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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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herzerfreuende Erscheinung unserer gegen¬
wärtigen Literatur, sondern auch wiederum
ein Beweis für die ungeheure Kraft der
Wandlungsfähigkeit der Antike. Freilich muß
das klassische Kunstideal in Hände kommen,
die rein sind, wie die des delphischen Priesters.
Was daraus wird, wenn es dem Sensations¬
bedürfnis nervöser Dekadenz zum Opfer ge¬
bracht wird, das haben wir neuerdings
wieder erlebt; es soll hier nichts weiter da¬
von gesagt werden. Letzten Endes aber be¬
deutet jedes echte Kunstwerk ein sittliches
Glaubensbekenntnis seines Schöpfers, und so
ist, was der Dichter des TeukroS uns in
seinem Stücke erkennen läßt, um ein Wort
seines Helden auf ihn selbst anzuwenden:
Der eignen Seele Kraft und edle Art. --
Den deutschen Bühnen sei das Werk aufs
wärmste empfohlen, ebenso den Lehrern des
Deutschen an den höheren Schulen; wegen
seines emporzichenden, sieghaften Optimismus
und dein Mangel jeder sinnschwülen Erotik
eignet es sich trefflich zur Schullektüre -- ein
Dr. Seeliger kerndeutsches Werk!

[Ende Spaltensatz]

Telamon, des Mas Vater, die Rückkehr des
Sohnes ersehnt und mit meisterhafter Grau¬
samkeit tragischer Ironie in seinen Hoffnungen
bestärkt wird, bis sich die zerschmetternde
Wahrheit offenbart -- auf der Bühne müssen
die schier atemlos drängenden Szenen von
unwiderstehlicher Wirkung sein. Hier liegt
der Höhepunkt des ganzen Stückes: der
furchtbare Fluch des Telamon, der Tod des
Greises, der seinen Wahnglauben an "der
Liebe starke Wunschgewalt" zusammenbrechen
sieht, die sittliche Kraft, die Teukros dem¬
gegenüber bezeugt, all das ist erschütternd
und -- erhebend zugleich. Die Zeichnung
der Charaktere ist scharf und sicher, und
wundervoll die Darstellung, wie allmählich
in der Seele Tekmenas die Liebe zu dem
anfänglich auch von ihr Verläumder erwacht,
geheim und keusch, bis sie unter den
Schmähungen Telamons mit Allgewalt her¬
vorbricht. -- Die Sprache gibt sich schlicht
und natürlich und ist bei allem Adel des
Ausdrucks fern von allem Jambenpathos
und Tiradenprunk, kurz das Drama ist, wie
schon angedeutet, nicht nur eine geradezu






Ma Manuskripten ist Porto hinzvznfügen, da andernfalls bei Ablehmmg eine Rücksendung
nicht verbürgt wervc" kann.




S.Xchr-ick sämtlicher ni-fsiitzc in"' mit aus", iicklich.-r Erlaubnis des Verlag" "cstattr".
Tsrantiölittlich: der Herausgeber George Cleinow in Verum-SchMeberg, -- M<in"sKiPtseiitml"en und Vrbchl"
werde" erbeten unter der Adresse: An den Herausgeber der Gre"z""tru j" Berlin-Friede""", Hedwigstr. 1 ".
F-rnsprecher der Schristlcitung: Amt Uhland SSM. de" Verlags: Amt Liitzow "510,
Verlag: Verlag der Gr-nzbot-u G, in, l>, H in Berlin SV II.
Druck: .Der N-ichSbote" ". ". b. H. i" Berlin SV 11. Dessauer Sir"S" SS/S7.
Maßgebliches und Unmaßgebliches

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herzerfreuende Erscheinung unserer gegen¬
wärtigen Literatur, sondern auch wiederum
ein Beweis für die ungeheure Kraft der
Wandlungsfähigkeit der Antike. Freilich muß
das klassische Kunstideal in Hände kommen,
die rein sind, wie die des delphischen Priesters.
Was daraus wird, wenn es dem Sensations¬
bedürfnis nervöser Dekadenz zum Opfer ge¬
bracht wird, das haben wir neuerdings
wieder erlebt; es soll hier nichts weiter da¬
von gesagt werden. Letzten Endes aber be¬
deutet jedes echte Kunstwerk ein sittliches
Glaubensbekenntnis seines Schöpfers, und so
ist, was der Dichter des TeukroS uns in
seinem Stücke erkennen läßt, um ein Wort
seines Helden auf ihn selbst anzuwenden:
Der eignen Seele Kraft und edle Art. —
Den deutschen Bühnen sei das Werk aufs
wärmste empfohlen, ebenso den Lehrern des
Deutschen an den höheren Schulen; wegen
seines emporzichenden, sieghaften Optimismus
und dein Mangel jeder sinnschwülen Erotik
eignet es sich trefflich zur Schullektüre — ein
Dr. Seeliger kerndeutsches Werk!

