Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.Reste germanischen volkstnms in Nordfrankreich und wir brauchten gar nicht das Zeugnis von Viollet le Duc, der in den In den alten Städten der Normandie haben sich ja viele Fachwerkbanten Die Stellung des Hauses mit dem Giebel an der Straßenfront hat sich Reste normannischer Holzbaukunst und Schmuckkunst zeigen viele dieser alten Auch in den einst fränkisch besiedelten Gebieten ist noch manche Spur Reste germanischen volkstnms in Nordfrankreich und wir brauchten gar nicht das Zeugnis von Viollet le Duc, der in den In den alten Städten der Normandie haben sich ja viele Fachwerkbanten Die Stellung des Hauses mit dem Giebel an der Straßenfront hat sich Reste normannischer Holzbaukunst und Schmuckkunst zeigen viele dieser alten Auch in den einst fränkisch besiedelten Gebieten ist noch manche Spur <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0324" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329552"/> <fw type="header" place="top"> Reste germanischen volkstnms in Nordfrankreich</fw><lb/> <p xml:id="ID_1156" prev="#ID_1155"> und wir brauchten gar nicht das Zeugnis von Viollet le Duc, der in den<lb/> normannischen Gebietsteilen noch viele kleinere Bauten beobachtet hat, die an<lb/> die Bauweise des Nordens und an die Hausbilder auf dem königlichen Wand¬<lb/> teppich von Baueux erinnerten. Leider ist Viollet le Duc nicht näher auf die<lb/> Erforschung der Einzelheiten der verschiedenen Bauten eingegangen, die nach<lb/> seinem Bericht im vorigen Jahrhundert noch häufig zu finden waren, und wir<lb/> sind nach seinen Angaben nicht imstande, die Art der Grundrißbildung, der<lb/> Hofanlage und andere wichtige Einzelheiten zu beurteilen. Ob solche Bauten<lb/> vielleicht noch heute vereinzelt zu finden sind, ist sehr zweifelhaft, Streifzüge in<lb/> den Gegenden, die Villet le Duc nennt, habe ich ohne Erfolg unternommen.<lb/> Die kleinen Holzbauten sind meist den Erneuerungsarbeiten im neunzehnten<lb/> Jahrhundert geopfert worden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1157"> In den alten Städten der Normandie haben sich ja viele Fachwerkbanten<lb/> noch erhalten. Wir können hier, ebenso wie bei den Bauten.der deutschen<lb/> Städte, voraussetzen, daß sich das städtische Bürgerhaus aus dem Organismus<lb/> des Bauerhauses entwickelt hat. Eine planmäßige Untersuchung dieser mittel¬<lb/> alterlichen Fachwerkbauten und eine vergleichende Betrachtung mit ländlichen<lb/> alten Bauten, die sich doch wohl noch finden mögen, wäre gewiß eine Aufgabe,<lb/> die zu wertvollen Vergleichen und Ergebnissen führen müßte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1158"> Die Stellung des Hauses mit dem Giebel an der Straßenfront hat sich<lb/> in Nordfrankreich, ebenso wie in den deutschen Städten, bis in das späte<lb/> Mittelalter als allgemein angewandte Anordnung erhalten; erst die Bauordnungen<lb/> haben die Stellung mit der Trauflinie an der Straße allgemeiner werden<lb/> lassen. Aber auch dann noch suchte man durch mächtige Giebel über der<lb/> Trauflinie das altgewohnte Bild festzuhalten, wie es so manche Straßenzüge in<lb/> Lisieux und anderen alten normannischen Städten erkennen lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1159"> Reste normannischer Holzbaukunst und Schmuckkunst zeigen viele dieser alten<lb/> Bauten, deren Technik durch die Anwendung einer großen Zahl bogenförmiger<lb/> Hölzer die Überlieferungen des Schiffbaues noch festgehalten haben, der in<lb/> diesen Hafenstädten die Kunst des Zimmermanns zu hoher Vollendung ent¬<lb/> falten half.