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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.

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Ultims ratio rsgis

haftigkeit und Geschick der Verwaltung und Beamtenschaft, und endlich und vor
allem: die Kriegsinstrumente selbst, die Gewehre und Geschütze, Schiffe und
Eisenbahnen, Flugzeuge und Automobile, Telephon und Telegraph, decken sich
mit der gesamten technischen Kultur des Landes.

Die Armee ist also nicht nur ein Instrument, sondern sie gehört zum
Körper, der sie handhabt. Die Armee ist die Waffe und der Arm, der sie
führt. Und so wie der Arm ein Repräsentant und Maßstab der Körperkraft
ist und zugleich die Kraft des Körpers in dem Arme mit besteht, so ist auch
die Armee zugleich Repräsentant und Maßstab, Instrument und Ursache der
Staatsgewalt.

Daher ist der Sieg des Heeres ein Ausdruck der Überlegenheit seines
Staates über den besiegten, er ist aber zugleich die Ursache seiner Überlegen¬
heit: ebenso wie die Niederlage das Merkmal der Schwäche ist, zugleich aber
die Schwächung bewirkt. Der Sieg ist ein Mittel zum Zweck, um nämlich
dem Feind seinen Willen aufzuzwingen, zugleich aber der Zweck selbst, der an
sich erstrebt werden muß, ohne Rücksicht auf die Folgen. Und so sind endlich
die Friedensbedingungen, zum Beispiel Landabtretung, sowohl Zweck, nämlich
Schwächung des feindlichen Staates und Stärkung des eigenen, als auch Mittel
zum Zweck, nämlich Demonstration der größeren Macht. Und endlich darf nicht
vergessen werden, daß der Sieg über das Heer nur dann ein Sieg ist, wenn
er den Besiegten wirklich zu einem ungünstigen Frieden zwingt; man kann sich
aber auch totsiegen und seine Kraft im Kriege selbst erschöpfen, und im russisch¬
japanischen Kriege hat nicht das Schlachtfeld, sondern die Friedensverhandlung
das wahre Machtverhältnis enthüllt.




Daß aber die Entscheidung der Heere durch bloße Gewalt erzwungen
wird, ist ein Problem für sich oder ein Bündel von Problemen.

In diesen Zeiten, wo es nur ein einziges Gesprächsthema gibt, wollen
Frauen sich darüber belehren lassen, wann eine Partei gesiegt habe; ob es
schon ein Sieg sei, wenn das feindliche Heer zurückgeht, oder ob man sie alle
fangen oder alle erschlagen müsse. Auch wollen sie etwa wissen, ob eine Ort¬
schaft, die von der einen Partei besetzt worden sei, ihr nun ein für allemal
gehöre, oder ob sie wieder daraus vertrieben werden dürfe.

Ich erkläre mir solche weiblichen Fragen damit, daß das Weib, gewöhnt
in einer Welt zu leben, darin das Gesetz und der Vertrag herrscht, und zwar
das vom Manne gegebene Gesetz, sich einen Zustand vollkommener Gesetzlosigkeit
nicht vorstellen kann. Dieser Denkschwierigkeit sind auch wir Männer nicht durch¬
aus gewachsen; sonst würden wir nicht immer wieder den Versuch machen, oberhalb
der höchsten Gewalt wiederum eine Gewalt, oberhalb der Staaten einen neuen
Staat zu konstituieren: das Völkerrecht. Wo keine Macht mehr ist, da gibt es
vielleicht moralische, aber keine praktischen Gesetze. Alle Bestimmungen, die über


Ultims ratio rsgis

haftigkeit und Geschick der Verwaltung und Beamtenschaft, und endlich und vor
allem: die Kriegsinstrumente selbst, die Gewehre und Geschütze, Schiffe und
Eisenbahnen, Flugzeuge und Automobile, Telephon und Telegraph, decken sich
mit der gesamten technischen Kultur des Landes.

Die Armee ist also nicht nur ein Instrument, sondern sie gehört zum
Körper, der sie handhabt. Die Armee ist die Waffe und der Arm, der sie
führt. Und so wie der Arm ein Repräsentant und Maßstab der Körperkraft
ist und zugleich die Kraft des Körpers in dem Arme mit besteht, so ist auch
die Armee zugleich Repräsentant und Maßstab, Instrument und Ursache der
Staatsgewalt.

Daher ist der Sieg des Heeres ein Ausdruck der Überlegenheit seines
Staates über den besiegten, er ist aber zugleich die Ursache seiner Überlegen¬
heit: ebenso wie die Niederlage das Merkmal der Schwäche ist, zugleich aber
die Schwächung bewirkt. Der Sieg ist ein Mittel zum Zweck, um nämlich
dem Feind seinen Willen aufzuzwingen, zugleich aber der Zweck selbst, der an
sich erstrebt werden muß, ohne Rücksicht auf die Folgen. Und so sind endlich
die Friedensbedingungen, zum Beispiel Landabtretung, sowohl Zweck, nämlich
Schwächung des feindlichen Staates und Stärkung des eigenen, als auch Mittel
zum Zweck, nämlich Demonstration der größeren Macht. Und endlich darf nicht
vergessen werden, daß der Sieg über das Heer nur dann ein Sieg ist, wenn
er den Besiegten wirklich zu einem ungünstigen Frieden zwingt; man kann sich
aber auch totsiegen und seine Kraft im Kriege selbst erschöpfen, und im russisch¬
japanischen Kriege hat nicht das Schlachtfeld, sondern die Friedensverhandlung
das wahre Machtverhältnis enthüllt.