[Ende Spaltensatz]

Telamon, des Mas Vater, die Rückkehr des
Sohnes ersehnt und mit meisterhafter Grau¬
samkeit tragischer Ironie in seinen Hoffnungen
bestärkt wird, bis sich die zerschmetternde
Wahrheit offenbart — auf der Bühne müssen
die schier atemlos drängenden Szenen von
unwiderstehlicher Wirkung sein. Hier liegt
der Höhepunkt des ganzen Stückes: der
furchtbare Fluch des Telamon, der Tod des
Greises, der seinen Wahnglauben an „der
Liebe starke Wunschgewalt" zusammenbrechen
sieht, die sittliche Kraft, die Teukros dem¬
gegenüber bezeugt, all das ist erschütternd
und — erhebend zugleich. Die Zeichnung
der Charaktere ist scharf und sicher, und
wundervoll die Darstellung, wie allmählich
in der Seele Tekmenas die Liebe zu dem
anfänglich auch von ihr Verläumder erwacht,
geheim und keusch, bis sie unter den
Schmähungen Telamons mit Allgewalt her¬
vorbricht. — Die Sprache gibt sich schlicht
und natürlich und ist bei allem Adel des
Ausdrucks fern von allem Jambenpathos
und Tiradenprunk, kurz das Drama ist, wie
schon angedeutet, nicht nur eine geradezu






Ma Manuskripten ist Porto hinzvznfügen, da andernfalls bei Ablehmmg eine Rücksendung
nicht verbürgt wervc» kann.




S.Xchr-ick sämtlicher ni-fsiitzc in«' mit aus», iicklich.-r Erlaubnis des Verlag« «cstattr«.
Tsrantiölittlich: der Herausgeber George Cleinow in Verum-SchMeberg, — M<in«sKiPtseiitml»en und Vrbchl»
werde» erbeten unter der Adresse: An den Herausgeber der Gre»z»«tru j» Berlin-Friede««», Hedwigstr. 1 ».
F-rnsprecher der Schristlcitung: Amt Uhland SSM. de» Verlags: Amt Liitzow «510,
Verlag: Verlag der Gr-nzbot-u G, in, l>, H in Berlin SV II.
Druck: .Der N-ichSbote" «. «. b. H. i» Berlin SV 11. Dessauer Sir»S» SS/S7.
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[0428] Maßgebliches und Unmaßgebliches herzerfreuende Erscheinung unserer gegen¬ wärtigen Literatur, sondern auch wiederum ein Beweis für die ungeheure Kraft der Wandlungsfähigkeit der Antike. Freilich muß das klassische Kunstideal in Hände kommen, die rein sind, wie die des delphischen Priesters. Was daraus wird, wenn es dem Sensations¬ bedürfnis nervöser Dekadenz zum Opfer ge¬ bracht wird, das haben wir neuerdings wieder erlebt; es soll hier nichts weiter da¬ von gesagt werden. Letzten Endes aber be¬ deutet jedes echte Kunstwerk ein sittliches Glaubensbekenntnis seines Schöpfers, und so ist, was der Dichter des TeukroS uns in seinem Stücke erkennen läßt, um ein Wort seines Helden auf ihn selbst anzuwenden: Der eignen Seele Kraft und edle Art. — Den deutschen Bühnen sei das Werk aufs wärmste empfohlen, ebenso den Lehrern des Deutschen an den höheren Schulen; wegen seines emporzichenden, sieghaften Optimismus und dein Mangel jeder sinnschwülen Erotik eignet es sich trefflich zur Schullektüre — ein Dr. Seeliger kerndeutsches Werk! Telamon, des Mas Vater, die Rückkehr des Sohnes ersehnt und mit meisterhafter Grau¬ samkeit tragischer Ironie in seinen Hoffnungen bestärkt wird, bis sich die zerschmetternde Wahrheit offenbart — auf der Bühne müssen die schier atemlos drängenden Szenen von unwiderstehlicher Wirkung sein. Hier liegt der Höhepunkt des ganzen Stückes: der furchtbare Fluch des Telamon, der Tod des Greises, der seinen Wahnglauben an „der Liebe starke Wunschgewalt" zusammenbrechen sieht, die sittliche Kraft, die Teukros dem¬ gegenüber bezeugt, all das ist erschütternd und — erhebend zugleich. Die Zeichnung der Charaktere ist scharf und sicher, und wundervoll die Darstellung, wie allmählich in der Seele Tekmenas die Liebe zu dem anfänglich auch von ihr Verläumder erwacht, geheim und keusch, bis sie unter den Schmähungen Telamons mit Allgewalt her¬ vorbricht. — Die Sprache gibt sich schlicht und natürlich und ist bei allem Adel des Ausdrucks fern von allem Jambenpathos und Tiradenprunk, kurz das Drama ist, wie schon angedeutet, nicht nur eine geradezu Ma Manuskripten ist Porto hinzvznfügen, da andernfalls bei Ablehmmg eine Rücksendung nicht verbürgt wervc» kann. S.Xchr-ick sämtlicher ni-fsiitzc in«' mit aus», iicklich.-r Erlaubnis des Verlag« «cstattr«. Tsrantiölittlich: der Herausgeber George Cleinow in Verum-SchMeberg, — M<in«sKiPtseiitml»en und Vrbchl» werde» erbeten unter der Adresse: An den Herausgeber der Gre»z»«tru j» Berlin-Friede««», Hedwigstr. 1 ». F-rnsprecher der Schristlcitung: Amt Uhland SSM. de» Verlags: Amt Liitzow «510, Verlag: Verlag der Gr-nzbot-u G, in, l>, H in Berlin SV II. Druck: .Der N-ichSbote" «. «. b. H. i» Berlin SV 11. Dessauer Sir»S» SS/S7.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/428>, abgerufen am 30.06.2024.