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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.

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Grundziige für den Wiederaufbau Gstprcußeus

Fall zu Fall zu bewirken. Da die Gliederung der halbamtlichen Organisation
inzwischen vom Ministerressort bis zum Bauhandwerker gediehen ist, sind wenigstens
in projekttechnischer Hinsicht alle Vorbereitungen getroffen, so daß bei Friedens¬
schluß sofort mit dem ersten Spatenstich und dem ersten Hammerschlag begonnen
werden kann. Eine ganze Reihe untergeordneter Fragen, wie die Material¬
beschaffung, Ausschaltung der Bodenspekulation, Kanalisation und Wasser¬
leitung usw. finden ohne Schwierigkeit ihre Lösung ganz von selbst. Dagegen
stellen sich die baukünstlerischen und städtebaulichen Probleme in ihrer Gesamtheit
als außerordentlich schwierig dar.

Die Stileinheit wird sich ohne große Mühe dort wahren lassen, wo der
Neubau ganzer Stadtteile, Straßenzüge und Plätze erforderlich ist, während bei
Beseitigung von Einzelschäden, zur Vermeidung unnötiger wirtschaftlicher Unkosten,
eine totale bauliche Umänderung fortfallen muß. Immerhin können auch hier
bei einigem guten Willen die elementarsten Anforderungen an den modernen
Wohnungsbau und die unabweisbaren, berechtigten Forderungen in bezug auf
den neuzeitlichen Stil Befriedigung finden, wenn dadurch der einheitliche Stil,
dem sich auch die öffentlichen Gebäude bei ihrem Wiederaufbau unterzuordnen
haben, nicht gestört wird. In den Dörfern wird stets die Bauart der Kirche,
der historischen und öffentlichen Bauwerke -- örtlich und stilistisch -- den
Kristallisationspunkt für die Gesamtsiedlung bilden müssen. Besonderes Gewicht
ist in den Kleinstädter auf den Bau kleiner Wohnungen in kleinen Quartieren
zu. legen, der nicht teurer ist als der in Massenquartieren. Den modernen Ver¬
kehrsverhältnissen ist durch Anlage breiter Straßen und Erweiterung der
Straßeneinmündungen Rechnung zu tragen. Die sich -- besonders in ländlichen
Bezirken -- der Umgebung meist so glücklich anpassenden und daher malerisch
wirkenden ostpreußischen Siedlungsbilder sind vielfach von einem grobsühligen.
künstlerisch sterilen Unternehmertum verschandelt worden. In der staatlichen
Organisation ist daher Vorsorge getroffen, daß Großgrundbesitzer, die neu bauen
müssen, ihre technischen und künstlerischen Berater ebenso finden werden wie der ein¬
fache Landwirt, der früher sein blindes Vertrauen in den Geschmack und Schönheits¬
sinn des ausführenden Bauunternehmers gewöhnlich erst beim Richtfest schmählich
getäuscht sah und seufzend resignierte. Die Regierung wird sich deshalb der
von vielen Interessentenkreisen an sie ergangenen Anregung nicht verschließen,
unabhängige, künstlerische Individualitäten, das heißt selbständige, reich erfahrene
und in der Praxis bewährte Architekten in die Kriegshilfskommission zu berufen.
Wenngleich die Provinz selbst über eine ganze Reihe derartiger angesehener Kräfte
verfügt, die wirksam für eine ausreichende Beibehaltung der ostpreußischen boden¬
ständigen Bauweise sorgen und auch dieForderungcn des Heimatschutzes zu befriedigen
vermögen, kann man nur lebhaft befürworten, was die Vereinigung der Berliner
Architekten in ihrer Eingabe an den Reichskanzler zu diesen, Thema ausführt:

. "Die bisherigen Bauberatungsstellen werden ihrem Charakter nach nicht
ausreichen und auch nach ihrer bisherigen Tätigkeit nicht geeignet sein, das za


Grundziige für den Wiederaufbau Gstprcußeus

Fall zu Fall zu bewirken. Da die Gliederung der halbamtlichen Organisation
inzwischen vom Ministerressort bis zum Bauhandwerker gediehen ist, sind wenigstens
in projekttechnischer Hinsicht alle Vorbereitungen getroffen, so daß bei Friedens¬
schluß sofort mit dem ersten Spatenstich und dem ersten Hammerschlag begonnen
werden kann. Eine ganze Reihe untergeordneter Fragen, wie die Material¬
beschaffung, Ausschaltung der Bodenspekulation, Kanalisation und Wasser¬
leitung usw. finden ohne Schwierigkeit ihre Lösung ganz von selbst. Dagegen
stellen sich die baukünstlerischen und städtebaulichen Probleme in ihrer Gesamtheit
als außerordentlich schwierig dar.

