Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.Die deutsche Industrie im Ariege bahnwesens, soweit es sich um Angelegenheiten der Truppenbeförderung handelte, Aber sie zeigte uns auch, daß unsere Industrie und das von ihr abhängige Schon erhoben sich zürnend die Stimmen der Feinde kapitalistischer Wirt¬ Sy sah sich die deutsche Industrie, die große Arbeit- und Brotgeberin Es zeigte sich indessen sehr bald, daß an Arbeitsgelegenheit kein Mangel Bereits am 8. August v. I. schlössen sich die beiden maßgebenden Verbände Die deutsche Industrie im Ariege bahnwesens, soweit es sich um Angelegenheiten der Truppenbeförderung handelte, Aber sie zeigte uns auch, daß unsere Industrie und das von ihr abhängige Schon erhoben sich zürnend die Stimmen der Feinde kapitalistischer Wirt¬ Sy sah sich die deutsche Industrie, die große Arbeit- und Brotgeberin Es zeigte sich indessen sehr bald, daß an Arbeitsgelegenheit kein Mangel Bereits am 8. August v. I. schlössen sich die beiden maßgebenden Verbände <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0014" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/323553"/> <fw type="header" place="top"> Die deutsche Industrie im Ariege</fw><lb/> <p xml:id="ID_5" prev="#ID_4"> bahnwesens, soweit es sich um Angelegenheiten der Truppenbeförderung handelte,<lb/> und sie zeigte uns die mustergültige Bereitschaft für die Heeresverpflegung.</p><lb/> <p xml:id="ID_6"> Aber sie zeigte uns auch, daß unsere Industrie und das von ihr abhängige<lb/> Wirtschaftsleben nicht auf den Krieg vorbereitet waren. Die Folge waren:<lb/> Kopflosigkeit. Unentschlossenheit, Massenkündigungen und als schlimmste — drohende<lb/> Arbeitslosigkeit. Die deutsche Industrie schien still zu stehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_7"> Schon erhoben sich zürnend die Stimmen der Feinde kapitalistischer Wirt¬<lb/> schaftsordnung. Sie prophezeiten die Niederlage Deutschlands als notwendige<lb/> Folge dieses Systems. Von anderer Seite aber erscholl der dringliche Ruf:<lb/> „weiter arbeiten." Denn das ward in jenen Tagen die Überzeugung eines<lb/> jeden: Deutschland kann nur dann siegreich aus dem aufgedrungenen Kampfe<lb/> hervorgehen, wenn das zurückgebliebene Deutschland stark bleibt und mit seiner<lb/> Kraft stützend im Rücken der kämpfenden Armeen steht. Denn nicht in den<lb/> Reihen der siegreich vordringenden Truppen wird die Kriegesmüdigkeit lähmend<lb/> ihr Haupt erheben, sie wird geboren im Inland, inmitten arbeitsloser, zu<lb/> Müßiggang und Notleiden verurteilter Menschenmassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_8"> Sy sah sich die deutsche Industrie, die große Arbeit- und Brotgeberin<lb/> unseres Volkes, vor eine große, fast übermenschliche Ausgabe gestellt. Es galt<lb/> schnell und wirkungsvoll zu handeln und das, was an Kriegsvorsorge versäumt<lb/> worden war, durch Kriegsfürsorge wieder gut zu machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_9"> Es zeigte sich indessen sehr bald, daß an Arbeitsgelegenheit kein Mangel<lb/> herrschen würde. Der Krieg selbst und mit ihm die Heeresleitung stellten<lb/> große Anforderungen an die Leistungsfähigkeit unserer Industrie. Der Bedarf<lb/> an Geschützen, an Munition, an Ausrüstungsgegenständen für das kämpfende<lb/> Heer, an Erzeugnissen, die sanitären Zwecken dienen, an Beförderungsmaterial usw.<lb/> stieg ins UngeMessene. Aber die Aufträge wurden von den militärischen Be¬<lb/> hörden ohne genügende Prüfung, fast wahllos, vergeben, und das Fehlen einer<lb/> Organisation, die die Geschäftsbeziehungen zwischen Militärverwaltung und<lb/> Industrie hätte regeln können, machte sich unangenehm fühlbar. So kam<lb/> es, daß die dem Sitz der Verwaltungen benachbarten Werke mit Aufträgen<lb/> überlastet waren, während in entlegenen Gegenden Beschäftigungslosigkeit herrschte.<lb/> Eine weitere Folge war das Austreten eines lästigen, oft unlauteren Zwischen¬<lb/> handels, der nicht selten von Leuten betrieben wurde, die bisher in keiner Be¬<lb/> ziehung zu den arbeitenden Industrien standen. Hier regelnd zu wirken, war<lb/> die erste Anforderung, die der Krieg an die organisatorische Kraft unserer<lb/> Industrie stellte. Sie wurde bei der Lösung dieser Aufgabe unterstützt durch<lb/> die bestehenden starken Organisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer.</p><lb/> <p xml:id="ID_10" next="#ID_11"> Bereits am 8. August v. I. schlössen sich die beiden maßgebenden Verbände<lb/> der deutschen Industrie, der „Bund der Industriellen" und der „Zentralverband<lb/> deutscher Industrieller" zusammen zur Bildung eines „Kriegsausschusses der<lb/> deutschen Industrie", und stellten somit ihre weitreichenden Organisationen in<lb/> den Dienst des Vaterlandes. Dieser Kriegsausschuß erfaßte die gesamten</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0014]
Die deutsche Industrie im Ariege
bahnwesens, soweit es sich um Angelegenheiten der Truppenbeförderung handelte,
und sie zeigte uns die mustergültige Bereitschaft für die Heeresverpflegung.
