Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.Zur Hundertjahrfeier der Deutschen Burschenschaft am < 2. Juni ^9,5 bringen sollte, bis sie endlich, gleich dem schwarz-blau-roten Banner der Über den Wert des burschenschaftlichen Wirkens hat man sehr verschieden Zur Hundertjahrfeier der Deutschen Burschenschaft am < 2. Juni ^9,5 bringen sollte, bis sie endlich, gleich dem schwarz-blau-roten Banner der Über den Wert des burschenschaftlichen Wirkens hat man sehr verschieden <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0305" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/323844"/> <fw type="header" place="top"> Zur Hundertjahrfeier der Deutschen Burschenschaft am < 2. Juni ^9,5</fw><lb/> <p xml:id="ID_1011" prev="#ID_1010"> bringen sollte, bis sie endlich, gleich dem schwarz-blau-roten Banner der<lb/> italienischen Carbonari, im Tosen der Parteikämpfe entwürdigt und gleich<lb/> jenem durch die Farben des nationalen Staates verdrängt wurde" (Treitschke).</p><lb/> <p xml:id="ID_1012"> Über den Wert des burschenschaftlichen Wirkens hat man sehr verschieden<lb/> geurteilt; am schärfsten und unabhängigsten geht unter den Geschichtsschreibern<lb/> Heinrich von Treitschke mit ihm ins Gericht. Und tatsächlich entsprach die<lb/> Burschenschaft, wie letzterer überzeugend ausführt, sowohl in ihrer studentischen<lb/> wie nationalen Betätigung, ganz dem Charakter ihrer Heimat, des thüringischen<lb/> Landes, wo der großzügige, aber auch herbe Staatsgedanke nie Boden gefaßt<lb/> hat und man daher für die Bedingungen des staatlichen Werdens kein rechtes<lb/> Verständnis besaß. Die Burschenschaft war ein rein theoretisches Erzeugnis,<lb/> welches auf die landsmannfchaftlichen, an sich durchaus begründeten Unterschiede<lb/> keinerlei Rücksicht nahm, und sie glaubte, dieselben gewissermaßen durch einen<lb/> Federstrich beseitigen zu können, statt sie in organischer Weise beim Aufbau des<lb/> Neuen mitzuverwenden. Dieser das geschichtlich Gewordene mißachtende, dem<lb/> Gefühlsleben entspringende Zug trug ihr nicht nur den Verdacht des Revolutionären<lb/> ein und stützte die Meinung des in Metternichs Sinn schreibenden Wiener<lb/> Publizisten Gentz, daß sie „ein durchaus verwerfliches, auf gefahrvolle und<lb/> frevelhafte Zwecke gerichtetes Institut" sei, fondern er bewirkte auch, daß sie<lb/> Bestrebungen unbeachtet ließ, die wie der später von Preußen geschaffene<lb/> Deutsche Zollverein in praktischer Weise zu einer nationalen Einigung führen<lb/> sollten. Wenn man für die Bedeutung der burschenschaftlichen Bewegung ein<lb/> Bild gebrauchen will, so darf man vielleicht sagen: die Burschenschaft war der<lb/> breite Bach, in den von allen Seiten Zuflüsse rannen, und der so allmählich<lb/> zu einem weite Volkskreise umfassenden starken Flusse ward; aber erst als dieser<lb/> Fluß sich mit der anderen Strömung vereinigte, die von Preußen ausging und<lb/> zunächst nur wirtschaftlicher Natur war, kam der stolze, unaufhaltsame Strom<lb/> zustande, der dann mit Naturnotwendigkeit und Zielsicherheit zur Gründung<lb/> des deutschen Einheitsstaates führte.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0305]
Zur Hundertjahrfeier der Deutschen Burschenschaft am < 2. Juni ^9,5
bringen sollte, bis sie endlich, gleich dem schwarz-blau-roten Banner der
italienischen Carbonari, im Tosen der Parteikämpfe entwürdigt und gleich
jenem durch die Farben des nationalen Staates verdrängt wurde" (Treitschke).
Über den Wert des burschenschaftlichen Wirkens hat man sehr verschieden
geurteilt; am schärfsten und unabhängigsten geht unter den Geschichtsschreibern
Heinrich von Treitschke mit ihm ins Gericht. Und tatsächlich entsprach die
Burschenschaft, wie letzterer überzeugend ausführt, sowohl in ihrer studentischen
wie nationalen Betätigung, ganz dem Charakter ihrer Heimat, des thüringischen
Landes, wo der großzügige, aber auch herbe Staatsgedanke nie Boden gefaßt
hat und man daher für die Bedingungen des staatlichen Werdens kein rechtes
Verständnis besaß. Die Burschenschaft war ein rein theoretisches Erzeugnis,
welches auf die landsmannfchaftlichen, an sich durchaus begründeten Unterschiede
keinerlei Rücksicht nahm, und sie glaubte, dieselben gewissermaßen durch einen
Federstrich beseitigen zu können, statt sie in organischer Weise beim Aufbau des
Neuen mitzuverwenden. Dieser das geschichtlich Gewordene mißachtende, dem
Gefühlsleben entspringende Zug trug ihr nicht nur den Verdacht des Revolutionären
ein und stützte die Meinung des in Metternichs Sinn schreibenden Wiener
Publizisten Gentz, daß sie „ein durchaus verwerfliches, auf gefahrvolle und
frevelhafte Zwecke gerichtetes Institut" sei, fondern er bewirkte auch, daß sie
Bestrebungen unbeachtet ließ, die wie der später von Preußen geschaffene
Deutsche Zollverein in praktischer Weise zu einer nationalen Einigung führen
sollten. Wenn man für die Bedeutung der burschenschaftlichen Bewegung ein
Bild gebrauchen will, so darf man vielleicht sagen: die Burschenschaft war der
breite Bach, in den von allen Seiten Zuflüsse rannen, und der so allmählich
zu einem weite Volkskreise umfassenden starken Flusse ward; aber erst als dieser
Fluß sich mit der anderen Strömung vereinigte, die von Preußen ausging und
zunächst nur wirtschaftlicher Natur war, kam der stolze, unaufhaltsame Strom
zustande, der dann mit Naturnotwendigkeit und Zielsicherheit zur Gründung
des deutschen Einheitsstaates führte.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |