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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.

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Grundzügö für den Wiederaufbau Gstprcußens

besetzung bereits vorhandener kleiner Anbauflächen, eine Zerschlagung großer
Güter und Aufteilung der in Staatsbesitz befindlichen früheren (jetzt kultur¬
fähigen) Odländereien in Frage kommt, ist von untergeordneter Bedeutung.
Will man für Ostpreußen nicht eine besondere Ansiedlungskommission schaffen,
so wäre, da die Durchführung des großen Ansiedlungswerkes eine behördliche
Zentralisation erforderlich macht, der Geschäftsbereich sowie die Kompetenz der
Generalkommission sinngemäß zu erweitern. Jeder, der Fühlung hat mit
minderbemittelten, aber arbeit- und strebsamen, dörflichen Verhältnissen ent¬
stammenden Leuten unseres Volkes, weiß, wie lebhaft und groß der Wunsch
nach dem Besitz eines eigenen Stückes Ackerlandes ist, ein Wunsch, der sich in
den meisten Fällen zur Sehnsucht steigert, die bei Aussicht auf Erfüllung
allen Lockungen des Westens und der Großstädte widerstehen würde. Das
Heil und die Zukunft ganz Ostpreußens hängt von einer glücklichen In¬
spiration und frischen Initiative der Regierung in dieser Hinsicht ab,
-- und ein gütiges Geschick bewahre uns vor verhängnisvollen Mi߬
griffen!

Wie erinnerlich sein wird, ist der Bundesrat nach § 3 des Gesetzes
betreffend den Erlaß wirtschaftlicher Maßnahmen usw. vom 4. August 1914
ermächtigt, das Wirtschaftsleben nach eigenem Ermessen gegen Schädigungen
durch den Krieg, besonders in den vom Krieg direkt betroffenen Landesteilen
möglichst zu schützen. Von beteiligter Seite ist daher an den Bundesrat
ein Antrag gerichtet worden, ein Kriegsgewerbeamt für Ostpreußen (eventuell
in Angliederung an die Kriegshilfskommission) zu organisieren, dem folgende
Aufgaben und Tätigkeiten zufallen sollen:

1. Die Vornahme von Untersuchungen über den gesamten Umfang der
wirtschaftlichen Verluste in Industrie, Handel und Handwerk; 2. die Prüfung
und Abschätzung besonderer Schadenersatzansprüche geschädigter Betriebsinhaber
und die Erstattung diesbezüglicher Gutachten an die Kriegshilfsausschüsse usw.,
3. Die Mitwirkung beim Wiederaufbau zerstörter Städte und Dörfer, sowie
nach Anhörung der Bauberatungsstellen die Heranziehung tüchtiger Architekten,
Bauhandwerker und Arbeitskräfte; 4. die Wiederbesiedlung und Neubelebung
verlassener Ortschaften mit Betriebsanlagen, Einrichtungen (besonders Elektrizität)
und Personen, die dem ostpreußischen Gewerbe (der Industrie, dem Handel
und Handwerk) sowie der Landwirtschaft Nutzen bringen; 5. die Vermittlung
von Arbeitsgelegenheit bzw. Übertragung von öffentlichen Leistungen an ein¬
heimische Unternehmer und Lieferungsvereinigungen unter Zugrundelegung an¬
gemessener Preise; 6. Versorgung des Gewerbes mit Handwerkszeug, Maschinen,
Kohlen und sonstigen Bedarfsmitteln zur Behebung der Schwierigkeiten bei
Fortführung geschädigter Betriebe.

Außerdem soll das Kriegsgewerbeamt innerhalb seines Wirkungskreises
Anträge an Behörden, Kommunalverbände und Körperschaften des öffentlichen
Rechts stellen und Anfragen über gewerbliche und wirtschaftliche Verhältnisse


Grundzügö für den Wiederaufbau Gstprcußens

besetzung bereits vorhandener kleiner Anbauflächen, eine Zerschlagung großer
Güter und Aufteilung der in Staatsbesitz befindlichen früheren (jetzt kultur¬
fähigen) Odländereien in Frage kommt, ist von untergeordneter Bedeutung.
Will man für Ostpreußen nicht eine besondere Ansiedlungskommission schaffen,
so wäre, da die Durchführung des großen Ansiedlungswerkes eine behördliche
Zentralisation erforderlich macht, der Geschäftsbereich sowie die Kompetenz der
Generalkommission sinngemäß zu erweitern. Jeder, der Fühlung hat mit
minderbemittelten, aber arbeit- und strebsamen, dörflichen Verhältnissen ent¬
stammenden Leuten unseres Volkes, weiß, wie lebhaft und groß der Wunsch
nach dem Besitz eines eigenen Stückes Ackerlandes ist, ein Wunsch, der sich in
den meisten Fällen zur Sehnsucht steigert, die bei Aussicht auf Erfüllung
allen Lockungen des Westens und der Großstädte widerstehen würde. Das
Heil und die Zukunft ganz Ostpreußens hängt von einer glücklichen In¬
spiration und frischen Initiative der Regierung in dieser Hinsicht ab,
— und ein gütiges Geschick bewahre uns vor verhängnisvollen Mi߬
griffen!