Aber sie zeigte uns auch, daß unsere Industrie und das von ihr abhängige
Wirtschaftsleben nicht auf den Krieg vorbereitet waren. Die Folge waren:
Kopflosigkeit. Unentschlossenheit, Massenkündigungen und als schlimmste — drohende
Arbeitslosigkeit. Die deutsche Industrie schien still zu stehen.
Schon erhoben sich zürnend die Stimmen der Feinde kapitalistischer Wirt¬
schaftsordnung. Sie prophezeiten die Niederlage Deutschlands als notwendige
Folge dieses Systems. Von anderer Seite aber erscholl der dringliche Ruf:
„weiter arbeiten." Denn das ward in jenen Tagen die Überzeugung eines
jeden: Deutschland kann nur dann siegreich aus dem aufgedrungenen Kampfe
hervorgehen, wenn das zurückgebliebene Deutschland stark bleibt und mit seiner
Kraft stützend im Rücken der kämpfenden Armeen steht. Denn nicht in den
Reihen der siegreich vordringenden Truppen wird die Kriegesmüdigkeit lähmend
ihr Haupt erheben, sie wird geboren im Inland, inmitten arbeitsloser, zu
Müßiggang und Notleiden verurteilter Menschenmassen.
Sy sah sich die deutsche Industrie, die große Arbeit- und Brotgeberin
unseres Volkes, vor eine große, fast übermenschliche Ausgabe gestellt. Es galt
schnell und wirkungsvoll zu handeln und das, was an Kriegsvorsorge versäumt
worden war, durch Kriegsfürsorge wieder gut zu machen.
Es zeigte sich indessen sehr bald, daß an Arbeitsgelegenheit kein Mangel
herrschen würde. Der Krieg selbst und mit ihm die Heeresleitung stellten
große Anforderungen an die Leistungsfähigkeit unserer Industrie. Der Bedarf
an Geschützen, an Munition, an Ausrüstungsgegenständen für das kämpfende
Heer, an Erzeugnissen, die sanitären Zwecken dienen, an Beförderungsmaterial usw.
stieg ins UngeMessene. Aber die Aufträge wurden von den militärischen Be¬
hörden ohne genügende Prüfung, fast wahllos, vergeben, und das Fehlen einer
Organisation, die die Geschäftsbeziehungen zwischen Militärverwaltung und
Industrie hätte regeln können, machte sich unangenehm fühlbar. So kam
es, daß die dem Sitz der Verwaltungen benachbarten Werke mit Aufträgen
überlastet waren, während in entlegenen Gegenden Beschäftigungslosigkeit herrschte.
Eine weitere Folge war das Austreten eines lästigen, oft unlauteren Zwischen¬
handels, der nicht selten von Leuten betrieben wurde, die bisher in keiner Be¬
ziehung zu den arbeitenden Industrien standen. Hier regelnd zu wirken, war
die erste Anforderung, die der Krieg an die organisatorische Kraft unserer
Industrie stellte. Sie wurde bei der Lösung dieser Aufgabe unterstützt durch
die bestehenden starken Organisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Bereits am 8. August v. I. schlössen sich die beiden maßgebenden Verbände
der deutschen Industrie, der „Bund der Industriellen" und der „Zentralverband
deutscher Industrieller" zusammen zur Bildung eines „Kriegsausschusses der
deutschen Industrie", und stellten somit ihre weitreichenden Organisationen in
den Dienst des Vaterlandes. Dieser Kriegsausschuß erfaßte die gesamten
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