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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Deutsche 'Ariegsdichtung heut und vor hundert Jahren

krieg nicht bloß vom nationalen, sondern auch vom allgemein-menschlichen Stand¬
punkt auseinanderzusetzen. Er findet dabei für die Hilflosigkeit des einzelnen
gegenüber dem Weltgeschehen, für das Entsetzen vor dem Grausigen des Krieges,
für die rein menschliche Tragik des Sterbens und des Todes ebenso echte Töne
wie für die ehrliche Vaterlandsliebe und den opferbereiten Kampfesmut.

Er und sein Verleger verzichten auch mutig und selbstbewußt auf eine Art
von -- nun sagen wir -- Entschuldigung, die heute fast zu häufig in Gedicht¬
büchern zu finden ist. Dichter und Verleger versprechen einen Teil des Reinertrags
dem Roten Kreuz. Da ist natürlich die Absicht nur zu loben. Es hat aber fast
den Anschein, als wollten die Dichter ihren Werken in dieser eisernen Zeit dadurch
etwas mehr Daseinsberechtigung tierschaffen. Auch vor hundert Jahren haben zum
Beispiel Uhland ähnliche Gedanken gequält. Wir möchten aber all unseren Dichtern
heute das frohe Selbstvertrauen und das Bewußtsein eigenen Wertes wünschen, wie es
Will Vesper sich bewahrt hat. Denen, die da "mit blutigem Schwert Weltgeschichte
schreiben", gesellt er sich ebenbürtig bei und ruft ihnen zu:




Deutsche 'Ariegsdichtung heut und vor hundert Jahren

krieg nicht bloß vom nationalen, sondern auch vom allgemein-menschlichen Stand¬
punkt auseinanderzusetzen. Er findet dabei für die Hilflosigkeit des einzelnen
gegenüber dem Weltgeschehen, für das Entsetzen vor dem Grausigen des Krieges,
für die rein menschliche Tragik des Sterbens und des Todes ebenso echte Töne
wie für die ehrliche Vaterlandsliebe und den opferbereiten Kampfesmut.

Er und sein Verleger verzichten auch mutig und selbstbewußt auf eine Art
von — nun sagen wir — Entschuldigung, die heute fast zu häufig in Gedicht¬
büchern zu finden ist. Dichter und Verleger versprechen einen Teil des Reinertrags
dem Roten Kreuz. Da ist natürlich die Absicht nur zu loben. Es hat aber fast
den Anschein, als wollten die Dichter ihren Werken in dieser eisernen Zeit dadurch
etwas mehr Daseinsberechtigung tierschaffen. Auch vor hundert Jahren haben zum
Beispiel Uhland ähnliche Gedanken gequält. Wir möchten aber all unseren Dichtern
heute das frohe Selbstvertrauen und das Bewußtsein eigenen Wertes wünschen, wie es
Will Vesper sich bewahrt hat. Denen, die da „mit blutigem Schwert Weltgeschichte
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[0200] Deutsche 'Ariegsdichtung heut und vor hundert Jahren krieg nicht bloß vom nationalen, sondern auch vom allgemein-menschlichen Stand¬ punkt auseinanderzusetzen. Er findet dabei für die Hilflosigkeit des einzelnen gegenüber dem Weltgeschehen, für das Entsetzen vor dem Grausigen des Krieges, für die rein menschliche Tragik des Sterbens und des Todes ebenso echte Töne wie für die ehrliche Vaterlandsliebe und den opferbereiten Kampfesmut. Er und sein Verleger verzichten auch mutig und selbstbewußt auf eine Art von — nun sagen wir — Entschuldigung, die heute fast zu häufig in Gedicht¬ büchern zu finden ist. Dichter und Verleger versprechen einen Teil des Reinertrags dem Roten Kreuz. Da ist natürlich die Absicht nur zu loben. Es hat aber fast den Anschein, als wollten die Dichter ihren Werken in dieser eisernen Zeit dadurch etwas mehr Daseinsberechtigung tierschaffen. Auch vor hundert Jahren haben zum Beispiel Uhland ähnliche Gedanken gequält. Wir möchten aber all unseren Dichtern heute das frohe Selbstvertrauen und das Bewußtsein eigenen Wertes wünschen, wie es Will Vesper sich bewahrt hat. Denen, die da „mit blutigem Schwert Weltgeschichte schreiben", gesellt er sich ebenbürtig bei und ruft ihnen zu:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/200>, abgerufen am 22.07.2024.