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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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War die zweite englische Ariegsanleihe ein Lrfolg?

Ergötzen ihrer Leser abdrückt: "Sie haben in Ihrer Tasche silberne Kugeln,
welche die Deutschen aufhalten werden (stop ins Qsrman8), leihen Sie sie Ihrem
Lande, indem Sie heute Kriegsanleihe zeichnen." Es erübrigt sich, weiter auf
diese Reklame nach dem "großen Erfolg" einzugehen. Interessant ist jedoch,
daß am 15. Juli der Oberpostmeister Herbert Samuel namens der Regierung
in Saltburn eine offizielle Rede hielt, um weitere Zeichnungen zu der Kriegsanleihe
zu veranlassen (de> prouvee ave8euere in ins war Ivan) (vergleiche Times vom
16. Juli), und einen Tag später sagte Mr. Harold Cox in der oben bereits
erwähnten Rede: "Da die neue Anleihe nicht bis zum Ende des Finanzjahres
reiche, müsse man bald mit der Ausgabe einer weiteren Anleihe rechnen." Kann
es da wundernehmen, wenn man ganz ernsthaft davon sprach, die Börse wieder
zu schließen, um ein weiteres Sinken der Staatsanleihe dadurch unmöglich zu machen,
oder aber einen Minimumpreis auch für die neue Anleihe einzuführen, obwohl
dies im Widerspruch zu den Zusagen der Negierung stand, wonach ein freier
Markt für die Anleihe aufrechterhalten werden solle? -- So ging es von
Depression zur Panik, und wer wirklich den Reutermeldungen über den "großen
Erfolg" der Anleihe einen Augenblick glaubte, den mußte das finanzielle Wirr¬
warr, das in England herrschte, bald eines anderen belehren. Der "Erfolg"
war eben nur eine Erfindung des englischen Patriotismus; und es gehört schon
eine dreiste Stirn dazu, das Resultat einer Anleihe als Erfolg zu bezeichnen,
wenn 60 Prozent der gewünschten Summe nur gezeichnet wurden, wovon etwa
die Hälfte nur reelle Zeichnungen darstellen, während sich der Rest aus Bank¬
kredit zusammensetzte. Da war es nur natürlich, daß der Kurs dreieinhalb
Prozent unter pari sank. Und man versteht jetzt auch den Sinn der Rede
Lord Haldanes im Oberhause am 6. Juli, die zuerst etwas überraschend klang.
Wir meinen insbesondere die Stelle, wo er sagte, "England würde ein anderes
Land nach dem Kriege sein, nämlich ein armes Land. Es würde beraubt sein
der früheren Vorteile und des früheren Prestiges und der einzigartigen Stellung
in Handel und Industrie ... in anderen Ländern würde mehr Kapital sein
als in England."

Ja, das hatte die Anleihe gezeigt: statt der gewünschten 1000 Millionen
Pfund Sterling wurden nur 300 Millionen Pfund Sterling gezeichnet,
300 Millionen Pfund Sterling mußten durch Bankkredit im letzten Augenblick
zu Papier gebracht werden, um wenigstens eine Rekordsumme zu haben, deren
Veröffentlichung den schlechten Eindruck eines Disagios von dreieinhalb Prozent
verdecken sollte. Ist dies gelungen? Es sieht nicht so aus; Tatsachen reden
deutlicher als Worte und sie sagen dem objektiven Beobachter etwas ganz anderes,
als die langen Reuter- und Havastelegramme, sie sagen ruhig und kalt: die
zweite englische Kriegsanleihe war ein großer Mißerfolg.




War die zweite englische Ariegsanleihe ein Lrfolg?

Ergötzen ihrer Leser abdrückt: „Sie haben in Ihrer Tasche silberne Kugeln,
welche die Deutschen aufhalten werden (stop ins Qsrman8), leihen Sie sie Ihrem
Lande, indem Sie heute Kriegsanleihe zeichnen." Es erübrigt sich, weiter auf
diese Reklame nach dem „großen Erfolg" einzugehen. Interessant ist jedoch,
daß am 15. Juli der Oberpostmeister Herbert Samuel namens der Regierung
in Saltburn eine offizielle Rede hielt, um weitere Zeichnungen zu der Kriegsanleihe
zu veranlassen (de> prouvee ave8euere in ins war Ivan) (vergleiche Times vom
16. Juli), und einen Tag später sagte Mr. Harold Cox in der oben bereits
erwähnten Rede: „Da die neue Anleihe nicht bis zum Ende des Finanzjahres
reiche, müsse man bald mit der Ausgabe einer weiteren Anleihe rechnen." Kann
es da wundernehmen, wenn man ganz ernsthaft davon sprach, die Börse wieder
zu schließen, um ein weiteres Sinken der Staatsanleihe dadurch unmöglich zu machen,
oder aber einen Minimumpreis auch für die neue Anleihe einzuführen, obwohl
dies im Widerspruch zu den Zusagen der Negierung stand, wonach ein freier
Markt für die Anleihe aufrechterhalten werden solle? — So ging es von
Depression zur Panik, und wer wirklich den Reutermeldungen über den „großen
Erfolg" der Anleihe einen Augenblick glaubte, den mußte das finanzielle Wirr¬
warr, das in England herrschte, bald eines anderen belehren. Der „Erfolg"
war eben nur eine Erfindung des englischen Patriotismus; und es gehört schon
eine dreiste Stirn dazu, das Resultat einer Anleihe als Erfolg zu bezeichnen,
wenn 60 Prozent der gewünschten Summe nur gezeichnet wurden, wovon etwa
die Hälfte nur reelle Zeichnungen darstellen, während sich der Rest aus Bank¬
kredit zusammensetzte. Da war es nur natürlich, daß der Kurs dreieinhalb
Prozent unter pari sank. Und man versteht jetzt auch den Sinn der Rede
Lord Haldanes im Oberhause am 6. Juli, die zuerst etwas überraschend klang.
Wir meinen insbesondere die Stelle, wo er sagte, „England würde ein anderes
Land nach dem Kriege sein, nämlich ein armes Land. Es würde beraubt sein
der früheren Vorteile und des früheren Prestiges und der einzigartigen Stellung
in Handel und Industrie ... in anderen Ländern würde mehr Kapital sein
als in England."

Ja, das hatte die Anleihe gezeigt: statt der gewünschten 1000 Millionen
Pfund Sterling wurden nur 300 Millionen Pfund Sterling gezeichnet,
300 Millionen Pfund Sterling mußten durch Bankkredit im letzten Augenblick
zu Papier gebracht werden, um wenigstens eine Rekordsumme zu haben, deren
Veröffentlichung den schlechten Eindruck eines Disagios von dreieinhalb Prozent
verdecken sollte. Ist dies gelungen? Es sieht nicht so aus; Tatsachen reden
deutlicher als Worte und sie sagen dem objektiven Beobachter etwas ganz anderes,
als die langen Reuter- und Havastelegramme, sie sagen ruhig und kalt: die
zweite englische Kriegsanleihe war ein großer Mißerfolg.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/184>, abgerufen am 01.07.2024.