</p><lb/> <p xml:id="ID_1160"> Auch in den einst fränkisch besiedelten Gebieten ist noch manche Spur<lb/> fränkischer Bau- und Siedelungsweise erhalten geblieben. Das zeigen Dorfbilder<lb/> in der Gegend von Laon und Soissons, auch solche in den nördlich angrenzenden<lb/> Gegenden, die stellenweise die alte fränkische Gehöftbildung und Hausform noch<lb/> erkennen lassen, so daß manche Dorfbilder mit den alten Linden am Dorfplatz an<lb/> rheinische Dörfer gemahnen. Eine Untersuchung des alten „Litus Saxonicum" in den<lb/> Ebenen um den Mont de Cassel wäre wegen einer hier noch vorkommenden Form<lb/> des Eindachhauses sicher lohnend. Hier sind für die germanische Hausforschung noch<lb/> beachtenswerte Aufgaben vorhanden, deren Bedeutung heute um so größer ist,<lb/> als die nach dem Kriege einsetzenden Erneuerungsarbeiten manches Wichtige<lb/> endgültig vernichten werden.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0324]
Reste germanischen volkstnms in Nordfrankreich
und wir brauchten gar nicht das Zeugnis von Viollet le Duc, der in den
normannischen Gebietsteilen noch viele kleinere Bauten beobachtet hat, die an
die Bauweise des Nordens und an die Hausbilder auf dem königlichen Wand¬
teppich von Baueux erinnerten. Leider ist Viollet le Duc nicht näher auf die
Erforschung der Einzelheiten der verschiedenen Bauten eingegangen, die nach
seinem Bericht im vorigen Jahrhundert noch häufig zu finden waren, und wir
sind nach seinen Angaben nicht imstande, die Art der Grundrißbildung, der
Hofanlage und andere wichtige Einzelheiten zu beurteilen. Ob solche Bauten
vielleicht noch heute vereinzelt zu finden sind, ist sehr zweifelhaft, Streifzüge in
den Gegenden, die Villet le Duc nennt, habe ich ohne Erfolg unternommen.
Die kleinen Holzbauten sind meist den Erneuerungsarbeiten im neunzehnten
Jahrhundert geopfert worden.
In den alten Städten der Normandie haben sich ja viele Fachwerkbanten
noch erhalten. Wir können hier, ebenso wie bei den Bauten.der deutschen
Städte, voraussetzen, daß sich das städtische Bürgerhaus aus dem Organismus
des Bauerhauses entwickelt hat. Eine planmäßige Untersuchung dieser mittel¬
alterlichen Fachwerkbauten und eine vergleichende Betrachtung mit ländlichen
alten Bauten, die sich doch wohl noch finden mögen, wäre gewiß eine Aufgabe,
die zu wertvollen Vergleichen und Ergebnissen führen müßte.
Die Stellung des Hauses mit dem Giebel an der Straßenfront hat sich
in Nordfrankreich, ebenso wie in den deutschen Städten, bis in das späte
Mittelalter als allgemein angewandte Anordnung erhalten; erst die Bauordnungen
haben die Stellung mit der Trauflinie an der Straße allgemeiner werden
lassen. Aber auch dann noch suchte man durch mächtige Giebel über der
Trauflinie das altgewohnte Bild festzuhalten, wie es so manche Straßenzüge in
Lisieux und anderen alten normannischen Städten erkennen lassen.
Reste normannischer Holzbaukunst und Schmuckkunst zeigen viele dieser alten
Bauten, deren Technik durch die Anwendung einer großen Zahl bogenförmiger
Hölzer die Überlieferungen des Schiffbaues noch festgehalten haben, der in
diesen Hafenstädten die Kunst des Zimmermanns zu hoher Vollendung ent¬
falten half.
Auch in den einst fränkisch besiedelten Gebieten ist noch manche Spur
fränkischer Bau- und Siedelungsweise erhalten geblieben. Das zeigen Dorfbilder
in der Gegend von Laon und Soissons, auch solche in den nördlich angrenzenden
Gegenden, die stellenweise die alte fränkische Gehöftbildung und Hausform noch
erkennen lassen, so daß manche Dorfbilder mit den alten Linden am Dorfplatz an
rheinische Dörfer gemahnen. Eine Untersuchung des alten „Litus Saxonicum" in den
Ebenen um den Mont de Cassel wäre wegen einer hier noch vorkommenden Form
des Eindachhauses sicher lohnend. Hier sind für die germanische Hausforschung noch
beachtenswerte Aufgaben vorhanden, deren Bedeutung heute um so größer ist,
als die nach dem Kriege einsetzenden Erneuerungsarbeiten manches Wichtige
endgültig vernichten werden.
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