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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr.

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Die Besteuerung des Uriegsgeroinns -- eine Steuerungerechtigkeit

befunden hätten? In Wirklichkeit kommen sie schlechter davon wie sonst ertrag¬
reiche Unternehmungen, die aber infolge der Kriegswirkungen im Jahre 1914/15
einen einmaligen Ausfall erleiden. Eine derart ungleichmäßige Bewertung der
Einkommensgrößen ist mit der Steuergerechtigkeit schwer vereinbar. Mag der
Krieg manche finanzwirtschaftliche Grundsätze zeitweilig durchbrechen, sofern die
Kriegsnot hierzu verpflichtet, er sollte aber nicht ohne ersichtliche Dringlichkeit
zu einer Steuerpolitik ab irato verführen.

Mit der Möglichkeit, daß die Steuerschraube in Bewegung gesetzt wird,
schon um die fünfhundert Millionen zur Verzinsung von zehn Milliarden Kriegs¬
anleihe zu beschaffen, ist immerhin zu rechnen. naheliegend ist auch der Plan,
einen Hauptteil der Steuerlast auf das Einkommen und Vermögen zu legen.
Dagegen ist wesentliches nicht einzuwenden. Die Einkommenseinschätzung und
die Vermögenszuwachssteuer sind auch das natürliche Fundament, auf dem die
Besteuerung der Kriegsgewinne sich würde aufbauen müssen. Zu vermeiden
ist hingegen eine besondere Steuer, die die während des Krieges und im Zu¬
sammenhang mit ihm entstandenen Mehreinkünfte als ein neues Steuerobjekt
zu erfassen sucht. Hierzu liegt aus den angeführten Gründen keine Veranlassung
vor. Der Einwand, daß das Reichsbesitzsteuergesetz schleunigst "kriegsbrauchbar"
gemacht werden müßte, weil die gewonnenen Kapitalien bis zur Erhebung
vom 1. April 1917 gar leicht wieder zerronnen sein könnten, ist in unseren
Augen nicht stichhaltig. Der Kriegsgewinn, selbst wenn er noch so hoch ist,
läßt sich steuertechnisch nicht mit einiger Sicherheit erfassen. Wer für die
Lieferung bestimmter Bedarfsartikel der Heeresverwaltung, nehmen wir an, eine
Million mehr ausgezahlt erhält als nach den marktgängigen Preisen vor dem
Kriege erforderlich, hat deshalb noch lange nicht eine Million verdient. Die
ganze Reihe der Hintermänner, Agenten und Lieferanten heischt aus diesem
Verdienst seinen Anteil und bewirkt, daß der Einheitsprofit in eine unabsehbare
Menge von Kanälen auseinanderfließt. Anderseits vergegenwärtige man sich
die ungeheuren Umsätze in Nahrungsmitteln zu hohen und höchsten Preisen,
bei denen den Produzenten oder Zwischenhändlern Millionen als Mehrerträge
gegen früher zugeflossen find. Auch hier handelt es sich um Konjunkturgewinne,
die der vielgerühmten, aber zumeist unhandlicher Steuergerechtigkeit zuliebe,
steuerlich gemaßregelt werden müßten. Wie aber das geschehen soll, wenn man
den festen Boden der bestehenden Steuerordnungen nicht preisgeben will, könnte
das Thema einer Preisaufgabe bilden. In jedem Falle würde die Steuer--
ungerechtigkeit grell hervortreten.




Die Besteuerung des Uriegsgeroinns — eine Steuerungerechtigkeit

befunden hätten? In Wirklichkeit kommen sie schlechter davon wie sonst ertrag¬
reiche Unternehmungen, die aber infolge der Kriegswirkungen im Jahre 1914/15
einen einmaligen Ausfall erleiden. Eine derart ungleichmäßige Bewertung der
Einkommensgrößen ist mit der Steuergerechtigkeit schwer vereinbar. Mag der
Krieg manche finanzwirtschaftliche Grundsätze zeitweilig durchbrechen, sofern die
Kriegsnot hierzu verpflichtet, er sollte aber nicht ohne ersichtliche Dringlichkeit
zu einer Steuerpolitik ab irato verführen.