Daß aber die Entscheidung der Heere durch bloße Gewalt erzwungen
wird, ist ein Problem für sich oder ein Bündel von Problemen.

In diesen Zeiten, wo es nur ein einziges Gesprächsthema gibt, wollen
Frauen sich darüber belehren lassen, wann eine Partei gesiegt habe; ob es
schon ein Sieg sei, wenn das feindliche Heer zurückgeht, oder ob man sie alle
fangen oder alle erschlagen müsse. Auch wollen sie etwa wissen, ob eine Ort¬
schaft, die von der einen Partei besetzt worden sei, ihr nun ein für allemal
gehöre, oder ob sie wieder daraus vertrieben werden dürfe.

Ich erkläre mir solche weiblichen Fragen damit, daß das Weib, gewöhnt
in einer Welt zu leben, darin das Gesetz und der Vertrag herrscht, und zwar
das vom Manne gegebene Gesetz, sich einen Zustand vollkommener Gesetzlosigkeit
nicht vorstellen kann. Dieser Denkschwierigkeit sind auch wir Männer nicht durch¬
aus gewachsen; sonst würden wir nicht immer wieder den Versuch machen, oberhalb
der höchsten Gewalt wiederum eine Gewalt, oberhalb der Staaten einen neuen
Staat zu konstituieren: das Völkerrecht. Wo keine Macht mehr ist, da gibt es
vielleicht moralische, aber keine praktischen Gesetze. Alle Bestimmungen, die über


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[0155] Ultims ratio rsgis haftigkeit und Geschick der Verwaltung und Beamtenschaft, und endlich und vor allem: die Kriegsinstrumente selbst, die Gewehre und Geschütze, Schiffe und Eisenbahnen, Flugzeuge und Automobile, Telephon und Telegraph, decken sich mit der gesamten technischen Kultur des Landes. Die Armee ist also nicht nur ein Instrument, sondern sie gehört zum Körper, der sie handhabt. Die Armee ist die Waffe und der Arm, der sie führt. Und so wie der Arm ein Repräsentant und Maßstab der Körperkraft ist und zugleich die Kraft des Körpers in dem Arme mit besteht, so ist auch die Armee zugleich Repräsentant und Maßstab, Instrument und Ursache der Staatsgewalt. Daher ist der Sieg des Heeres ein Ausdruck der Überlegenheit seines Staates über den besiegten, er ist aber zugleich die Ursache seiner Überlegen¬ heit: ebenso wie die Niederlage das Merkmal der Schwäche ist, zugleich aber die Schwächung bewirkt. Der Sieg ist ein Mittel zum Zweck, um nämlich dem Feind seinen Willen aufzuzwingen, zugleich aber der Zweck selbst, der an sich erstrebt werden muß, ohne Rücksicht auf die Folgen. Und so sind endlich die Friedensbedingungen, zum Beispiel Landabtretung, sowohl Zweck, nämlich Schwächung des feindlichen Staates und Stärkung des eigenen, als auch Mittel zum Zweck, nämlich Demonstration der größeren Macht. Und endlich darf nicht vergessen werden, daß der Sieg über das Heer nur dann ein Sieg ist, wenn er den Besiegten wirklich zu einem ungünstigen Frieden zwingt; man kann sich aber auch totsiegen und seine Kraft im Kriege selbst erschöpfen, und im russisch¬ japanischen Kriege hat nicht das Schlachtfeld, sondern die Friedensverhandlung das wahre Machtverhältnis enthüllt. Daß aber die Entscheidung der Heere durch bloße Gewalt erzwungen wird, ist ein Problem für sich oder ein Bündel von Problemen. In diesen Zeiten, wo es nur ein einziges Gesprächsthema gibt, wollen Frauen sich darüber belehren lassen, wann eine Partei gesiegt habe; ob es schon ein Sieg sei, wenn das feindliche Heer zurückgeht, oder ob man sie alle fangen oder alle erschlagen müsse. Auch wollen sie etwa wissen, ob eine Ort¬ schaft, die von der einen Partei besetzt worden sei, ihr nun ein für allemal gehöre, oder ob sie wieder daraus vertrieben werden dürfe. Ich erkläre mir solche weiblichen Fragen damit, daß das Weib, gewöhnt in einer Welt zu leben, darin das Gesetz und der Vertrag herrscht, und zwar das vom Manne gegebene Gesetz, sich einen Zustand vollkommener Gesetzlosigkeit nicht vorstellen kann. Dieser Denkschwierigkeit sind auch wir Männer nicht durch¬ aus gewachsen; sonst würden wir nicht immer wieder den Versuch machen, oberhalb der höchsten Gewalt wiederum eine Gewalt, oberhalb der Staaten einen neuen Staat zu konstituieren: das Völkerrecht. Wo keine Macht mehr ist, da gibt es vielleicht moralische, aber keine praktischen Gesetze. Alle Bestimmungen, die über

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/155>, abgerufen am 28.09.2024.