprache gewinnen, wie sie neue Ringe an¬
gesetzt, neue Gebiete sich erobert hat. Aber für unsere Hinweise auf die Be¬
deutung und Stellung der Soldatensprache mag diese allgemeine Psychologie
genügen, die aus dem Material schöpft, ohne es vorzulegen, und jederzeit,
wenn erst die allgemeine Aufmerksamkeit auf diese Vorgänge sich richtet, aus
dem Material bestätigt werden wird. Ist dies doch reich genug, um uns
neben dem Einblick in die Motive auch einen Blick in die Mittel, Wege
und Formen zu gewähren, in denen sich die Wort- und Sprachbildung
-des Soldaten vollzieht....

Es ist eine Lust zu leben, heute, in großer Zeit, wie es jetzt eine Lust ist,
dem Tode ins Auge zu blicken; wer aber lebt, der erlebe auch die Zeit nach
seiner Fähigkeit, in ungemessener Hingabe, er erlebe sie durch Arbeit, auf
welches Gebiet ihn Lage und Anlage gestellt hat. Ein kleiner Beitrag, vom
Geiste gegeben, dem Geiste geweiht, der die Gegenwart beherrscht, sollen diese
Anregungen sein, ohne ästhetische Abwägung, ohne historisches Urteil, nur aus
5er Ehrfurcht geboren vor dem Sinn der Zeit und dem Werden der Zukunft.




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[0191] Die heutige Soldatensprache— ein Vorschlag zu ihrer Sammlung Mit der Aufzählung solcher Motive soll jedoch nicht die Möglichkeit be- stritten werden, daß noch eine Reihe anderer Seelenregungen und Bedürfnisse sprachschöpferisch mitgewirkt haben; hier kommt es nur darauf an, mit einigen Betspielen Wert und Recht dieser Gedankengänge in den Zusammenhang mit der Zeit zu rücken; die ganze Mannigfaltigkeit der Gründe und Grundlagen wird erst klar werden, wenn Berichte der Schöpfer oder über die Schöpfung solcher Worte vorliegen werden, soweit das alles noch erkennbar ist und nach¬ gezeichnet oder nachempfunden werden kann. Dann werden wir einen tiefen Einblick in ursprüngliches und verwickeltes Denken einer Masse, eines Volkes und zugleich in das Leben der Sprache gewinnen, wie sie neue Ringe an¬ gesetzt, neue Gebiete sich erobert hat. Aber für unsere Hinweise auf die Be¬ deutung und Stellung der Soldatensprache mag diese allgemeine Psychologie genügen, die aus dem Material schöpft, ohne es vorzulegen, und jederzeit, wenn erst die allgemeine Aufmerksamkeit auf diese Vorgänge sich richtet, aus dem Material bestätigt werden wird. Ist dies doch reich genug, um uns neben dem Einblick in die Motive auch einen Blick in die Mittel, Wege und Formen zu gewähren, in denen sich die Wort- und Sprachbildung -des Soldaten vollzieht.... Es ist eine Lust zu leben, heute, in großer Zeit, wie es jetzt eine Lust ist, dem Tode ins Auge zu blicken; wer aber lebt, der erlebe auch die Zeit nach seiner Fähigkeit, in ungemessener Hingabe, er erlebe sie durch Arbeit, auf welches Gebiet ihn Lage und Anlage gestellt hat. Ein kleiner Beitrag, vom Geiste gegeben, dem Geiste geweiht, der die Gegenwart beherrscht, sollen diese Anregungen sein, ohne ästhetische Abwägung, ohne historisches Urteil, nur aus 5er Ehrfurcht geboren vor dem Sinn der Zeit und dem Werden der Zukunft. 12*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/191>, abgerufen am 22.07.2024.