Die Stileinheit wird sich ohne große Mühe dort wahren lassen, wo der
Neubau ganzer Stadtteile, Straßenzüge und Plätze erforderlich ist, während bei
Beseitigung von Einzelschäden, zur Vermeidung unnötiger wirtschaftlicher Unkosten,
eine totale bauliche Umänderung fortfallen muß. Immerhin können auch hier
bei einigem guten Willen die elementarsten Anforderungen an den modernen
Wohnungsbau und die unabweisbaren, berechtigten Forderungen in bezug auf
den neuzeitlichen Stil Befriedigung finden, wenn dadurch der einheitliche Stil,
dem sich auch die öffentlichen Gebäude bei ihrem Wiederaufbau unterzuordnen
haben, nicht gestört wird. In den Dörfern wird stets die Bauart der Kirche,
der historischen und öffentlichen Bauwerke — örtlich und stilistisch — den
Kristallisationspunkt für die Gesamtsiedlung bilden müssen. Besonderes Gewicht
ist in den Kleinstädter auf den Bau kleiner Wohnungen in kleinen Quartieren
zu. legen, der nicht teurer ist als der in Massenquartieren. Den modernen Ver¬
kehrsverhältnissen ist durch Anlage breiter Straßen und Erweiterung der
Straßeneinmündungen Rechnung zu tragen. Die sich — besonders in ländlichen
Bezirken — der Umgebung meist so glücklich anpassenden und daher malerisch
wirkenden ostpreußischen Siedlungsbilder sind vielfach von einem grobsühligen.
künstlerisch sterilen Unternehmertum verschandelt worden. In der staatlichen
Organisation ist daher Vorsorge getroffen, daß Großgrundbesitzer, die neu bauen
müssen, ihre technischen und künstlerischen Berater ebenso finden werden wie der ein¬
fache Landwirt, der früher sein blindes Vertrauen in den Geschmack und Schönheits¬
sinn des ausführenden Bauunternehmers gewöhnlich erst beim Richtfest schmählich
getäuscht sah und seufzend resignierte. Die Regierung wird sich deshalb der
von vielen Interessentenkreisen an sie ergangenen Anregung nicht verschließen,
unabhängige, künstlerische Individualitäten, das heißt selbständige, reich erfahrene
und in der Praxis bewährte Architekten in die Kriegshilfskommission zu berufen.
Wenngleich die Provinz selbst über eine ganze Reihe derartiger angesehener Kräfte
verfügt, die wirksam für eine ausreichende Beibehaltung der ostpreußischen boden¬
ständigen Bauweise sorgen und auch dieForderungcn des Heimatschutzes zu befriedigen
vermögen, kann man nur lebhaft befürworten, was die Vereinigung der Berliner
Architekten in ihrer Eingabe an den Reichskanzler zu diesen, Thema ausführt:

. „Die bisherigen Bauberatungsstellen werden ihrem Charakter nach nicht
ausreichen und auch nach ihrer bisherigen Tätigkeit nicht geeignet sein, das za


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[0121] Grundziige für den Wiederaufbau Gstprcußeus Fall zu Fall zu bewirken. Da die Gliederung der halbamtlichen Organisation inzwischen vom Ministerressort bis zum Bauhandwerker gediehen ist, sind wenigstens in projekttechnischer Hinsicht alle Vorbereitungen getroffen, so daß bei Friedens¬ schluß sofort mit dem ersten Spatenstich und dem ersten Hammerschlag begonnen werden kann. Eine ganze Reihe untergeordneter Fragen, wie die Material¬ beschaffung, Ausschaltung der Bodenspekulation, Kanalisation und Wasser¬ leitung usw. finden ohne Schwierigkeit ihre Lösung ganz von selbst. Dagegen stellen sich die baukünstlerischen und städtebaulichen Probleme in ihrer Gesamtheit als außerordentlich schwierig dar. Die Stileinheit wird sich ohne große Mühe dort wahren lassen, wo der Neubau ganzer Stadtteile, Straßenzüge und Plätze erforderlich ist, während bei Beseitigung von Einzelschäden, zur Vermeidung unnötiger wirtschaftlicher Unkosten, eine totale bauliche Umänderung fortfallen muß. Immerhin können auch hier bei einigem guten Willen die elementarsten Anforderungen an den modernen Wohnungsbau und die unabweisbaren, berechtigten Forderungen in bezug auf den neuzeitlichen Stil Befriedigung finden, wenn dadurch der einheitliche Stil, dem sich auch die öffentlichen Gebäude bei ihrem Wiederaufbau unterzuordnen haben, nicht gestört wird. In den Dörfern wird stets die Bauart der Kirche, der historischen und öffentlichen Bauwerke — örtlich und stilistisch — den Kristallisationspunkt für die Gesamtsiedlung bilden müssen. Besonderes Gewicht ist in den Kleinstädter auf den Bau kleiner Wohnungen in kleinen Quartieren zu. legen, der nicht teurer ist als der in Massenquartieren. Den modernen Ver¬ kehrsverhältnissen ist durch Anlage breiter Straßen und Erweiterung der Straßeneinmündungen Rechnung zu tragen. Die sich — besonders in ländlichen Bezirken — der Umgebung meist so glücklich anpassenden und daher malerisch wirkenden ostpreußischen Siedlungsbilder sind vielfach von einem grobsühligen. künstlerisch sterilen Unternehmertum verschandelt worden. In der staatlichen Organisation ist daher Vorsorge getroffen, daß Großgrundbesitzer, die neu bauen müssen, ihre technischen und künstlerischen Berater ebenso finden werden wie der ein¬ fache Landwirt, der früher sein blindes Vertrauen in den Geschmack und Schönheits¬ sinn des ausführenden Bauunternehmers gewöhnlich erst beim Richtfest schmählich getäuscht sah und seufzend resignierte. Die Regierung wird sich deshalb der von vielen Interessentenkreisen an sie ergangenen Anregung nicht verschließen, unabhängige, künstlerische Individualitäten, das heißt selbständige, reich erfahrene und in der Praxis bewährte Architekten in die Kriegshilfskommission zu berufen. Wenngleich die Provinz selbst über eine ganze Reihe derartiger angesehener Kräfte verfügt, die wirksam für eine ausreichende Beibehaltung der ostpreußischen boden¬ ständigen Bauweise sorgen und auch dieForderungcn des Heimatschutzes zu befriedigen vermögen, kann man nur lebhaft befürworten, was die Vereinigung der Berliner Architekten in ihrer Eingabe an den Reichskanzler zu diesen, Thema ausführt: . „Die bisherigen Bauberatungsstellen werden ihrem Charakter nach nicht ausreichen und auch nach ihrer bisherigen Tätigkeit nicht geeignet sein, das za

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/121>, abgerufen am 28.09.2024.