Wie erinnerlich sein wird, ist der Bundesrat nach § 3 des Gesetzes
betreffend den Erlaß wirtschaftlicher Maßnahmen usw. vom 4. August 1914
ermächtigt, das Wirtschaftsleben nach eigenem Ermessen gegen Schädigungen
durch den Krieg, besonders in den vom Krieg direkt betroffenen Landesteilen
möglichst zu schützen. Von beteiligter Seite ist daher an den Bundesrat
ein Antrag gerichtet worden, ein Kriegsgewerbeamt für Ostpreußen (eventuell
in Angliederung an die Kriegshilfskommission) zu organisieren, dem folgende
Aufgaben und Tätigkeiten zufallen sollen:

1. Die Vornahme von Untersuchungen über den gesamten Umfang der
wirtschaftlichen Verluste in Industrie, Handel und Handwerk; 2. die Prüfung
und Abschätzung besonderer Schadenersatzansprüche geschädigter Betriebsinhaber
und die Erstattung diesbezüglicher Gutachten an die Kriegshilfsausschüsse usw.,
3. Die Mitwirkung beim Wiederaufbau zerstörter Städte und Dörfer, sowie
nach Anhörung der Bauberatungsstellen die Heranziehung tüchtiger Architekten,
Bauhandwerker und Arbeitskräfte; 4. die Wiederbesiedlung und Neubelebung
verlassener Ortschaften mit Betriebsanlagen, Einrichtungen (besonders Elektrizität)
und Personen, die dem ostpreußischen Gewerbe (der Industrie, dem Handel
und Handwerk) sowie der Landwirtschaft Nutzen bringen; 5. die Vermittlung
von Arbeitsgelegenheit bzw. Übertragung von öffentlichen Leistungen an ein¬
heimische Unternehmer und Lieferungsvereinigungen unter Zugrundelegung an¬
gemessener Preise; 6. Versorgung des Gewerbes mit Handwerkszeug, Maschinen,
Kohlen und sonstigen Bedarfsmitteln zur Behebung der Schwierigkeiten bei
Fortführung geschädigter Betriebe.

Außerdem soll das Kriegsgewerbeamt innerhalb seines Wirkungskreises
Anträge an Behörden, Kommunalverbände und Körperschaften des öffentlichen
Rechts stellen und Anfragen über gewerbliche und wirtschaftliche Verhältnisse


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[0127] Grundzügö für den Wiederaufbau Gstprcußens besetzung bereits vorhandener kleiner Anbauflächen, eine Zerschlagung großer Güter und Aufteilung der in Staatsbesitz befindlichen früheren (jetzt kultur¬ fähigen) Odländereien in Frage kommt, ist von untergeordneter Bedeutung. Will man für Ostpreußen nicht eine besondere Ansiedlungskommission schaffen, so wäre, da die Durchführung des großen Ansiedlungswerkes eine behördliche Zentralisation erforderlich macht, der Geschäftsbereich sowie die Kompetenz der Generalkommission sinngemäß zu erweitern. Jeder, der Fühlung hat mit minderbemittelten, aber arbeit- und strebsamen, dörflichen Verhältnissen ent¬ stammenden Leuten unseres Volkes, weiß, wie lebhaft und groß der Wunsch nach dem Besitz eines eigenen Stückes Ackerlandes ist, ein Wunsch, der sich in den meisten Fällen zur Sehnsucht steigert, die bei Aussicht auf Erfüllung allen Lockungen des Westens und der Großstädte widerstehen würde. Das Heil und die Zukunft ganz Ostpreußens hängt von einer glücklichen In¬ spiration und frischen Initiative der Regierung in dieser Hinsicht ab, — und ein gütiges Geschick bewahre uns vor verhängnisvollen Mi߬ griffen! Wie erinnerlich sein wird, ist der Bundesrat nach § 3 des Gesetzes betreffend den Erlaß wirtschaftlicher Maßnahmen usw. vom 4. August 1914 ermächtigt, das Wirtschaftsleben nach eigenem Ermessen gegen Schädigungen durch den Krieg, besonders in den vom Krieg direkt betroffenen Landesteilen möglichst zu schützen. Von beteiligter Seite ist daher an den Bundesrat ein Antrag gerichtet worden, ein Kriegsgewerbeamt für Ostpreußen (eventuell in Angliederung an die Kriegshilfskommission) zu organisieren, dem folgende Aufgaben und Tätigkeiten zufallen sollen: 1. Die Vornahme von Untersuchungen über den gesamten Umfang der wirtschaftlichen Verluste in Industrie, Handel und Handwerk; 2. die Prüfung und Abschätzung besonderer Schadenersatzansprüche geschädigter Betriebsinhaber und die Erstattung diesbezüglicher Gutachten an die Kriegshilfsausschüsse usw., 3. Die Mitwirkung beim Wiederaufbau zerstörter Städte und Dörfer, sowie nach Anhörung der Bauberatungsstellen die Heranziehung tüchtiger Architekten, Bauhandwerker und Arbeitskräfte; 4. die Wiederbesiedlung und Neubelebung verlassener Ortschaften mit Betriebsanlagen, Einrichtungen (besonders Elektrizität) und Personen, die dem ostpreußischen Gewerbe (der Industrie, dem Handel und Handwerk) sowie der Landwirtschaft Nutzen bringen; 5. die Vermittlung von Arbeitsgelegenheit bzw. Übertragung von öffentlichen Leistungen an ein¬ heimische Unternehmer und Lieferungsvereinigungen unter Zugrundelegung an¬ gemessener Preise; 6. Versorgung des Gewerbes mit Handwerkszeug, Maschinen, Kohlen und sonstigen Bedarfsmitteln zur Behebung der Schwierigkeiten bei Fortführung geschädigter Betriebe. Außerdem soll das Kriegsgewerbeamt innerhalb seines Wirkungskreises Anträge an Behörden, Kommunalverbände und Körperschaften des öffentlichen Rechts stellen und Anfragen über gewerbliche und wirtschaftliche Verhältnisse

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/127>, abgerufen am 28.09.2024.