Mit der Möglichkeit, daß die Steuerschraube in Bewegung gesetzt wird,
schon um die fünfhundert Millionen zur Verzinsung von zehn Milliarden Kriegs¬
anleihe zu beschaffen, ist immerhin zu rechnen. naheliegend ist auch der Plan,
einen Hauptteil der Steuerlast auf das Einkommen und Vermögen zu legen.
Dagegen ist wesentliches nicht einzuwenden. Die Einkommenseinschätzung und
die Vermögenszuwachssteuer sind auch das natürliche Fundament, auf dem die
Besteuerung der Kriegsgewinne sich würde aufbauen müssen. Zu vermeiden
ist hingegen eine besondere Steuer, die die während des Krieges und im Zu¬
sammenhang mit ihm entstandenen Mehreinkünfte als ein neues Steuerobjekt
zu erfassen sucht. Hierzu liegt aus den angeführten Gründen keine Veranlassung
vor. Der Einwand, daß das Reichsbesitzsteuergesetz schleunigst „kriegsbrauchbar"
gemacht werden müßte, weil die gewonnenen Kapitalien bis zur Erhebung
vom 1. April 1917 gar leicht wieder zerronnen sein könnten, ist in unseren
Augen nicht stichhaltig. Der Kriegsgewinn, selbst wenn er noch so hoch ist,
läßt sich steuertechnisch nicht mit einiger Sicherheit erfassen. Wer für die
Lieferung bestimmter Bedarfsartikel der Heeresverwaltung, nehmen wir an, eine
Million mehr ausgezahlt erhält als nach den marktgängigen Preisen vor dem
Kriege erforderlich, hat deshalb noch lange nicht eine Million verdient. Die
ganze Reihe der Hintermänner, Agenten und Lieferanten heischt aus diesem
Verdienst seinen Anteil und bewirkt, daß der Einheitsprofit in eine unabsehbare
Menge von Kanälen auseinanderfließt. Anderseits vergegenwärtige man sich
die ungeheuren Umsätze in Nahrungsmitteln zu hohen und höchsten Preisen,
bei denen den Produzenten oder Zwischenhändlern Millionen als Mehrerträge
gegen früher zugeflossen find. Auch hier handelt es sich um Konjunkturgewinne,
die der vielgerühmten, aber zumeist unhandlicher Steuergerechtigkeit zuliebe,
steuerlich gemaßregelt werden müßten. Wie aber das geschehen soll, wenn man
den festen Boden der bestehenden Steuerordnungen nicht preisgeben will, könnte
das Thema einer Preisaufgabe bilden. In jedem Falle würde die Steuer--
ungerechtigkeit grell hervortreten.




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[0124] Die Besteuerung des Uriegsgeroinns — eine Steuerungerechtigkeit befunden hätten? In Wirklichkeit kommen sie schlechter davon wie sonst ertrag¬ reiche Unternehmungen, die aber infolge der Kriegswirkungen im Jahre 1914/15 einen einmaligen Ausfall erleiden. Eine derart ungleichmäßige Bewertung der Einkommensgrößen ist mit der Steuergerechtigkeit schwer vereinbar. Mag der Krieg manche finanzwirtschaftliche Grundsätze zeitweilig durchbrechen, sofern die Kriegsnot hierzu verpflichtet, er sollte aber nicht ohne ersichtliche Dringlichkeit zu einer Steuerpolitik ab irato verführen. Mit der Möglichkeit, daß die Steuerschraube in Bewegung gesetzt wird, schon um die fünfhundert Millionen zur Verzinsung von zehn Milliarden Kriegs¬ anleihe zu beschaffen, ist immerhin zu rechnen. naheliegend ist auch der Plan, einen Hauptteil der Steuerlast auf das Einkommen und Vermögen zu legen. Dagegen ist wesentliches nicht einzuwenden. Die Einkommenseinschätzung und die Vermögenszuwachssteuer sind auch das natürliche Fundament, auf dem die Besteuerung der Kriegsgewinne sich würde aufbauen müssen. Zu vermeiden ist hingegen eine besondere Steuer, die die während des Krieges und im Zu¬ sammenhang mit ihm entstandenen Mehreinkünfte als ein neues Steuerobjekt zu erfassen sucht. Hierzu liegt aus den angeführten Gründen keine Veranlassung vor. Der Einwand, daß das Reichsbesitzsteuergesetz schleunigst „kriegsbrauchbar" gemacht werden müßte, weil die gewonnenen Kapitalien bis zur Erhebung vom 1. April 1917 gar leicht wieder zerronnen sein könnten, ist in unseren Augen nicht stichhaltig. Der Kriegsgewinn, selbst wenn er noch so hoch ist, läßt sich steuertechnisch nicht mit einiger Sicherheit erfassen. Wer für die Lieferung bestimmter Bedarfsartikel der Heeresverwaltung, nehmen wir an, eine Million mehr ausgezahlt erhält als nach den marktgängigen Preisen vor dem Kriege erforderlich, hat deshalb noch lange nicht eine Million verdient. Die ganze Reihe der Hintermänner, Agenten und Lieferanten heischt aus diesem Verdienst seinen Anteil und bewirkt, daß der Einheitsprofit in eine unabsehbare Menge von Kanälen auseinanderfließt. Anderseits vergegenwärtige man sich die ungeheuren Umsätze in Nahrungsmitteln zu hohen und höchsten Preisen, bei denen den Produzenten oder Zwischenhändlern Millionen als Mehrerträge gegen früher zugeflossen find. Auch hier handelt es sich um Konjunkturgewinne, die der vielgerühmten, aber zumeist unhandlicher Steuergerechtigkeit zuliebe, steuerlich gemaßregelt werden müßten. Wie aber das geschehen soll, wenn man den festen Boden der bestehenden Steuerordnungen nicht preisgeben will, könnte das Thema einer Preisaufgabe bilden. In jedem Falle würde die Steuer-- ungerechtigkeit grell hervortreten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323538/124>, abgerufen am 22.07.2024.